Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite
106.

Die so mannigfaltigen Klangfiguren sind meistens weit einfacher und haben unter ein-
ander mehr Beziehung und Zusammenhang, als man dem ersten Anscheine nach vermuthen
sollte. Wenn man nähmlich an mehreren Scheiben von gleicher Größe und Gestalt einerley
Klangfigur hervorbringt, und diese Scheiben so zusammenstellt, daß sie eine zusammenhän-
gende Fläche bilden, so ist jede auf der einen Scheibe befindliche Knotenlinie die Fortsetzung
der, welche sich auf der andern befindet, und so entstehen durch gehörige Zusammenstellung
mehrerer mit einer einfachern Klangfigur versehenen kleinern Scheiben zusammengesetztere Figu-
ren, sich meistens auf einer ähnlichen größern Scheibe auf einmahl darstellen lassen. Jn der
Folge wird dieses an vier Quadratscheiben, an zwey halbrunden Scheiben, an zwey oder auch
an vier gleichseitig dreyeckigen Scheiben u. s. w. erläutert werden.

107.

An Scheiben, die einander ähnlich sind, und aus einerley Materie bestehen, verhal-
ten sich die Töne bey einerley Schwingungsart wie die Dicken, und umgekehrt wie die Qua-
drate der Durchmesser. An Scheiben, die nicht aus einerley Materie bestehen, verhalten sich
die Töne, wie schon §. 86. von steifen Körpern im Allgemeinen gesagt worden ist, auch wie
die Quadratwurzeln der Steifigkeit und umgekehrt wie die Quadratwurzeln der Schwere.

II. Schwingungen der Rectangelscheiben überhaupt.
108.

Die Ursache, warum hier Rectangelscheiben zuerst untersucht werden, ist, weil an
diesen die im 5ten Abschnitte beschriebenen transversalen Schwingungsarten eines Stabes auch
Statt finden, und deren Uebergang zu andern nicht durch krumme Linien, sondern durch
Flächenkrümmungen aus zudrückenden Schwingungsarten sich auch daran am besten zeigen läßt.
Eine Rectangelscheibe (von Glas oder Metall, oder einer andern hinlänglich elastischen Ma-
terie, von irgend einem Verhältnisse der Länge zur Breite) ist in folgenden drey Fällen anderer
Progressionen von Schwingungsarten fähig:

1) wenn sie ganz frey ist,
2) wenn sie an einem Ende befestigt, und an dem andern frey ist,
3) wenn sie an beyden Enden (oder an zwey einander entgegengesetzten Seiten)
befestigt ist.
106.

Die ſo mannigfaltigen Klangfiguren ſind meiſtens weit einfacher und haben unter ein-
ander mehr Beziehung und Zuſammenhang, als man dem erſten Anſcheine nach vermuthen
ſollte. Wenn man naͤhmlich an mehreren Scheiben von gleicher Groͤße und Geſtalt einerley
Klangfigur hervorbringt, und dieſe Scheiben ſo zuſammenſtellt, daß ſie eine zuſammenhaͤn-
gende Flaͤche bilden, ſo iſt jede auf der einen Scheibe befindliche Knotenlinie die Fortſetzung
der, welche ſich auf der andern befindet, und ſo entſtehen durch gehoͤrige Zuſammenſtellung
mehrerer mit einer einfachern Klangfigur verſehenen kleinern Scheiben zuſammengeſetztere Figu-
ren, ſich meiſtens auf einer aͤhnlichen groͤßern Scheibe auf einmahl darſtellen laſſen. Jn der
Folge wird dieſes an vier Quadratſcheiben, an zwey halbrunden Scheiben, an zwey oder auch
an vier gleichſeitig dreyeckigen Scheiben u. ſ. w. erlaͤutert werden.

107.

An Scheiben, die einander aͤhnlich ſind, und aus einerley Materie beſtehen, verhal-
ten ſich die Toͤne bey einerley Schwingungsart wie die Dicken, und umgekehrt wie die Qua-
drate der Durchmeſſer. An Scheiben, die nicht aus einerley Materie beſtehen, verhalten ſich
die Toͤne, wie ſchon §. 86. von ſteifen Koͤrpern im Allgemeinen geſagt worden iſt, auch wie
die Quadratwurzeln der Steifigkeit und umgekehrt wie die Quadratwurzeln der Schwere.

II. Schwingungen der Rectangelſcheiben uͤberhaupt.
108.

Die Urſache, warum hier Rectangelſcheiben zuerſt unterſucht werden, iſt, weil an
dieſen die im 5ten Abſchnitte beſchriebenen transverſalen Schwingungsarten eines Stabes auch
Statt finden, und deren Uebergang zu andern nicht durch krumme Linien, ſondern durch
Flaͤchenkruͤmmungen aus zudruͤckenden Schwingungsarten ſich auch daran am beſten zeigen laͤßt.
Eine Rectangelſcheibe (von Glas oder Metall, oder einer andern hinlaͤnglich elaſtiſchen Ma-
terie, von irgend einem Verhaͤltniſſe der Laͤnge zur Breite) iſt in folgenden drey Faͤllen anderer
Progreſſionen von Schwingungsarten faͤhig:

1) wenn ſie ganz frey iſt,
2) wenn ſie an einem Ende befeſtigt, und an dem andern frey iſt,
3) wenn ſie an beyden Enden (oder an zwey einander entgegengeſetzten Seiten)
befeſtigt iſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0158" n="124"/>
            <div n="4">
              <head>106.</head><lb/>
              <p>Die &#x017F;o mannigfaltigen Klangfiguren &#x017F;ind mei&#x017F;tens weit einfacher und haben unter ein-<lb/>
ander mehr Beziehung und Zu&#x017F;ammenhang, als man dem er&#x017F;ten An&#x017F;cheine nach vermuthen<lb/>
&#x017F;ollte. Wenn man na&#x0364;hmlich an mehreren Scheiben von gleicher Gro&#x0364;ße und Ge&#x017F;talt einerley<lb/>
Klangfigur hervorbringt, und die&#x017F;e Scheiben &#x017F;o zu&#x017F;ammen&#x017F;tellt, daß &#x017F;ie eine zu&#x017F;ammenha&#x0364;n-<lb/>
gende Fla&#x0364;che bilden, &#x017F;o i&#x017F;t jede auf der einen Scheibe befindliche Knotenlinie die Fort&#x017F;etzung<lb/>
der, welche &#x017F;ich auf der andern befindet, und &#x017F;o ent&#x017F;tehen durch geho&#x0364;rige Zu&#x017F;ammen&#x017F;tellung<lb/>
mehrerer mit einer einfachern Klangfigur ver&#x017F;ehenen kleinern Scheiben zu&#x017F;ammenge&#x017F;etztere Figu-<lb/>
ren, &#x017F;ich mei&#x017F;tens auf einer a&#x0364;hnlichen gro&#x0364;ßern Scheibe auf einmahl dar&#x017F;tellen la&#x017F;&#x017F;en. Jn der<lb/>
Folge wird die&#x017F;es an vier Quadrat&#x017F;cheiben, an zwey halbrunden Scheiben, an zwey oder auch<lb/>
an vier gleich&#x017F;eitig dreyeckigen Scheiben u. &#x017F;. w. erla&#x0364;utert werden.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>107.</head><lb/>
              <p>An Scheiben, die einander a&#x0364;hnlich &#x017F;ind, und aus einerley Materie be&#x017F;tehen, verhal-<lb/>
ten &#x017F;ich die To&#x0364;ne bey einerley Schwingungsart wie die Dicken, und umgekehrt wie die Qua-<lb/>
drate der Durchme&#x017F;&#x017F;er. An Scheiben, die nicht aus einerley Materie be&#x017F;tehen, verhalten &#x017F;ich<lb/>
die To&#x0364;ne, wie &#x017F;chon §. 86. von &#x017F;teifen Ko&#x0364;rpern im Allgemeinen ge&#x017F;agt worden i&#x017F;t, auch wie<lb/>
die Quadratwurzeln der Steifigkeit und umgekehrt wie die Quadratwurzeln der Schwere.</p>
            </div>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#aq">II.</hi> <hi rendition="#g">Schwingungen der Rectangel&#x017F;cheiben u&#x0364;berhaupt.</hi> </head><lb/>
            <div n="4">
              <head>108.</head><lb/>
              <p>Die Ur&#x017F;ache, warum hier Rectangel&#x017F;cheiben zuer&#x017F;t unter&#x017F;ucht werden, i&#x017F;t, weil an<lb/>
die&#x017F;en die im 5ten Ab&#x017F;chnitte be&#x017F;chriebenen transver&#x017F;alen Schwingungsarten eines Stabes auch<lb/>
Statt finden, und deren Uebergang zu andern nicht durch krumme Linien, &#x017F;ondern durch<lb/>
Fla&#x0364;chenkru&#x0364;mmungen aus zudru&#x0364;ckenden Schwingungsarten &#x017F;ich auch daran am be&#x017F;ten zeigen la&#x0364;ßt.<lb/>
Eine Rectangel&#x017F;cheibe (von Glas oder Metall, oder einer andern hinla&#x0364;nglich ela&#x017F;ti&#x017F;chen Ma-<lb/>
terie, von irgend einem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der La&#x0364;nge zur Breite) i&#x017F;t in folgenden drey Fa&#x0364;llen anderer<lb/>
Progre&#x017F;&#x017F;ionen von Schwingungsarten fa&#x0364;hig:</p><lb/>
              <list>
                <item>1) wenn &#x017F;ie <hi rendition="#g">ganz frey</hi> i&#x017F;t,</item><lb/>
                <item>2) wenn &#x017F;ie <hi rendition="#g">an einem Ende befe&#x017F;tigt,</hi> und <hi rendition="#g">an dem andern frey</hi> i&#x017F;t,</item><lb/>
                <item>3) wenn &#x017F;ie <hi rendition="#g">an beyden Enden</hi> (oder an zwey einander entgegenge&#x017F;etzten Seiten)<lb/><hi rendition="#g">befe&#x017F;tigt</hi> i&#x017F;t.</item>
              </list><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[124/0158] 106. Die ſo mannigfaltigen Klangfiguren ſind meiſtens weit einfacher und haben unter ein- ander mehr Beziehung und Zuſammenhang, als man dem erſten Anſcheine nach vermuthen ſollte. Wenn man naͤhmlich an mehreren Scheiben von gleicher Groͤße und Geſtalt einerley Klangfigur hervorbringt, und dieſe Scheiben ſo zuſammenſtellt, daß ſie eine zuſammenhaͤn- gende Flaͤche bilden, ſo iſt jede auf der einen Scheibe befindliche Knotenlinie die Fortſetzung der, welche ſich auf der andern befindet, und ſo entſtehen durch gehoͤrige Zuſammenſtellung mehrerer mit einer einfachern Klangfigur verſehenen kleinern Scheiben zuſammengeſetztere Figu- ren, ſich meiſtens auf einer aͤhnlichen groͤßern Scheibe auf einmahl darſtellen laſſen. Jn der Folge wird dieſes an vier Quadratſcheiben, an zwey halbrunden Scheiben, an zwey oder auch an vier gleichſeitig dreyeckigen Scheiben u. ſ. w. erlaͤutert werden. 107. An Scheiben, die einander aͤhnlich ſind, und aus einerley Materie beſtehen, verhal- ten ſich die Toͤne bey einerley Schwingungsart wie die Dicken, und umgekehrt wie die Qua- drate der Durchmeſſer. An Scheiben, die nicht aus einerley Materie beſtehen, verhalten ſich die Toͤne, wie ſchon §. 86. von ſteifen Koͤrpern im Allgemeinen geſagt worden iſt, auch wie die Quadratwurzeln der Steifigkeit und umgekehrt wie die Quadratwurzeln der Schwere. II. Schwingungen der Rectangelſcheiben uͤberhaupt. 108. Die Urſache, warum hier Rectangelſcheiben zuerſt unterſucht werden, iſt, weil an dieſen die im 5ten Abſchnitte beſchriebenen transverſalen Schwingungsarten eines Stabes auch Statt finden, und deren Uebergang zu andern nicht durch krumme Linien, ſondern durch Flaͤchenkruͤmmungen aus zudruͤckenden Schwingungsarten ſich auch daran am beſten zeigen laͤßt. Eine Rectangelſcheibe (von Glas oder Metall, oder einer andern hinlaͤnglich elaſtiſchen Ma- terie, von irgend einem Verhaͤltniſſe der Laͤnge zur Breite) iſt in folgenden drey Faͤllen anderer Progreſſionen von Schwingungsarten faͤhig: 1) wenn ſie ganz frey iſt, 2) wenn ſie an einem Ende befeſtigt, und an dem andern frey iſt, 3) wenn ſie an beyden Enden (oder an zwey einander entgegengeſetzten Seiten) befeſtigt iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/158
Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/158>, abgerufen am 17.05.2024.