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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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Einleitung.
1.

Jede mögliche Bewegung ist entweder eine fortschreitende, oder eine drehende, oder
eine schwingende Bewegung, welche letztere auch zitternde Bewegung (motus
vibratorius, oscillatorius, tremulus)
genannt wird. Diese allein würkt unter den nachher
anzugebenden Bedingungen auf das Gehör; alle andere Arten der Bewegung würken, so
viel man weiß, nur mittelbar darauf, in so weit nähmlich in den umher befindlichen Körpern
eine zitternde Bewegung veranlaßt wird.

2.

Nur an elastischen Körpern bemerkt man hörbare Schwingungen. Die Ela-
sticität ist diejenige Eigenschaft eines Körpers, da er, wenn die Lage seiner Theile durch eine
äußere Kraft verändert wird, die vorige Lage derselben wieder herzustellen strebt. Wenn ein
Theil eines elastischen Körpers durch einen von außen angebrachten Zug oder Stoß aus sei-
ner ursprünglichen Lage verrückt worden ist, und dieser Zug oder Stoß aufhört, so geht der
elastische Körper wieder in seine vorige Lage oder Gestalt zurück, und zwar, weil die Elasti-
cität in dieser Zeit als eine absolute Kraft immer fort würkt, mit zunehmender Geschwindig-
keit. Wenn er in seine erstere Lage gekommen ist, so ist seine erlangte Geschwindigkeit am
größten geworden, er kann also an dieser Stelle nicht ruhen, sondern er geht mit abnehmen-
der Geschwindigkeit weiter nach derselben Richtung fort, so lange, bis seine Geschwindigkeit
= 0 wird; er kann aber in dieser ihm unnatürlichen Lage ebenfalls nicht ruhen, sondern er
geht von da wieder auf dieselbe Art rückwärts bis in seine ursprüngliche Lage mit zunehmender
und weiter hinaus mit abnehmender Geschwindigkeit, und diese hin und herwärts gehende

A
Einleitung.
1.

Jede moͤgliche Bewegung iſt entweder eine fortſchreitende, oder eine drehende, oder
eine ſchwingende Bewegung, welche letztere auch zitternde Bewegung (motus
vibratorius, oscillatorius, tremulus)
genannt wird. Dieſe allein wuͤrkt unter den nachher
anzugebenden Bedingungen auf das Gehoͤr; alle andere Arten der Bewegung wuͤrken, ſo
viel man weiß, nur mittelbar darauf, in ſo weit naͤhmlich in den umher befindlichen Koͤrpern
eine zitternde Bewegung veranlaßt wird.

2.

Nur an elaſtiſchen Koͤrpern bemerkt man hoͤrbare Schwingungen. Die Ela-
ſticitaͤt iſt diejenige Eigenſchaft eines Koͤrpers, da er, wenn die Lage ſeiner Theile durch eine
aͤußere Kraft veraͤndert wird, die vorige Lage derſelben wieder herzuſtellen ſtrebt. Wenn ein
Theil eines elaſtiſchen Koͤrpers durch einen von außen angebrachten Zug oder Stoß aus ſei-
ner urſpruͤnglichen Lage verruͤckt worden iſt, und dieſer Zug oder Stoß aufhoͤrt, ſo geht der
elaſtiſche Koͤrper wieder in ſeine vorige Lage oder Geſtalt zuruͤck, und zwar, weil die Elaſti-
citaͤt in dieſer Zeit als eine abſolute Kraft immer fort wuͤrkt, mit zunehmender Geſchwindig-
keit. Wenn er in ſeine erſtere Lage gekommen iſt, ſo iſt ſeine erlangte Geſchwindigkeit am
groͤßten geworden, er kann alſo an dieſer Stelle nicht ruhen, ſondern er geht mit abnehmen-
der Geſchwindigkeit weiter nach derſelben Richtung fort, ſo lange, bis ſeine Geſchwindigkeit
= 0 wird; er kann aber in dieſer ihm unnatuͤrlichen Lage ebenfalls nicht ruhen, ſondern er
geht von da wieder auf dieſelbe Art ruͤckwaͤrts bis in ſeine urſpruͤngliche Lage mit zunehmender
und weiter hinaus mit abnehmender Geſchwindigkeit, und dieſe hin und herwaͤrts gehende

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[[1]/0035] Einleitung. 1. Jede moͤgliche Bewegung iſt entweder eine fortſchreitende, oder eine drehende, oder eine ſchwingende Bewegung, welche letztere auch zitternde Bewegung (motus vibratorius, oscillatorius, tremulus) genannt wird. Dieſe allein wuͤrkt unter den nachher anzugebenden Bedingungen auf das Gehoͤr; alle andere Arten der Bewegung wuͤrken, ſo viel man weiß, nur mittelbar darauf, in ſo weit naͤhmlich in den umher befindlichen Koͤrpern eine zitternde Bewegung veranlaßt wird. 2. Nur an elaſtiſchen Koͤrpern bemerkt man hoͤrbare Schwingungen. Die Ela- ſticitaͤt iſt diejenige Eigenſchaft eines Koͤrpers, da er, wenn die Lage ſeiner Theile durch eine aͤußere Kraft veraͤndert wird, die vorige Lage derſelben wieder herzuſtellen ſtrebt. Wenn ein Theil eines elaſtiſchen Koͤrpers durch einen von außen angebrachten Zug oder Stoß aus ſei- ner urſpruͤnglichen Lage verruͤckt worden iſt, und dieſer Zug oder Stoß aufhoͤrt, ſo geht der elaſtiſche Koͤrper wieder in ſeine vorige Lage oder Geſtalt zuruͤck, und zwar, weil die Elaſti- citaͤt in dieſer Zeit als eine abſolute Kraft immer fort wuͤrkt, mit zunehmender Geſchwindig- keit. Wenn er in ſeine erſtere Lage gekommen iſt, ſo iſt ſeine erlangte Geſchwindigkeit am groͤßten geworden, er kann alſo an dieſer Stelle nicht ruhen, ſondern er geht mit abnehmen- der Geſchwindigkeit weiter nach derſelben Richtung fort, ſo lange, bis ſeine Geſchwindigkeit = 0 wird; er kann aber in dieſer ihm unnatuͤrlichen Lage ebenfalls nicht ruhen, ſondern er geht von da wieder auf dieſelbe Art ruͤckwaͤrts bis in ſeine urſpruͤngliche Lage mit zunehmender und weiter hinaus mit abnehmender Geſchwindigkeit, und dieſe hin und herwaͤrts gehende A

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/35>, abgerufen am 02.05.2024.