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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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Seitenwände der Bühne an beyden Seiten abgeschnitten, Fig. 264, wobey die durch diese
zweckmäßige Form an beyden Seiten entstehenden geraden leeren Wände, wie nachher wird
weiter erwähnt werden, auch vieles zur Verstärkung des Schalles beytragen müssen, so daß
der Raum ohne Nachtheil des Schalles sehr vergrößert werden kann.

Daß man in manchen nicht gar großen Sälen oder Schauspielhäusern besser, in
manchen schlechter hört, kann außer der mehr oder weniger vorhandenen künstlichen Ver-
stärkung des Schalles auch daher kommen, weil öfters der Verbreitung des Schalles Hinder-
nisse in den Weg gelegt werden, z. B. durch mancherley Hervorragungen und schwerfällige
Verzierungen, oder in Schauspielhäusern durch den Bau der Seitenlogen, wo die Querwände
den Schall hemmen, durch ein zu niedriges Parterre, wo die vordern Zuschauer der Ver-
breitung des Schalles nach hinten im Wege stehen u. s. w.

Bey Aufführung einer Musik wird zu gleichförmiger Verbreitung derselben auch erfor-
dert, daß das Orchester keinen gar zu großen Raum einnehme, weil sonst die Mitspielenden,
welche am weitesten von einander entfernt sind, wegen der Zeit, die dazu erfordert wird, ehe
der Schall von einem Ende zum andern gelangt, in Ansehung des Zeitmaßes nicht genau
zusammentreffen können, besonders wenn mancher Mitspielende etwa mehr auf die entferntern
Töne, die er hört, als auf die Bewegungen des Anführers Achtung giebt. Noch weit
schwerer wird die Beobachtung eines gleichen Zeitmaßes seyn, wenn in einem großen Musiksale
zwey Chöre an entgegengesetzte Enden desselben vertheilt sind. So hatte ich einmahl Gelegen-
heit zu bemerken, daß bey einer Aufführung des Heilig von C. P. E. Bach in die beyden von
einander beträchtlich entfernten Chöre ohngeachtet aller Bemühungen des Anführers und der
übrigen Tonkünstler sich schlechterdings keine gehörige Uebereinstimmung in Ansehung des Zeit-
maßes bringen ließ.

216.

Die erste Art, wie eine künstliche Verstärkung des Schalles in einem Gebäude
kann hervorgebracht werden, ist durch Mitklingen anderer Körper. Es ist bekannt,
und wird in der Folge weiter erörtert werden, daß durch einen jeden Schall alle andern umher
befindlichen Körper, welche in ebenderselben Geschwindigkeit zu zittern im Stande sind, mit
in Bewegung gesetzt werden. Wollte man in einem Schauspielhause, oder in einem Ver-
sammlungsorte, wo man einen Redner hören will, etwa durch dünne Bretwände, bey welchen

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Seitenwaͤnde der Buͤhne an beyden Seiten abgeſchnitten, Fig. 264, wobey die durch dieſe
zweckmaͤßige Form an beyden Seiten entſtehenden geraden leeren Waͤnde, wie nachher wird
weiter erwaͤhnt werden, auch vieles zur Verſtaͤrkung des Schalles beytragen muͤſſen, ſo daß
der Raum ohne Nachtheil des Schalles ſehr vergroͤßert werden kann.

Daß man in manchen nicht gar großen Saͤlen oder Schauſpielhaͤuſern beſſer, in
manchen ſchlechter hoͤrt, kann außer der mehr oder weniger vorhandenen kuͤnſtlichen Ver-
ſtaͤrkung des Schalles auch daher kommen, weil oͤfters der Verbreitung des Schalles Hinder-
niſſe in den Weg gelegt werden, z. B. durch mancherley Hervorragungen und ſchwerfaͤllige
Verzierungen, oder in Schauſpielhaͤuſern durch den Bau der Seitenlogen, wo die Querwaͤnde
den Schall hemmen, durch ein zu niedriges Parterre, wo die vordern Zuſchauer der Ver-
breitung des Schalles nach hinten im Wege ſtehen u. ſ. w.

Bey Auffuͤhrung einer Muſik wird zu gleichfoͤrmiger Verbreitung derſelben auch erfor-
dert, daß das Orcheſter keinen gar zu großen Raum einnehme, weil ſonſt die Mitſpielenden,
welche am weiteſten von einander entfernt ſind, wegen der Zeit, die dazu erfordert wird, ehe
der Schall von einem Ende zum andern gelangt, in Anſehung des Zeitmaßes nicht genau
zuſammentreffen koͤnnen, beſonders wenn mancher Mitſpielende etwa mehr auf die entferntern
Toͤne, die er hoͤrt, als auf die Bewegungen des Anfuͤhrers Achtung giebt. Noch weit
ſchwerer wird die Beobachtung eines gleichen Zeitmaßes ſeyn, wenn in einem großen Muſikſale
zwey Choͤre an entgegengeſetzte Enden deſſelben vertheilt ſind. So hatte ich einmahl Gelegen-
heit zu bemerken, daß bey einer Auffuͤhrung des Heilig von C. P. E. Bach in die beyden von
einander betraͤchtlich entfernten Choͤre ohngeachtet aller Bemuͤhungen des Anfuͤhrers und der
uͤbrigen Tonkuͤnſtler ſich ſchlechterdings keine gehoͤrige Uebereinſtimmung in Anſehung des Zeit-
maßes bringen ließ.

216.

Die erſte Art, wie eine kuͤnſtliche Verſtaͤrkung des Schalles in einem Gebaͤude
kann hervorgebracht werden, iſt durch Mitklingen anderer Koͤrper. Es iſt bekannt,
und wird in der Folge weiter eroͤrtert werden, daß durch einen jeden Schall alle andern umher
befindlichen Koͤrper, welche in ebenderſelben Geſchwindigkeit zu zittern im Stande ſind, mit
in Bewegung geſetzt werden. Wollte man in einem Schauſpielhauſe, oder in einem Ver-
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[251/0285] Seitenwaͤnde der Buͤhne an beyden Seiten abgeſchnitten, Fig. 264, wobey die durch dieſe zweckmaͤßige Form an beyden Seiten entſtehenden geraden leeren Waͤnde, wie nachher wird weiter erwaͤhnt werden, auch vieles zur Verſtaͤrkung des Schalles beytragen muͤſſen, ſo daß der Raum ohne Nachtheil des Schalles ſehr vergroͤßert werden kann. Daß man in manchen nicht gar großen Saͤlen oder Schauſpielhaͤuſern beſſer, in manchen ſchlechter hoͤrt, kann außer der mehr oder weniger vorhandenen kuͤnſtlichen Ver- ſtaͤrkung des Schalles auch daher kommen, weil oͤfters der Verbreitung des Schalles Hinder- niſſe in den Weg gelegt werden, z. B. durch mancherley Hervorragungen und ſchwerfaͤllige Verzierungen, oder in Schauſpielhaͤuſern durch den Bau der Seitenlogen, wo die Querwaͤnde den Schall hemmen, durch ein zu niedriges Parterre, wo die vordern Zuſchauer der Ver- breitung des Schalles nach hinten im Wege ſtehen u. ſ. w. Bey Auffuͤhrung einer Muſik wird zu gleichfoͤrmiger Verbreitung derſelben auch erfor- dert, daß das Orcheſter keinen gar zu großen Raum einnehme, weil ſonſt die Mitſpielenden, welche am weiteſten von einander entfernt ſind, wegen der Zeit, die dazu erfordert wird, ehe der Schall von einem Ende zum andern gelangt, in Anſehung des Zeitmaßes nicht genau zuſammentreffen koͤnnen, beſonders wenn mancher Mitſpielende etwa mehr auf die entferntern Toͤne, die er hoͤrt, als auf die Bewegungen des Anfuͤhrers Achtung giebt. Noch weit ſchwerer wird die Beobachtung eines gleichen Zeitmaßes ſeyn, wenn in einem großen Muſikſale zwey Choͤre an entgegengeſetzte Enden deſſelben vertheilt ſind. So hatte ich einmahl Gelegen- heit zu bemerken, daß bey einer Auffuͤhrung des Heilig von C. P. E. Bach in die beyden von einander betraͤchtlich entfernten Choͤre ohngeachtet aller Bemuͤhungen des Anfuͤhrers und der uͤbrigen Tonkuͤnſtler ſich ſchlechterdings keine gehoͤrige Uebereinſtimmung in Anſehung des Zeit- maßes bringen ließ. 216. Die erſte Art, wie eine kuͤnſtliche Verſtaͤrkung des Schalles in einem Gebaͤude kann hervorgebracht werden, iſt durch Mitklingen anderer Koͤrper. Es iſt bekannt, und wird in der Folge weiter eroͤrtert werden, daß durch einen jeden Schall alle andern umher befindlichen Koͤrper, welche in ebenderſelben Geſchwindigkeit zu zittern im Stande ſind, mit in Bewegung geſetzt werden. Wollte man in einem Schauſpielhauſe, oder in einem Ver- ſammlungsorte, wo man einen Redner hoͤren will, etwa durch duͤnne Bretwaͤnde, bey welchen J i 2

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/285>, abgerufen am 27.11.2024.