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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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reißen könne, sie, die das einzige Licht, das einzige Glück, das einzige Herz meines Lebens sei. Dann weinte sie wieder, daß ich unglücklich war. Ach, sie war so liebevoll, so gut! Um Eine Thräne nur mir zu erkaufen, hätte sie, mit welcher Seligkeit, sich selbst ganz hingeopfert.

Sie war indeß weit entfernt, meine Worte richtig zu deuten, sie ähnele nun in mir irgend einen Fürsten, den ein schwerer Bann getroffen, irgend ein hohes, geächtetes Haupt, und ihre Einbildungskraft malte sich geschäftig unter heroischen Bildern den Geliebten herrlich aus.

Einst sagte ich ihr: Mina, der letzte Tag im künftigen Monat kann mein Schicksal ändern und entscheiden -- geschieht es nicht, so muß ich sterben, weil ich dich nicht unglücklich machen will. -- Sie verbarg weinend ihr Haupt an meiner Brust. Aendert sich dein Schicksal, laß mich nur dich glücklich wissen, ich habe keinen Anspruch an dich. Bist du elend, binde mich an dein Elend, daß ich es dir tragen helfe. -- Mädchen, Mädchen, nimm es zurück, das rasche Wort, das thörichte, das deinen Lippen entflohen -- und kennst du es, dieses Elend, kennst du ihn, diesen Fluch? Weißt du, wer dein Geliebter -- -- was er -- ? -- Siehst du mich nicht krampfhaft zusammenschaudern und vor dir ein Geheimniß haben? Sie fiel schluchzend mir zu Füßen und wiederholte mit Eidschwur ihre Bitte. --

reißen könne, sie, die das einzige Licht, das einzige Glück, das einzige Herz meines Lebens sei. Dann weinte sie wieder, daß ich unglücklich war. Ach, sie war so liebevoll, so gut! Um Eine Thräne nur mir zu erkaufen, hätte sie, mit welcher Seligkeit, sich selbst ganz hingeopfert.

Sie war indeß weit entfernt, meine Worte richtig zu deuten, sie ähnele nun in mir irgend einen Fürsten, den ein schwerer Bann getroffen, irgend ein hohes, geächtetes Haupt, und ihre Einbildungskraft malte sich geschäftig unter heroischen Bildern den Geliebten herrlich aus.

Einst sagte ich ihr: Mina, der letzte Tag im künftigen Monat kann mein Schicksal ändern und entscheiden — geschieht es nicht, so muß ich sterben, weil ich dich nicht unglücklich machen will. — Sie verbarg weinend ihr Haupt an meiner Brust. Aendert sich dein Schicksal, laß mich nur dich glücklich wissen, ich habe keinen Anspruch an dich. Bist du elend, binde mich an dein Elend, daß ich es dir tragen helfe. — Mädchen, Mädchen, nimm es zurück, das rasche Wort, das thörichte, das deinen Lippen entflohen — und kennst du es, dieses Elend, kennst du ihn, diesen Fluch? Weißt du, wer dein Geliebter — — was er — ? — Siehst du mich nicht krampfhaft zusammenschaudern und vor dir ein Geheimniß haben? Sie fiel schluchzend mir zu Füßen und wiederholte mit Eidschwur ihre Bitte. —

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[0047] reißen könne, sie, die das einzige Licht, das einzige Glück, das einzige Herz meines Lebens sei. Dann weinte sie wieder, daß ich unglücklich war. Ach, sie war so liebevoll, so gut! Um Eine Thräne nur mir zu erkaufen, hätte sie, mit welcher Seligkeit, sich selbst ganz hingeopfert. Sie war indeß weit entfernt, meine Worte richtig zu deuten, sie ähnele nun in mir irgend einen Fürsten, den ein schwerer Bann getroffen, irgend ein hohes, geächtetes Haupt, und ihre Einbildungskraft malte sich geschäftig unter heroischen Bildern den Geliebten herrlich aus. Einst sagte ich ihr: Mina, der letzte Tag im künftigen Monat kann mein Schicksal ändern und entscheiden — geschieht es nicht, so muß ich sterben, weil ich dich nicht unglücklich machen will. — Sie verbarg weinend ihr Haupt an meiner Brust. Aendert sich dein Schicksal, laß mich nur dich glücklich wissen, ich habe keinen Anspruch an dich. Bist du elend, binde mich an dein Elend, daß ich es dir tragen helfe. — Mädchen, Mädchen, nimm es zurück, das rasche Wort, das thörichte, das deinen Lippen entflohen — und kennst du es, dieses Elend, kennst du ihn, diesen Fluch? Weißt du, wer dein Geliebter — — was er — ? — Siehst du mich nicht krampfhaft zusammenschaudern und vor dir ein Geheimniß haben? Sie fiel schluchzend mir zu Füßen und wiederholte mit Eidschwur ihre Bitte. —

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Thomas Weitin: Herausgeber
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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/47>, abgerufen am 29.03.2024.