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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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der einfachsten Schwingungsart in einer eben so langen offenen Pfeife. Bey der zwenten
Schwingungsart, wo in der Entfernung des dritten Theils der ganzen Länge von dem ange-
blasenen Ende ein Schwingungsknoten sich befindet, geschehen die Schwingungen wie in der
18ten Figur a und b; der Ton ist um eine Octave und eine Quinte höher, als bey der ersten
Schwingungsart. Bey der dritten, wo zwey Schwingungsknoten vorhanden sind, Fig. 19.
a
und b ist der Ton um eine große Sexte höher als bey der zweyten u. s. w. Ueberhaupt
verhält sich die Reihe der möglichen Töne einer gedeckten Pfeife, wie die Zahlen
1, 3, 5, 7 etc.

Anm. Graf Giordano Riecati, welcher nur die Töne einer offenen Pfeife, nicht aber die
einer gedeckten Pfeife untersucht hat, behauptet in seiner Schrift delle corde ovvero fibre
elastiche Sched VII.
§. 11. mit Unrecht, daß an einer Orgelpfeife, deren Ende verschlossen war,
der durch starkeres Blasen erhaltene 2te Ton um eine Octave höher gewesen sey, als der erste;
vielleicht hat die beträchtliche Höhe dieses Tones, vielleicht auch das gewöhnliche Vorurtheil, als
ob alle klingende Körper die mit der natürlichen Zahlenfolge übereinkommenden Töne geben müßten,
ihn gehindert, den Ton richtig zu beobachten, er muß um eine Octave und eine Quinte höher
gewesen seyn, als der erste Ton, indem es nach aller Theorie und Erfahrung schlechterdings un-
möglich ist, an einer Pfeife, deren eines Ende verschlossen ist, andere Töne hervorzubringen, als
die, welche in den Verhältnissen der ungeraden Zahlen stehen.
75.

Wenn man die Luftschwingungen in einer gedeckten Pfeife, wo die Töne mit den
ungeraden Zahlen 1, 3, 5, 7 etc. übereinkommen, mit den Luftschwingungen in einer offenen
Pfeife, wo die Töne in den Verhältnissen der geraden Zahlen 2, 4, 6, 8 etc. stehen, ver-
gleicht, und zugleich darauf Rücksicht nimmt, daß ein an einem offenen Ende befindlicher
schwingender Theil nur halb so lang ist, als einer, der zwischen zwey feste Gränzen eingeschlossen
ist, so wird man finden, daß sich die Töne umgekehrt wie die Längen der schwingenden Theile
verhalten, und daß sie, wenn man einen Ton einer gedeckten, und sodann einen Ton einer
offenen Pfeife abwechselnd auf einander folgen läßt, (Fig. 17, 14, 18, 15, 19, 16), gemein-
schaftlich die Progression 1, 2, 3, 4, 5 u. s. w. geben. Man kann füglich, eben so wie bey
den weiter unten zu beschreibenden Longitudinalschwingungen der Stäbe, jedem zwischen zwey
feste Gränzen eingeschlossenen Theil als eine Verbindung von zwey solchen Halbtheilen ansehen,
die an dem einen Ende fest sind, an dem andern aber sich ausdehnen und zusammenziehen
können, (so wie die Halbtheile, welche sich an einem offenen Ende befinden); es verhalten sich
sodann die Töne, wie die Zahl solcher Halbthelle, in welche die Luftstrecke sich eintheilt.

M

der einfachſten Schwingungsart in einer eben ſo langen offenen Pfeife. Bey der zwenten
Schwingungsart, wo in der Entfernung des dritten Theils der ganzen Laͤnge von dem ange-
blaſenen Ende ein Schwingungsknoten ſich befindet, geſchehen die Schwingungen wie in der
18ten Figur a und b; der Ton iſt um eine Octave und eine Quinte hoͤher, als bey der erſten
Schwingungsart. Bey der dritten, wo zwey Schwingungsknoten vorhanden ſind, Fig. 19.
a
und b iſt der Ton um eine große Sexte hoͤher als bey der zweyten u. ſ. w. Ueberhaupt
verhaͤlt ſich die Reihe der moͤglichen Toͤne einer gedeckten Pfeife, wie die Zahlen
1, 3, 5, 7 ꝛc.

Anm. Graf Giordano Riecati, welcher nur die Toͤne einer offenen Pfeife, nicht aber die
einer gedeckten Pfeife unterſucht hat, behauptet in ſeiner Schrift delle corde ovvero fibre
elastiche Sched VII.
§. 11. mit Unrecht, daß an einer Orgelpfeife, deren Ende verſchloſſen war,
der durch ſtarkeres Blaſen erhaltene 2te Ton um eine Octave hoͤher geweſen ſey, als der erſte;
vielleicht hat die betraͤchtliche Hoͤhe dieſes Tones, vielleicht auch das gewoͤhnliche Vorurtheil, als
ob alle klingende Koͤrper die mit der natuͤrlichen Zahlenfolge uͤbereinkommenden Toͤne geben muͤßten,
ihn gehindert, den Ton richtig zu beobachten, er muß um eine Octave und eine Quinte hoͤher
geweſen ſeyn, als der erſte Ton, indem es nach aller Theorie und Erfahrung ſchlechterdings un-
moͤglich iſt, an einer Pfeife, deren eines Ende verſchloſſen iſt, andere Toͤne hervorzubringen, als
die, welche in den Verhaͤltniſſen der ungeraden Zahlen ſtehen.
75.

Wenn man die Luftſchwingungen in einer gedeckten Pfeife, wo die Toͤne mit den
ungeraden Zahlen 1, 3, 5, 7 ꝛc. uͤbereinkommen, mit den Luftſchwingungen in einer offenen
Pfeife, wo die Toͤne in den Verhaͤltniſſen der geraden Zahlen 2, 4, 6, 8 ꝛc. ſtehen, ver-
gleicht, und zugleich darauf Ruͤckſicht nimmt, daß ein an einem offenen Ende befindlicher
ſchwingender Theil nur halb ſo lang iſt, als einer, der zwiſchen zwey feſte Graͤnzen eingeſchloſſen
iſt, ſo wird man finden, daß ſich die Toͤne umgekehrt wie die Laͤngen der ſchwingenden Theile
verhalten, und daß ſie, wenn man einen Ton einer gedeckten, und ſodann einen Ton einer
offenen Pfeife abwechſelnd auf einander folgen laͤßt, (Fig. 17, 14, 18, 15, 19, 16), gemein-
ſchaftlich die Progreſſion 1, 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. geben. Man kann fuͤglich, eben ſo wie bey
den weiter unten zu beſchreibenden Longitudinalſchwingungen der Staͤbe, jedem zwiſchen zwey
feſte Graͤnzen eingeſchloſſenen Theil als eine Verbindung von zwey ſolchen Halbtheilen anſehen,
die an dem einen Ende feſt ſind, an dem andern aber ſich ausdehnen und zuſammenziehen
koͤnnen, (ſo wie die Halbtheile, welche ſich an einem offenen Ende befinden); es verhalten ſich
ſodann die Toͤne, wie die Zahl ſolcher Halbthelle, in welche die Luftſtrecke ſich eintheilt.

M
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[89/0123] der einfachſten Schwingungsart in einer eben ſo langen offenen Pfeife. Bey der zwenten Schwingungsart, wo in der Entfernung des dritten Theils der ganzen Laͤnge von dem ange- blaſenen Ende ein Schwingungsknoten ſich befindet, geſchehen die Schwingungen wie in der 18ten Figur a und b; der Ton iſt um eine Octave und eine Quinte hoͤher, als bey der erſten Schwingungsart. Bey der dritten, wo zwey Schwingungsknoten vorhanden ſind, Fig. 19. a und b iſt der Ton um eine große Sexte hoͤher als bey der zweyten u. ſ. w. Ueberhaupt verhaͤlt ſich die Reihe der moͤglichen Toͤne einer gedeckten Pfeife, wie die Zahlen 1, 3, 5, 7 ꝛc. Anm. Graf Giordano Riecati, welcher nur die Toͤne einer offenen Pfeife, nicht aber die einer gedeckten Pfeife unterſucht hat, behauptet in ſeiner Schrift delle corde ovvero fibre elastiche Sched VII. §. 11. mit Unrecht, daß an einer Orgelpfeife, deren Ende verſchloſſen war, der durch ſtarkeres Blaſen erhaltene 2te Ton um eine Octave hoͤher geweſen ſey, als der erſte; vielleicht hat die betraͤchtliche Hoͤhe dieſes Tones, vielleicht auch das gewoͤhnliche Vorurtheil, als ob alle klingende Koͤrper die mit der natuͤrlichen Zahlenfolge uͤbereinkommenden Toͤne geben muͤßten, ihn gehindert, den Ton richtig zu beobachten, er muß um eine Octave und eine Quinte hoͤher geweſen ſeyn, als der erſte Ton, indem es nach aller Theorie und Erfahrung ſchlechterdings un- moͤglich iſt, an einer Pfeife, deren eines Ende verſchloſſen iſt, andere Toͤne hervorzubringen, als die, welche in den Verhaͤltniſſen der ungeraden Zahlen ſtehen. 75. Wenn man die Luftſchwingungen in einer gedeckten Pfeife, wo die Toͤne mit den ungeraden Zahlen 1, 3, 5, 7 ꝛc. uͤbereinkommen, mit den Luftſchwingungen in einer offenen Pfeife, wo die Toͤne in den Verhaͤltniſſen der geraden Zahlen 2, 4, 6, 8 ꝛc. ſtehen, ver- gleicht, und zugleich darauf Ruͤckſicht nimmt, daß ein an einem offenen Ende befindlicher ſchwingender Theil nur halb ſo lang iſt, als einer, der zwiſchen zwey feſte Graͤnzen eingeſchloſſen iſt, ſo wird man finden, daß ſich die Toͤne umgekehrt wie die Laͤngen der ſchwingenden Theile verhalten, und daß ſie, wenn man einen Ton einer gedeckten, und ſodann einen Ton einer offenen Pfeife abwechſelnd auf einander folgen laͤßt, (Fig. 17, 14, 18, 15, 19, 16), gemein- ſchaftlich die Progreſſion 1, 2, 3, 4, 5 u. ſ. w. geben. Man kann fuͤglich, eben ſo wie bey den weiter unten zu beſchreibenden Longitudinalſchwingungen der Staͤbe, jedem zwiſchen zwey feſte Graͤnzen eingeſchloſſenen Theil als eine Verbindung von zwey ſolchen Halbtheilen anſehen, die an dem einen Ende feſt ſind, an dem andern aber ſich ausdehnen und zuſammenziehen koͤnnen, (ſo wie die Halbtheile, welche ſich an einem offenen Ende befinden); es verhalten ſich ſodann die Toͤne, wie die Zahl ſolcher Halbthelle, in welche die Luftſtrecke ſich eintheilt. M

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/123>, abgerufen am 27.11.2024.