Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.war dagegen etwas taub und nicht, wie er, auf die Ehre eifersüchtig, den Herrn Grafen zu unterhalten. Die Mutter kam hinzu, die glücklichen Leute drangen in mich, den Abend länger unter ihnen zu bleiben; ich durfte keine Minute weilen: ich sah schon den aufgehenden Mond am Horizonte dämmern. -- Meine Zeit war um. -- Am nächsten Abend ging ich wieder nach dem Förstergarten. Ich hatte den Mantel weit über die Schulter geworfen, den Hut tief in die Augen gedrückt, ich ging auf Mina zu; wie sie aufsah und mich anblickte, machte sie eine willkührliche Bewegung; da stand mir wieder klar vor der Seele die Erscheinung jener schaurigen Nacht, wo ich mich im Mondschein ohne Schatten gezeigt. Sie war es wirklich. Hatte sie mich aber auch jetzt erkannt? Sie war still und gedankenvoll -- mir lag es zentnerschwer auf der Brust -- Ich stand von meinem Sitz auf. Sie warf sich stille weinend an meine Brust. Ich ging. Nun fand ich sie öfters in Thränen; mir ward's finster und finsterer um die Seele, -- nur die Eltern schwammen in überschwänglicher Glückseligkeit; der verhängnißvolle Tag rückte heran, bang und dumpf, wie eine Gewitterwolke. Der Vorabend war da -- ich konnte kaum mehr athmen. Ich hatte vorsorglich einige Kisten mit Gold angefüllt, ich wachte die zwölfte Stunde heran. -- Sie schlug. -- Nun saß ich da, das Auge auf die Zeiger der war dagegen etwas taub und nicht, wie er, auf die Ehre eifersüchtig, den Herrn Grafen zu unterhalten. Die Mutter kam hinzu, die glücklichen Leute drangen in mich, den Abend länger unter ihnen zu bleiben; ich durfte keine Minute weilen: ich sah schon den aufgehenden Mond am Horizonte dämmern. — Meine Zeit war um. — Am nächsten Abend ging ich wieder nach dem Förstergarten. Ich hatte den Mantel weit über die Schulter geworfen, den Hut tief in die Augen gedrückt, ich ging auf Mina zu; wie sie aufsah und mich anblickte, machte sie eine willkührliche Bewegung; da stand mir wieder klar vor der Seele die Erscheinung jener schaurigen Nacht, wo ich mich im Mondschein ohne Schatten gezeigt. Sie war es wirklich. Hatte sie mich aber auch jetzt erkannt? Sie war still und gedankenvoll — mir lag es zentnerschwer auf der Brust — Ich stand von meinem Sitz auf. Sie warf sich stille weinend an meine Brust. Ich ging. Nun fand ich sie öfters in Thränen; mir ward's finster und finsterer um die Seele, — nur die Eltern schwammen in überschwänglicher Glückseligkeit; der verhängnißvolle Tag rückte heran, bang und dumpf, wie eine Gewitterwolke. Der Vorabend war da — ich konnte kaum mehr athmen. Ich hatte vorsorglich einige Kisten mit Gold angefüllt, ich wachte die zwölfte Stunde heran. — Sie schlug. — Nun saß ich da, das Auge auf die Zeiger der <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0049"/> war dagegen etwas taub und nicht, wie er, auf die Ehre eifersüchtig, den Herrn Grafen zu unterhalten.</p><lb/> <p>Die Mutter kam hinzu, die glücklichen Leute drangen in mich, den Abend länger unter ihnen zu bleiben; ich durfte keine Minute weilen: ich sah schon den aufgehenden Mond am Horizonte dämmern. — Meine Zeit war um. —</p><lb/> <p>Am nächsten Abend ging ich wieder nach dem Förstergarten. Ich hatte den Mantel weit über die Schulter geworfen, den Hut tief in die Augen gedrückt, ich ging auf Mina zu; wie sie aufsah und mich anblickte, machte sie eine willkührliche Bewegung; da stand mir wieder klar vor der Seele die Erscheinung jener schaurigen Nacht, wo ich mich im Mondschein ohne Schatten gezeigt. Sie war es wirklich. Hatte sie mich aber auch jetzt erkannt? Sie war still und gedankenvoll — mir lag es zentnerschwer auf der Brust — Ich stand von meinem Sitz auf. Sie warf sich stille weinend an meine Brust. Ich ging.</p><lb/> <p>Nun fand ich sie öfters in Thränen; mir ward's finster und finsterer um die Seele, — nur die Eltern schwammen in überschwänglicher Glückseligkeit; der verhängnißvolle Tag rückte heran, bang und dumpf, wie eine Gewitterwolke. Der Vorabend war da — ich konnte kaum mehr athmen. Ich hatte vorsorglich einige Kisten mit Gold angefüllt, ich wachte die zwölfte Stunde heran. — Sie schlug. —</p><lb/> <p>Nun saß ich da, das Auge auf die Zeiger der<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0049]
war dagegen etwas taub und nicht, wie er, auf die Ehre eifersüchtig, den Herrn Grafen zu unterhalten.
Die Mutter kam hinzu, die glücklichen Leute drangen in mich, den Abend länger unter ihnen zu bleiben; ich durfte keine Minute weilen: ich sah schon den aufgehenden Mond am Horizonte dämmern. — Meine Zeit war um. —
Am nächsten Abend ging ich wieder nach dem Förstergarten. Ich hatte den Mantel weit über die Schulter geworfen, den Hut tief in die Augen gedrückt, ich ging auf Mina zu; wie sie aufsah und mich anblickte, machte sie eine willkührliche Bewegung; da stand mir wieder klar vor der Seele die Erscheinung jener schaurigen Nacht, wo ich mich im Mondschein ohne Schatten gezeigt. Sie war es wirklich. Hatte sie mich aber auch jetzt erkannt? Sie war still und gedankenvoll — mir lag es zentnerschwer auf der Brust — Ich stand von meinem Sitz auf. Sie warf sich stille weinend an meine Brust. Ich ging.
Nun fand ich sie öfters in Thränen; mir ward's finster und finsterer um die Seele, — nur die Eltern schwammen in überschwänglicher Glückseligkeit; der verhängnißvolle Tag rückte heran, bang und dumpf, wie eine Gewitterwolke. Der Vorabend war da — ich konnte kaum mehr athmen. Ich hatte vorsorglich einige Kisten mit Gold angefüllt, ich wachte die zwölfte Stunde heran. — Sie schlug. —
Nun saß ich da, das Auge auf die Zeiger der
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/49>, abgerufen am 16.07.2024. |