Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

v. d. Zusammenhange d. Begebenh. etc.
lung nicht unmittelbar auf die Ursach, sondern auf
ein Dilemma: daß sie entweder die Lust, oder ei-
ne Absicht zum Grunde habe. Denn muß nun
untersucht werden, welches von beyden in dem vor-
handenen Geschäffte statt finde. Hier ist nun frey-
lich beschwehrlich, daß die Handlungen, wel-
che man aus einem blossen Triebe und Lust zur Sa-
che vornimmt, fast eben so aussehen, als wenn
eben dieselben Handlungen aus einer Absicht vor-
genommen werden: iedoch wenn man auf die klein-
sten Umstände Achtung giebt, oder solche genau er-
kundiget, so wird sich meist einiger Unterschied fin-
den. Denn einerley Art der Handlung, wenn sie
aus verschiedenen Triebfedern erfolgen, werden
nicht auf einerley Art ausgeführt. Doch macht
die Verstellung die Sache schwehr, den Unter-
scheid zu bemercken. Daher ist schon bey dieser
Art der Handlungen schwehr, die Ursachen untrüg-
lich zu erforschen, wenn man nicht intimae admis-
sionis
ist.

§. 39.
Handlungen ohne Vergnügen folgen grossen Theils
aus unserm Amte und Stande.

Wenn wir von einer Handlung, die nichts unge-
bührliches an sich hat, aber auch zum blossen Ver-
gnügen nicht pflegt vorgenommen zu werden, die
Ursach finden wollen; so haben wir darauf zu den-
cken: ob sie nicht ihrer Natur nach, zu einem ge-
wissen Amte, Stande, Art von Menschen, oder
bekannten Zustande der Menschen gehöre? und
wenn uns dergleichen einfällt, hernach zu erkundi-
gen: ob sich nicht der Mensch, dessen Handlung

wir

v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc.
lung nicht unmittelbar auf die Urſach, ſondern auf
ein Dilemma: daß ſie entweder die Luſt, oder ei-
ne Abſicht zum Grunde habe. Denn muß nun
unterſucht werden, welches von beyden in dem vor-
handenen Geſchaͤffte ſtatt finde. Hier iſt nun frey-
lich beſchwehrlich, daß die Handlungen, wel-
che man aus einem bloſſen Triebe und Luſt zur Sa-
che vornimmt, faſt eben ſo ausſehen, als wenn
eben dieſelben Handlungen aus einer Abſicht vor-
genommen werden: iedoch wenn man auf die klein-
ſten Umſtaͤnde Achtung giebt, oder ſolche genau er-
kundiget, ſo wird ſich meiſt einiger Unterſchied fin-
den. Denn einerley Art der Handlung, wenn ſie
aus verſchiedenen Triebfedern erfolgen, werden
nicht auf einerley Art ausgefuͤhrt. Doch macht
die Verſtellung die Sache ſchwehr, den Unter-
ſcheid zu bemercken. Daher iſt ſchon bey dieſer
Art der Handlungen ſchwehr, die Urſachen untruͤg-
lich zu erforſchen, wenn man nicht intimæ admiſ-
ſionis
iſt.

§. 39.
Handlungen ohne Vergnuͤgen folgen groſſen Theils
aus unſerm Amte und Stande.

Wenn wir von einer Handlung, die nichts unge-
buͤhrliches an ſich hat, aber auch zum bloſſen Ver-
gnuͤgen nicht pflegt vorgenommen zu werden, die
Urſach finden wollen; ſo haben wir darauf zu den-
cken: ob ſie nicht ihrer Natur nach, zu einem ge-
wiſſen Amte, Stande, Art von Menſchen, oder
bekannten Zuſtande der Menſchen gehoͤre? und
wenn uns dergleichen einfaͤllt, hernach zu erkundi-
gen: ob ſich nicht der Menſch, deſſen Handlung

wir
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0291" n="255"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">v. d. Zu&#x017F;ammenhange d. Begebenh. &#xA75B;c.</hi></fw><lb/>
lung nicht unmittelbar auf die Ur&#x017F;ach, &#x017F;ondern auf<lb/>
ein <hi rendition="#aq">Dilemma:</hi> daß &#x017F;ie entweder die <hi rendition="#fr">Lu&#x017F;t,</hi> oder ei-<lb/>
ne <hi rendition="#fr">Ab&#x017F;icht</hi> zum Grunde habe. Denn muß nun<lb/>
unter&#x017F;ucht werden, welches von beyden in dem vor-<lb/>
handenen Ge&#x017F;cha&#x0364;ffte &#x017F;tatt finde. Hier i&#x017F;t nun frey-<lb/>
lich be&#x017F;chwehrlich, daß die Handlungen, wel-<lb/>
che man aus einem blo&#x017F;&#x017F;en Triebe und Lu&#x017F;t zur Sa-<lb/>
che vornimmt, fa&#x017F;t eben &#x017F;o aus&#x017F;ehen, als wenn<lb/>
eben die&#x017F;elben Handlungen aus einer <hi rendition="#fr">Ab&#x017F;icht</hi> vor-<lb/>
genommen werden: iedoch wenn man auf die klein-<lb/>
&#x017F;ten Um&#x017F;ta&#x0364;nde Achtung giebt, oder &#x017F;olche genau er-<lb/>
kundiget, &#x017F;o wird &#x017F;ich mei&#x017F;t einiger Unter&#x017F;chied fin-<lb/>
den. Denn einerley Art der Handlung, wenn &#x017F;ie<lb/>
aus ver&#x017F;chiedenen Triebfedern erfolgen, werden<lb/><hi rendition="#fr">nicht auf einerley Art</hi> ausgefu&#x0364;hrt. Doch macht<lb/>
die <hi rendition="#fr">Ver&#x017F;tellung</hi> die Sache &#x017F;chwehr, den Unter-<lb/>
&#x017F;cheid zu bemercken. Daher i&#x017F;t &#x017F;chon bey die&#x017F;er<lb/>
Art der Handlungen &#x017F;chwehr, die Ur&#x017F;achen untru&#x0364;g-<lb/>
lich zu erfor&#x017F;chen, wenn man nicht <hi rendition="#aq">intimæ admi&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ionis</hi> i&#x017F;t.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head>§. 39.<lb/>
Handlungen ohne Vergnu&#x0364;gen folgen gro&#x017F;&#x017F;en Theils<lb/>
aus un&#x017F;erm Amte und Stande.</head><lb/>
          <p>Wenn wir von einer Handlung, die nichts unge-<lb/>
bu&#x0364;hrliches an &#x017F;ich hat, aber auch zum blo&#x017F;&#x017F;en Ver-<lb/>
gnu&#x0364;gen nicht pflegt vorgenommen zu werden, die<lb/>
Ur&#x017F;ach finden wollen; &#x017F;o haben wir darauf zu den-<lb/>
cken: ob &#x017F;ie nicht ihrer Natur nach, zu einem ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Amte, Stande, Art von Men&#x017F;chen, oder<lb/>
bekannten Zu&#x017F;tande der Men&#x017F;chen geho&#x0364;re? und<lb/>
wenn uns dergleichen einfa&#x0364;llt, hernach zu erkundi-<lb/>
gen: ob &#x017F;ich nicht der Men&#x017F;ch, de&#x017F;&#x017F;en Handlung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wir</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[255/0291] v. d. Zuſammenhange d. Begebenh. ꝛc. lung nicht unmittelbar auf die Urſach, ſondern auf ein Dilemma: daß ſie entweder die Luſt, oder ei- ne Abſicht zum Grunde habe. Denn muß nun unterſucht werden, welches von beyden in dem vor- handenen Geſchaͤffte ſtatt finde. Hier iſt nun frey- lich beſchwehrlich, daß die Handlungen, wel- che man aus einem bloſſen Triebe und Luſt zur Sa- che vornimmt, faſt eben ſo ausſehen, als wenn eben dieſelben Handlungen aus einer Abſicht vor- genommen werden: iedoch wenn man auf die klein- ſten Umſtaͤnde Achtung giebt, oder ſolche genau er- kundiget, ſo wird ſich meiſt einiger Unterſchied fin- den. Denn einerley Art der Handlung, wenn ſie aus verſchiedenen Triebfedern erfolgen, werden nicht auf einerley Art ausgefuͤhrt. Doch macht die Verſtellung die Sache ſchwehr, den Unter- ſcheid zu bemercken. Daher iſt ſchon bey dieſer Art der Handlungen ſchwehr, die Urſachen untruͤg- lich zu erforſchen, wenn man nicht intimæ admiſ- ſionis iſt. §. 39. Handlungen ohne Vergnuͤgen folgen groſſen Theils aus unſerm Amte und Stande. Wenn wir von einer Handlung, die nichts unge- buͤhrliches an ſich hat, aber auch zum bloſſen Ver- gnuͤgen nicht pflegt vorgenommen zu werden, die Urſach finden wollen; ſo haben wir darauf zu den- cken: ob ſie nicht ihrer Natur nach, zu einem ge- wiſſen Amte, Stande, Art von Menſchen, oder bekannten Zuſtande der Menſchen gehoͤre? und wenn uns dergleichen einfaͤllt, hernach zu erkundi- gen: ob ſich nicht der Menſch, deſſen Handlung wir

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/291
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/291>, abgerufen am 22.11.2024.