Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.der mir bei meinen bescheidenen Hoffnungen förderlich sein sollte. Nachdem ich die lange Norderstraße hinaufgestiegen und das Thor erreicht, sah ich bald die Säulen durch das Grüne schimmern; -- also hier, dacht' ich. Ich wischte den Staub von meinen Füßen mit meinem Schnupftuch ab, setzte mein Halstuch in Ordnung und zog in Gottes Namen die Klingel. Die Thür sprang auf. Auf dem Flur hatt' ich ein Verhör zu bestehn, der Portier ließ mich aber anmelden, und ich hatte die Ehre, in den Park gerufen zu werden, wo Herr John - mit einer kleinen Gesellschaft sich erging. Ich erkannte gleich den Mann am Glanze seiner wohlbeleibten Selbstzufriedenheit. Er empfing mich sehr gut, -- wie ein Reicher einen armen Teufel, wandte sich sogar gegen mich, ohne sich jedoch von der übrigen Gesellschaft abzuwenden, und nahm mir den dargehaltenen Brief aus der Hand. -- So, so! von meinem Bruder, ich habe lange nichts von ihm gehört. Er ist doch gesund? -- dort, fuhr er gegen die Gesellschaft fort, ohne die Antwort zu erwarten, und wies mit dem Brief auf einen Hügel, dort lass' ich das neue Gebäude aufführen. Er brach das Siegel auf und das Gespräch nicht ab, das sich auf den Reichthum lenkte. Wer nicht Herr ist wenigstens einer Million, warf er hinein, der ist, man verzeihe mir das Wort, ein Schuft! -- O wie wahr! rief ich aus mit vollem, überströmendem Gefühl. Das mußte ihm gefallen, er lächelte mich an und sagte: der mir bei meinen bescheidenen Hoffnungen förderlich sein sollte. Nachdem ich die lange Norderstraße hinaufgestiegen und das Thor erreicht, sah ich bald die Säulen durch das Grüne schimmern; — also hier, dacht' ich. Ich wischte den Staub von meinen Füßen mit meinem Schnupftuch ab, setzte mein Halstuch in Ordnung und zog in Gottes Namen die Klingel. Die Thür sprang auf. Auf dem Flur hatt' ich ein Verhör zu bestehn, der Portier ließ mich aber anmelden, und ich hatte die Ehre, in den Park gerufen zu werden, wo Herr John – mit einer kleinen Gesellschaft sich erging. Ich erkannte gleich den Mann am Glanze seiner wohlbeleibten Selbstzufriedenheit. Er empfing mich sehr gut, — wie ein Reicher einen armen Teufel, wandte sich sogar gegen mich, ohne sich jedoch von der übrigen Gesellschaft abzuwenden, und nahm mir den dargehaltenen Brief aus der Hand. — So, so! von meinem Bruder, ich habe lange nichts von ihm gehört. Er ist doch gesund? — dort, fuhr er gegen die Gesellschaft fort, ohne die Antwort zu erwarten, und wies mit dem Brief auf einen Hügel, dort lass' ich das neue Gebäude aufführen. Er brach das Siegel auf und das Gespräch nicht ab, das sich auf den Reichthum lenkte. Wer nicht Herr ist wenigstens einer Million, warf er hinein, der ist, man verzeihe mir das Wort, ein Schuft! — O wie wahr! rief ich aus mit vollem, überströmendem Gefühl. Das mußte ihm gefallen, er lächelte mich an und sagte: <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0012"/> der mir bei meinen bescheidenen Hoffnungen förderlich sein sollte.</p><lb/> <p>Nachdem ich die lange Norderstraße hinaufgestiegen und das Thor erreicht, sah ich bald die Säulen durch das Grüne schimmern; — also hier, dacht' ich. Ich wischte den Staub von meinen Füßen mit meinem Schnupftuch ab, setzte mein Halstuch in Ordnung und zog in Gottes Namen die Klingel. Die Thür sprang auf. Auf dem Flur hatt' ich ein Verhör zu bestehn, der Portier ließ mich aber anmelden, und ich hatte die Ehre, in den Park gerufen zu werden, wo Herr John – mit einer kleinen Gesellschaft sich erging. Ich erkannte gleich den Mann am Glanze seiner wohlbeleibten Selbstzufriedenheit. Er empfing mich sehr gut, — wie ein Reicher einen armen Teufel, wandte sich sogar gegen mich, ohne sich jedoch von der übrigen Gesellschaft abzuwenden, und nahm mir den dargehaltenen Brief aus der Hand. — So, so! von meinem Bruder, ich habe lange nichts von ihm gehört. Er ist doch gesund? — dort, fuhr er gegen die Gesellschaft fort, ohne die Antwort zu erwarten, und wies mit dem Brief auf einen Hügel, dort lass' ich das neue Gebäude aufführen.</p><lb/> <p>Er brach das Siegel auf und das Gespräch nicht ab, das sich auf den Reichthum lenkte. Wer nicht Herr ist wenigstens einer Million, warf er hinein, der ist, man verzeihe mir das Wort, ein Schuft! — O wie wahr! rief ich aus mit vollem, überströmendem Gefühl. Das mußte ihm gefallen, er lächelte mich an und sagte:<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0012]
der mir bei meinen bescheidenen Hoffnungen förderlich sein sollte.
Nachdem ich die lange Norderstraße hinaufgestiegen und das Thor erreicht, sah ich bald die Säulen durch das Grüne schimmern; — also hier, dacht' ich. Ich wischte den Staub von meinen Füßen mit meinem Schnupftuch ab, setzte mein Halstuch in Ordnung und zog in Gottes Namen die Klingel. Die Thür sprang auf. Auf dem Flur hatt' ich ein Verhör zu bestehn, der Portier ließ mich aber anmelden, und ich hatte die Ehre, in den Park gerufen zu werden, wo Herr John – mit einer kleinen Gesellschaft sich erging. Ich erkannte gleich den Mann am Glanze seiner wohlbeleibten Selbstzufriedenheit. Er empfing mich sehr gut, — wie ein Reicher einen armen Teufel, wandte sich sogar gegen mich, ohne sich jedoch von der übrigen Gesellschaft abzuwenden, und nahm mir den dargehaltenen Brief aus der Hand. — So, so! von meinem Bruder, ich habe lange nichts von ihm gehört. Er ist doch gesund? — dort, fuhr er gegen die Gesellschaft fort, ohne die Antwort zu erwarten, und wies mit dem Brief auf einen Hügel, dort lass' ich das neue Gebäude aufführen.
Er brach das Siegel auf und das Gespräch nicht ab, das sich auf den Reichthum lenkte. Wer nicht Herr ist wenigstens einer Million, warf er hinein, der ist, man verzeihe mir das Wort, ein Schuft! — O wie wahr! rief ich aus mit vollem, überströmendem Gefühl. Das mußte ihm gefallen, er lächelte mich an und sagte:
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/12>, abgerufen am 16.07.2024. |