Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

Bild:
<< vorherige Seite

Achtes Capitel,
die Erfindung der physicalischen Ursachen nöthiget
uns nach einem noch unauflößlichen Logikalischen
Problemate zu handeln, welches so heisset: aus
einem gegebenen Schlußsatze die beyden
Fördersätze zu finden,
welches niemahls in ei-
ne Regel wird gebracht werden, wegen der schon
anderwerts bemerckten Schwierigkeiten. Ver-
nünfftige Gedancken vom Wahrscheinli-
chen.
IV. Betracht. §. 6. p. 74. Doch jene
gantze Betrachtung der Ursachen bey cörperli-
chen
Begebenheiten, womit sich Physici beschäff-
tigen, gehet uns hier nicht an. Denn allgemei-
ne
Wahrheiten, wohin auch die Erfahrungen ge-
hören, werden aus allgemeinen Begriffen herge-
leitet. Physici sehen nicht auf die Ursache der
eintzeln Begebenheiten, ausser wenn solche in der Er-
fahrung noch keine Regel haben. Die Regel, oder
was allgemeines, ist das erste, was sie suchen.
Wenn diese da ist, so fragt man nicht weiter, war-
um eben an dem Tage, Stunde, Orte, diese oder
jene Veränderung vorgegangen sey? Hingegen
in der Erkentniß der Geschichte, wenn man
sich anders in Ursachen einlassen will, ist die Fra-
ge nicht von der Regel und allgemeinen Begriffe
der Begebenheit, sondern warum an diesem Or-
te,
zu der Zeit, sich etwas zugetragen: daß es
z. E. gehagelt, geschneyet, Kranckheiten gegeben.
Hier wird man bald sehen, daß allemahl, um die
Ursach zu finden, auf den vorhergehenden Zu-
stand der Dinge, und auf die älteren Begeben-
heiten müsse zurückgesehen werden. Wie aber
aus einer cörperlichen Begebenheit eine andere in

ein-

Achtes Capitel,
die Erfindung der phyſicaliſchen Urſachen noͤthiget
uns nach einem noch unaufloͤßlichen Logikaliſchen
Problemate zu handeln, welches ſo heiſſet: aus
einem gegebenen Schlußſatze die beyden
Foͤrderſaͤtze zu finden,
welches niemahls in ei-
ne Regel wird gebracht werden, wegen der ſchon
anderwerts bemerckten Schwierigkeiten. Ver-
nuͤnfftige Gedancken vom Wahrſcheinli-
chen.
IV. Betracht. §. 6. p. 74. Doch jene
gantze Betrachtung der Urſachen bey coͤrperli-
chen
Begebenheiten, womit ſich Phyſici beſchaͤff-
tigen, gehet uns hier nicht an. Denn allgemei-
ne
Wahrheiten, wohin auch die Erfahrungen ge-
hoͤren, werden aus allgemeinen Begriffen herge-
leitet. Phyſici ſehen nicht auf die Urſache der
eintzeln Begebenheiten, auſſer wenn ſolche in der Er-
fahrung noch keine Regel haben. Die Regel, oder
was allgemeines, iſt das erſte, was ſie ſuchen.
Wenn dieſe da iſt, ſo fragt man nicht weiter, war-
um eben an dem Tage, Stunde, Orte, dieſe oder
jene Veraͤnderung vorgegangen ſey? Hingegen
in der Erkentniß der Geſchichte, wenn man
ſich anders in Urſachen einlaſſen will, iſt die Fra-
ge nicht von der Regel und allgemeinen Begriffe
der Begebenheit, ſondern warum an dieſem Or-
te,
zu der Zeit, ſich etwas zugetragen: daß es
z. E. gehagelt, geſchneyet, Kranckheiten gegeben.
Hier wird man bald ſehen, daß allemahl, um die
Urſach zu finden, auf den vorhergehenden Zu-
ſtand der Dinge, und auf die aͤlteren Begeben-
heiten muͤſſe zuruͤckgeſehen werden. Wie aber
aus einer coͤrperlichen Begebenheit eine andere in

ein-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0240" n="204"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Achtes Capitel,</hi></fw><lb/>
die Erfindung der phy&#x017F;icali&#x017F;chen Ur&#x017F;achen no&#x0364;thiget<lb/>
uns nach einem noch unauflo&#x0364;ßlichen Logikali&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#aq">Problemate</hi> zu handeln, welches &#x017F;o hei&#x017F;&#x017F;et: <hi rendition="#fr">aus<lb/>
einem gegebenen Schluß&#x017F;atze die beyden<lb/>
Fo&#x0364;rder&#x017F;a&#x0364;tze zu finden,</hi> welches niemahls in ei-<lb/>
ne Regel wird gebracht werden, wegen der &#x017F;chon<lb/>
anderwerts bemerckten Schwierigkeiten. <hi rendition="#fr">Ver-<lb/>
nu&#x0364;nfftige Gedancken vom Wahr&#x017F;cheinli-<lb/>
chen.</hi> <hi rendition="#aq">IV.</hi> Betracht. §. 6. <hi rendition="#aq">p.</hi> 74. Doch jene<lb/>
gantze Betrachtung der Ur&#x017F;achen bey <hi rendition="#fr">co&#x0364;rperli-<lb/>
chen</hi> Begebenheiten, womit &#x017F;ich Phy&#x017F;ici be&#x017F;cha&#x0364;ff-<lb/>
tigen, gehet uns hier nicht an. Denn <hi rendition="#fr">allgemei-<lb/>
ne</hi> Wahrheiten, wohin auch die Erfahrungen ge-<lb/>
ho&#x0364;ren, werden aus allgemeinen Begriffen herge-<lb/>
leitet. Phy&#x017F;ici &#x017F;ehen nicht auf die Ur&#x017F;ache der<lb/>
eintzeln Begebenheiten, au&#x017F;&#x017F;er wenn &#x017F;olche in der Er-<lb/>
fahrung noch keine <hi rendition="#fr">Regel</hi> haben. Die Regel, oder<lb/>
was <hi rendition="#fr">allgemeines,</hi> i&#x017F;t das er&#x017F;te, was &#x017F;ie &#x017F;uchen.<lb/>
Wenn die&#x017F;e da i&#x017F;t, &#x017F;o fragt man nicht weiter, war-<lb/>
um eben an dem Tage, Stunde, Orte, die&#x017F;e oder<lb/>
jene Vera&#x0364;nderung vorgegangen &#x017F;ey? Hingegen<lb/>
in der Erkentniß der <hi rendition="#fr">Ge&#x017F;chichte,</hi> wenn man<lb/>
&#x017F;ich anders in Ur&#x017F;achen einla&#x017F;&#x017F;en will, i&#x017F;t die Fra-<lb/>
ge nicht von der Regel und allgemeinen Begriffe<lb/>
der Begebenheit, &#x017F;ondern warum an die&#x017F;em <hi rendition="#fr">Or-<lb/>
te,</hi> zu der <hi rendition="#fr">Zeit,</hi> &#x017F;ich etwas zugetragen: daß es<lb/>
z. E. gehagelt, ge&#x017F;chneyet, Kranckheiten gegeben.<lb/>
Hier wird man bald &#x017F;ehen, daß allemahl, um die<lb/>
Ur&#x017F;ach zu finden, auf den vorhergehenden Zu-<lb/>
&#x017F;tand der Dinge, und auf die a&#x0364;lteren Begeben-<lb/>
heiten mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e zuru&#x0364;ckge&#x017F;ehen werden. Wie aber<lb/>
aus einer co&#x0364;rperlichen Begebenheit eine andere in<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">ein-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0240] Achtes Capitel, die Erfindung der phyſicaliſchen Urſachen noͤthiget uns nach einem noch unaufloͤßlichen Logikaliſchen Problemate zu handeln, welches ſo heiſſet: aus einem gegebenen Schlußſatze die beyden Foͤrderſaͤtze zu finden, welches niemahls in ei- ne Regel wird gebracht werden, wegen der ſchon anderwerts bemerckten Schwierigkeiten. Ver- nuͤnfftige Gedancken vom Wahrſcheinli- chen. IV. Betracht. §. 6. p. 74. Doch jene gantze Betrachtung der Urſachen bey coͤrperli- chen Begebenheiten, womit ſich Phyſici beſchaͤff- tigen, gehet uns hier nicht an. Denn allgemei- ne Wahrheiten, wohin auch die Erfahrungen ge- hoͤren, werden aus allgemeinen Begriffen herge- leitet. Phyſici ſehen nicht auf die Urſache der eintzeln Begebenheiten, auſſer wenn ſolche in der Er- fahrung noch keine Regel haben. Die Regel, oder was allgemeines, iſt das erſte, was ſie ſuchen. Wenn dieſe da iſt, ſo fragt man nicht weiter, war- um eben an dem Tage, Stunde, Orte, dieſe oder jene Veraͤnderung vorgegangen ſey? Hingegen in der Erkentniß der Geſchichte, wenn man ſich anders in Urſachen einlaſſen will, iſt die Fra- ge nicht von der Regel und allgemeinen Begriffe der Begebenheit, ſondern warum an dieſem Or- te, zu der Zeit, ſich etwas zugetragen: daß es z. E. gehagelt, geſchneyet, Kranckheiten gegeben. Hier wird man bald ſehen, daß allemahl, um die Urſach zu finden, auf den vorhergehenden Zu- ſtand der Dinge, und auf die aͤlteren Begeben- heiten muͤſſe zuruͤckgeſehen werden. Wie aber aus einer coͤrperlichen Begebenheit eine andere in ein-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/240
Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/240>, abgerufen am 21.11.2024.