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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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89.

Will man Versuche über diese Schwingungsarten anstellen, so muß man sich solcher
Stäbe bedienen, die so gerade als möglich, etwas lang, und nicht allzu dick sind, weil sonst
diese Arten des Klanges, welche überhaupt nicht so leicht, wie die Transversalschwingungen
ansprechen, entweder gar nicht, oder nur mit vieler Schwierigkeit sich würden hervorbringen
lassen. Ob die Stäbe cylindrisch, prismatisch oder flach (z. B. lange Blech- oder Glas-
streifen) sind, daran liegt nichts; es wird weiter nichts, als eine gerade und hinreichend lange
Strecke von elastischer Materie erfordert. Die Oberfläche muß so glatt, als möglich, seyn,
weil solches viel zu leichrerer Ansprache beyträgt. Um diese Bewegungsarten hervorzubringen,
halte man den Stab an einer Stelle, wo ein Schwingungsknoten ist, mit zwey Fingern der einen
Hand, und streiche einen schwingenden Theil desselben der Länge nach mit einem zwischen
den Fingern der andern Hand gehaltenen Stückchen Tuch, oder einer andern weichen Materie,
die, wenn der Stab von Glas ist, mit Wasser benetzt, und mit einem feinen, aber scharfen
Sande, oder auch mit geriebenem Bimsstein bestreuet wird, wenn aber der Stab von Holz
oder Metall ist, trocken bleibt, und mit Geigenharz oder andern Harzstaube bestrichen wird,
da man denn auch vorher auf die Oberfläche des Stabes selbst Harz einreiben kann. Glas-
stäbe, wozu sich lange Barometer- oder Thermometerröhren sehr gut gebrauchen lassen, spre-
chen am leichtesten an; bey andern, besonders wenn sie nicht dünn und gerade genug sind, ist
öfters ein ziemlich starker Druck nöthig. Sollen die Töne nicht sehr hoch seyn, so muß man
sich beträchtlich langer Stäbe bedienen.

90.

Ein Stab kann drey verschiedene Folgen von Longitudinalschwingungen annehmen,
nachdem er 1) ganz frey, 2) an einem Ende befestigt und an dem andern
frey, 3) an beyden Enden befestigt
ist. Jn dem ersten Falle schwingt der Stab,
so wie (§. 73.) die Luft in einer offenen Pfeife, im zweyten, so wie die Luft (§. 74.) in einer
gedeckten Pfeife schwingt, und im dritten, so wie die Luft in einer völlig verschlossenen Röhre
schwingen würde, wenn es möglich wäre, sie gehörig in Bewegung zu setzen.

91.

Wenn ein Stab ganz frey ist, so befindet sich bey der einfachsten longitudinalen
Schwingungsart, welche den tiefsten Ton giebt, in der Mitte ein Schwingungsknoten; die

89.

Will man Verſuche uͤber dieſe Schwingungsarten anſtellen, ſo muß man ſich ſolcher
Staͤbe bedienen, die ſo gerade als moͤglich, etwas lang, und nicht allzu dick ſind, weil ſonſt
dieſe Arten des Klanges, welche uͤberhaupt nicht ſo leicht, wie die Transverſalſchwingungen
anſprechen, entweder gar nicht, oder nur mit vieler Schwierigkeit ſich wuͤrden hervorbringen
laſſen. Ob die Staͤbe cylindriſch, priſmatiſch oder flach (z. B. lange Blech- oder Glas-
ſtreifen) ſind, daran liegt nichts; es wird weiter nichts, als eine gerade und hinreichend lange
Strecke von elaſtiſcher Materie erfordert. Die Oberflaͤche muß ſo glatt, als moͤglich, ſeyn,
weil ſolches viel zu leichrerer Anſprache beytraͤgt. Um dieſe Bewegungsarten hervorzubringen,
halte man den Stab an einer Stelle, wo ein Schwingungſknoten iſt, mit zwey Fingern der einen
Hand, und ſtreiche einen ſchwingenden Theil deſſelben der Laͤnge nach mit einem zwiſchen
den Fingern der andern Hand gehaltenen Stuͤckchen Tuch, oder einer andern weichen Materie,
die, wenn der Stab von Glas iſt, mit Waſſer benetzt, und mit einem feinen, aber ſcharfen
Sande, oder auch mit geriebenem Bimsſtein beſtreuet wird, wenn aber der Stab von Holz
oder Metall iſt, trocken bleibt, und mit Geigenharz oder andern Harzſtaube beſtrichen wird,
da man denn auch vorher auf die Oberflaͤche des Stabes ſelbſt Harz einreiben kann. Glas-
ſtaͤbe, wozu ſich lange Barometer- oder Thermometerroͤhren ſehr gut gebrauchen laſſen, ſpre-
chen am leichteſten an; bey andern, beſonders wenn ſie nicht duͤnn und gerade genug ſind, iſt
oͤfters ein ziemlich ſtarker Druck noͤthig. Sollen die Toͤne nicht ſehr hoch ſeyn, ſo muß man
ſich betraͤchtlich langer Staͤbe bedienen.

90.

Ein Stab kann drey verſchiedene Folgen von Longitudinalſchwingungen annehmen,
nachdem er 1) ganz frey, 2) an einem Ende befeſtigt und an dem andern
frey, 3) an beyden Enden befeſtigt
iſt. Jn dem erſten Falle ſchwingt der Stab,
ſo wie (§. 73.) die Luft in einer offenen Pfeife, im zweyten, ſo wie die Luft (§. 74.) in einer
gedeckten Pfeife ſchwingt, und im dritten, ſo wie die Luft in einer voͤllig verſchloſſenen Roͤhre
ſchwingen wuͤrde, wenn es moͤglich waͤre, ſie gehoͤrig in Bewegung zu ſetzen.

91.

Wenn ein Stab ganz frey iſt, ſo befindet ſich bey der einfachſten longitudinalen
Schwingungsart, welche den tiefſten Ton giebt, in der Mitte ein Schwingungsknoten; die

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[104/0138] 89. Will man Verſuche uͤber dieſe Schwingungsarten anſtellen, ſo muß man ſich ſolcher Staͤbe bedienen, die ſo gerade als moͤglich, etwas lang, und nicht allzu dick ſind, weil ſonſt dieſe Arten des Klanges, welche uͤberhaupt nicht ſo leicht, wie die Transverſalſchwingungen anſprechen, entweder gar nicht, oder nur mit vieler Schwierigkeit ſich wuͤrden hervorbringen laſſen. Ob die Staͤbe cylindriſch, priſmatiſch oder flach (z. B. lange Blech- oder Glas- ſtreifen) ſind, daran liegt nichts; es wird weiter nichts, als eine gerade und hinreichend lange Strecke von elaſtiſcher Materie erfordert. Die Oberflaͤche muß ſo glatt, als moͤglich, ſeyn, weil ſolches viel zu leichrerer Anſprache beytraͤgt. Um dieſe Bewegungsarten hervorzubringen, halte man den Stab an einer Stelle, wo ein Schwingungſknoten iſt, mit zwey Fingern der einen Hand, und ſtreiche einen ſchwingenden Theil deſſelben der Laͤnge nach mit einem zwiſchen den Fingern der andern Hand gehaltenen Stuͤckchen Tuch, oder einer andern weichen Materie, die, wenn der Stab von Glas iſt, mit Waſſer benetzt, und mit einem feinen, aber ſcharfen Sande, oder auch mit geriebenem Bimsſtein beſtreuet wird, wenn aber der Stab von Holz oder Metall iſt, trocken bleibt, und mit Geigenharz oder andern Harzſtaube beſtrichen wird, da man denn auch vorher auf die Oberflaͤche des Stabes ſelbſt Harz einreiben kann. Glas- ſtaͤbe, wozu ſich lange Barometer- oder Thermometerroͤhren ſehr gut gebrauchen laſſen, ſpre- chen am leichteſten an; bey andern, beſonders wenn ſie nicht duͤnn und gerade genug ſind, iſt oͤfters ein ziemlich ſtarker Druck noͤthig. Sollen die Toͤne nicht ſehr hoch ſeyn, ſo muß man ſich betraͤchtlich langer Staͤbe bedienen. 90. Ein Stab kann drey verſchiedene Folgen von Longitudinalſchwingungen annehmen, nachdem er 1) ganz frey, 2) an einem Ende befeſtigt und an dem andern frey, 3) an beyden Enden befeſtigt iſt. Jn dem erſten Falle ſchwingt der Stab, ſo wie (§. 73.) die Luft in einer offenen Pfeife, im zweyten, ſo wie die Luft (§. 74.) in einer gedeckten Pfeife ſchwingt, und im dritten, ſo wie die Luft in einer voͤllig verſchloſſenen Roͤhre ſchwingen wuͤrde, wenn es moͤglich waͤre, ſie gehoͤrig in Bewegung zu ſetzen. 91. Wenn ein Stab ganz frey iſt, ſo befindet ſich bey der einfachſten longitudinalen Schwingungsart, welche den tiefſten Ton giebt, in der Mitte ein Schwingungsknoten; die

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/138>, abgerufen am 19.05.2024.