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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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mit seinem dickern Ende in der halbeyförmigen Vertiefung liegt, und mit dem andern schlan-
kern Ende quer durch den Grund des Vorhofs geht. Ein anderes rundes Säckchen
(saccus proprius vestibuli), das von allen Seiten verschlossen ist, aber mit dem vorigen zu-
sammenhängt, liegt in der halbkugelförmigen Vertiefung des Vorhofs. Diese Säckchen
nebst den häutigen Röhren sind mit einer sehr durchsichtigen wäßrigen Feuchtigkeit angefüllt,
welche dem übrigen sie umgebenden Wasser des Labyrinches ähnlich ist, daher sie auch vor
Scarpa, der die wahre Beschaffenheit dieser Theile zuerst bekannt gemacht hat, theils un-
bemerkt geblieben, theils ganz unrichtig beobachtet und beurtheilt worden sind, so daß einige
frühere Zergliederer (vermuthlich weil diese zarten häutigen Theile, deren gehörige Behand-
lungsart man nicht kannte, mochten bey der Oeffnung des Labyrinthes zerrissen und also nur
die wegen des ausgelaufenen Wassers zusammengefallenen Ueberreste derselben beobachtet wor-
den seyn), ein septum nerveum, oder zonas sonoras u. s. w. gefunden haben wollten. Die
Bläschen, in welche die häufigen Röhren anschwellen, so wie auch die beyden im Vorhofe
befindlichen Säckchen sind mit der markigen Substanz des Gehörnerven überkleidet und durch-
webt, wovon auch ein Theil in den beyden Säckchen in breyiger oder schleimiger Gestalt ent-
halten ist.

Die Schnecke (cochlea) ist ein knöcherner conischer Canal, der in 21/2 Spiral-
gängen
(ductus spirales) um eine bis zur Hälfte des zweyten Gewindes gehende conische
Spindel (nucleus oder modiolus cochleae) herumgeht. Man unterscheidet an der Schnecke
die Grundfläche (basis) und die Spitze (apex). Der Canal der Schnecke ist durch
eine um die Spindel herumgehende Scheidewand in zwey Hälften gerheilt, die man Treppen
(scalas) nennt. Die Trommeltreppe (scala tympani) fängt bey dem runden Fenster
an, und ist die innere und hintere, die Vorhofstreppe (scala vestibuli) fängt im Vor-
hofe an, und ist die vordere und äußere, etwas enger, als die Trommeltreppe, aber auch
etwas länger. Diese beyden Treppen sind durch die dazwischen befindliche Scheidewand so
von einander abgesondert, daß sie eher keine Gemeinschaft mit einander haben, als bis sie
über die Spitze der Spindel unter die Wölbung der Decke, welche man die Kupel (cupola)
nennt, gekommen sind. Die Scheidewand ist zunächst an der Spindel knöchern, und wird
das Spiralblatt, oder gewundene Blatt (septum osseum oder lamina spiralis)
genennt, dieses besteht eigentlich aus zwey Knochenblättchen, wovon das eine nach der Trom-
meltreppe zu befindliche mit knöchernem Fadengewebe und hervorragenden Linien besetzt, das

mit ſeinem dickern Ende in der halbeyfoͤrmigen Vertiefung liegt, und mit dem andern ſchlan-
kern Ende quer durch den Grund des Vorhofs geht. Ein anderes rundes Saͤckchen
(saccus proprius vestibuli), das von allen Seiten verſchloſſen iſt, aber mit dem vorigen zu-
ſammenhaͤngt, liegt in der halbkugelfoͤrmigen Vertiefung des Vorhofs. Dieſe Saͤckchen
nebſt den haͤutigen Roͤhren ſind mit einer ſehr durchſichtigen waͤßrigen Feuchtigkeit angefuͤllt,
welche dem uͤbrigen ſie umgebenden Waſſer des Labyrinches aͤhnlich iſt, daher ſie auch vor
Scarpa, der die wahre Beſchaffenheit dieſer Theile zuerſt bekannt gemacht hat, theils un-
bemerkt geblieben, theils ganz unrichtig beobachtet und beurtheilt worden ſind, ſo daß einige
fruͤhere Zergliederer (vermuthlich weil dieſe zarten haͤutigen Theile, deren gehoͤrige Behand-
lungsart man nicht kannte, mochten bey der Oeffnung des Labyrinthes zerriſſen und alſo nur
die wegen des ausgelaufenen Waſſers zuſammengefallenen Ueberreſte derſelben beobachtet wor-
den ſeyn), ein septum nerveum, oder zonas sonoras u. ſ. w. gefunden haben wollten. Die
Blaͤschen, in welche die haͤufigen Roͤhren anſchwellen, ſo wie auch die beyden im Vorhofe
befindlichen Saͤckchen ſind mit der markigen Subſtanz des Gehoͤrnerven uͤberkleidet und durch-
webt, wovon auch ein Theil in den beyden Saͤckchen in breyiger oder ſchleimiger Geſtalt ent-
halten iſt.

Die Schnecke (cochlea) iſt ein knoͤcherner coniſcher Canal, der in 2½ Spiral-
gaͤngen
(ductus spirales) um eine bis zur Haͤlfte des zweyten Gewindes gehende coniſche
Spindel (nucleus oder modiolus cochleae) herumgeht. Man unterſcheidet an der Schnecke
die Grundflaͤche (basis) und die Spitze (apex). Der Canal der Schnecke iſt durch
eine um die Spindel herumgehende Scheidewand in zwey Haͤlften gerheilt, die man Treppen
(scalas) nennt. Die Trommeltreppe (scala tympani) faͤngt bey dem runden Fenſter
an, und iſt die innere und hintere, die Vorhofstreppe (scala vestibuli) faͤngt im Vor-
hofe an, und iſt die vordere und aͤußere, etwas enger, als die Trommeltreppe, aber auch
etwas laͤnger. Dieſe beyden Treppen ſind durch die dazwiſchen befindliche Scheidewand ſo
von einander abgeſondert, daß ſie eher keine Gemeinſchaft mit einander haben, als bis ſie
uͤber die Spitze der Spindel unter die Woͤlbung der Decke, welche man die Kupel (cupola)
nennt, gekommen ſind. Die Scheidewand iſt zunaͤchſt an der Spindel knoͤchern, und wird
das Spiralblatt, oder gewundene Blatt (septum osseum oder lamina spiralis)
genennt, dieſes beſteht eigentlich aus zwey Knochenblaͤttchen, wovon das eine nach der Trom-
meltreppe zu befindliche mit knoͤchernem Fadengewebe und hervorragenden Linien beſetzt, das

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[282/0316] mit ſeinem dickern Ende in der halbeyfoͤrmigen Vertiefung liegt, und mit dem andern ſchlan- kern Ende quer durch den Grund des Vorhofs geht. Ein anderes rundes Saͤckchen (saccus proprius vestibuli), das von allen Seiten verſchloſſen iſt, aber mit dem vorigen zu- ſammenhaͤngt, liegt in der halbkugelfoͤrmigen Vertiefung des Vorhofs. Dieſe Saͤckchen nebſt den haͤutigen Roͤhren ſind mit einer ſehr durchſichtigen waͤßrigen Feuchtigkeit angefuͤllt, welche dem uͤbrigen ſie umgebenden Waſſer des Labyrinches aͤhnlich iſt, daher ſie auch vor Scarpa, der die wahre Beſchaffenheit dieſer Theile zuerſt bekannt gemacht hat, theils un- bemerkt geblieben, theils ganz unrichtig beobachtet und beurtheilt worden ſind, ſo daß einige fruͤhere Zergliederer (vermuthlich weil dieſe zarten haͤutigen Theile, deren gehoͤrige Behand- lungsart man nicht kannte, mochten bey der Oeffnung des Labyrinthes zerriſſen und alſo nur die wegen des ausgelaufenen Waſſers zuſammengefallenen Ueberreſte derſelben beobachtet wor- den ſeyn), ein septum nerveum, oder zonas sonoras u. ſ. w. gefunden haben wollten. Die Blaͤschen, in welche die haͤufigen Roͤhren anſchwellen, ſo wie auch die beyden im Vorhofe befindlichen Saͤckchen ſind mit der markigen Subſtanz des Gehoͤrnerven uͤberkleidet und durch- webt, wovon auch ein Theil in den beyden Saͤckchen in breyiger oder ſchleimiger Geſtalt ent- halten iſt. Die Schnecke (cochlea) iſt ein knoͤcherner coniſcher Canal, der in 2½ Spiral- gaͤngen (ductus spirales) um eine bis zur Haͤlfte des zweyten Gewindes gehende coniſche Spindel (nucleus oder modiolus cochleae) herumgeht. Man unterſcheidet an der Schnecke die Grundflaͤche (basis) und die Spitze (apex). Der Canal der Schnecke iſt durch eine um die Spindel herumgehende Scheidewand in zwey Haͤlften gerheilt, die man Treppen (scalas) nennt. Die Trommeltreppe (scala tympani) faͤngt bey dem runden Fenſter an, und iſt die innere und hintere, die Vorhofstreppe (scala vestibuli) faͤngt im Vor- hofe an, und iſt die vordere und aͤußere, etwas enger, als die Trommeltreppe, aber auch etwas laͤnger. Dieſe beyden Treppen ſind durch die dazwiſchen befindliche Scheidewand ſo von einander abgeſondert, daß ſie eher keine Gemeinſchaft mit einander haben, als bis ſie uͤber die Spitze der Spindel unter die Woͤlbung der Decke, welche man die Kupel (cupola) nennt, gekommen ſind. Die Scheidewand iſt zunaͤchſt an der Spindel knoͤchern, und wird das Spiralblatt, oder gewundene Blatt (septum osseum oder lamina spiralis) genennt, dieſes beſteht eigentlich aus zwey Knochenblaͤttchen, wovon das eine nach der Trom- meltreppe zu befindliche mit knoͤchernem Fadengewebe und hervorragenden Linien beſetzt, das

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/316>, abgerufen am 24.11.2024.