Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Ich nahm nur am Abend unter meinen Bäumen, oder in meinem nach Bendel's Angabe geschickt und reich erleuchteten Saale Gesellschaft an. Wenn ich ausging, wobei mich stets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte, so war es nur nach dem Förstergarten und um der Einen willen; denn meines Lebens innerlichstes Herz war meine Liebe. O mein guter Chamisso, ich will hoffen, du habest noch nicht vergessen, was Liebe sei! Ich lasse dir hier Vieles zu ergänzen. Mina war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes Kind. Ich hatte ihre ganze Phantasie an mich gefesselt, sie wußte in ihrer Demuth nicht, womit sie werth gewesen, daß ich nur nach ihr geblickt; und sie vergalt Liebe um Liebe mit der vollen jugendlichen Kraft eines unschuldigen Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin sich opfernd; selbstvergessen, hingegeben Den nur meinend, der ihr Leben war, unbekümmert, solle sie selbst zu Grunde gehen, das heißt, sie liebte wirklich. -- Ich aber -- o welche schreckliche Stunden -- schrecklich! und würdig dennoch, daß ich sie zurückwünsche -- hab' ich oft an Bendel's Brust verweint, als nach dem ersten bewußtlosen Rausch ich mich besonnen, mich selbst scharf angeschaut, der ich, ohne Schatten, mit tückischer Selbstsucht diesen Engel verderbend, die reine Seele an mich gelogen und gestohlen! Dann beschloß ich, mich ihr selber zu verrathen; dann gelobt' ich mit theuren Eidschwüren, mich von ihr zu reißen Ich nahm nur am Abend unter meinen Bäumen, oder in meinem nach Bendel's Angabe geschickt und reich erleuchteten Saale Gesellschaft an. Wenn ich ausging, wobei mich stets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte, so war es nur nach dem Förstergarten und um der Einen willen; denn meines Lebens innerlichstes Herz war meine Liebe. O mein guter Chamisso, ich will hoffen, du habest noch nicht vergessen, was Liebe sei! Ich lasse dir hier Vieles zu ergänzen. Mina war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes Kind. Ich hatte ihre ganze Phantasie an mich gefesselt, sie wußte in ihrer Demuth nicht, womit sie werth gewesen, daß ich nur nach ihr geblickt; und sie vergalt Liebe um Liebe mit der vollen jugendlichen Kraft eines unschuldigen Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin sich opfernd; selbstvergessen, hingegeben Den nur meinend, der ihr Leben war, unbekümmert, solle sie selbst zu Grunde gehen, das heißt, sie liebte wirklich. — Ich aber — o welche schreckliche Stunden — schrecklich! und würdig dennoch, daß ich sie zurückwünsche — hab' ich oft an Bendel's Brust verweint, als nach dem ersten bewußtlosen Rausch ich mich besonnen, mich selbst scharf angeschaut, der ich, ohne Schatten, mit tückischer Selbstsucht diesen Engel verderbend, die reine Seele an mich gelogen und gestohlen! Dann beschloß ich, mich ihr selber zu verrathen; dann gelobt' ich mit theuren Eidschwüren, mich von ihr zu reißen <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0044"/> Ich nahm nur am Abend unter meinen Bäumen, oder in meinem nach Bendel's Angabe geschickt und reich erleuchteten Saale Gesellschaft an. Wenn ich ausging, wobei mich stets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte, so war es nur nach dem Förstergarten und um der Einen willen; denn meines Lebens innerlichstes Herz war meine Liebe.</p><lb/> <p>O mein guter Chamisso, ich will hoffen, du habest noch nicht vergessen, was Liebe sei! Ich lasse dir hier Vieles zu ergänzen. Mina war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes Kind. Ich hatte ihre ganze Phantasie an mich gefesselt, sie wußte in ihrer Demuth nicht, womit sie werth gewesen, daß ich nur nach ihr geblickt; und sie vergalt Liebe um Liebe mit der vollen jugendlichen Kraft eines unschuldigen Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin sich opfernd; selbstvergessen, hingegeben Den nur meinend, der ihr Leben war, unbekümmert, solle sie selbst zu Grunde gehen, das heißt, sie liebte wirklich. —</p><lb/> <p>Ich aber — o welche schreckliche Stunden — schrecklich! und würdig dennoch, daß ich sie zurückwünsche — hab' ich oft an Bendel's Brust verweint, als nach dem ersten bewußtlosen Rausch ich mich besonnen, mich selbst scharf angeschaut, der ich, ohne Schatten, mit tückischer Selbstsucht diesen Engel verderbend, die reine Seele an mich gelogen und gestohlen! Dann beschloß ich, mich ihr selber zu verrathen; dann gelobt' ich mit theuren Eidschwüren, mich von ihr zu reißen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0044]
Ich nahm nur am Abend unter meinen Bäumen, oder in meinem nach Bendel's Angabe geschickt und reich erleuchteten Saale Gesellschaft an. Wenn ich ausging, wobei mich stets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte, so war es nur nach dem Förstergarten und um der Einen willen; denn meines Lebens innerlichstes Herz war meine Liebe.
O mein guter Chamisso, ich will hoffen, du habest noch nicht vergessen, was Liebe sei! Ich lasse dir hier Vieles zu ergänzen. Mina war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes Kind. Ich hatte ihre ganze Phantasie an mich gefesselt, sie wußte in ihrer Demuth nicht, womit sie werth gewesen, daß ich nur nach ihr geblickt; und sie vergalt Liebe um Liebe mit der vollen jugendlichen Kraft eines unschuldigen Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin sich opfernd; selbstvergessen, hingegeben Den nur meinend, der ihr Leben war, unbekümmert, solle sie selbst zu Grunde gehen, das heißt, sie liebte wirklich. —
Ich aber — o welche schreckliche Stunden — schrecklich! und würdig dennoch, daß ich sie zurückwünsche — hab' ich oft an Bendel's Brust verweint, als nach dem ersten bewußtlosen Rausch ich mich besonnen, mich selbst scharf angeschaut, der ich, ohne Schatten, mit tückischer Selbstsucht diesen Engel verderbend, die reine Seele an mich gelogen und gestohlen! Dann beschloß ich, mich ihr selber zu verrathen; dann gelobt' ich mit theuren Eidschwüren, mich von ihr zu reißen
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/44>, abgerufen am 16.02.2025. |