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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

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meine Fragen. Wir kamen an das Bette eines
Bergstromes, der über einen weiten Strich des
Waldes seine Verwüstung verbreitet hatte. Mich
schauderte innerlich vor dem sonnenhellen Raum,
ich ließ den Landmann vorangehen. Er hielt aber
mitten im gefährlichen Orte still, und wandte sich
zu mir, um mir die Geschichte dieser Verwüstung
zu erzählen. Er bemerkte bald, was mir fehlte,
und hielt mitten in seiner Rede ein: "Aber wie
geht denn das zu, der Herr hat ja keinen Schat¬
ten." -- "Leider! leider!" erwiederte ich seuf¬
zend. "Es sind mir während einer bösen langen
Krankheit, Haare, Nägel und Schatten ausgegan¬
gen. Seht, Vater, in meinem Alter, die Haare,
die ich wieder gekriegt habe, ganz weiß, die Nägel
sehr kurz, und der Schatten, der will noch nicht
wieder wachsen." -- "Ei! ei!" versetzte der alte
Mann kopfschüttelnd, "keinen Schatten, das ist
bös! das war eine böse Krankheit, die der Herr ge¬
habt hat." Aber, er hub seine Erzählung nicht wie¬
der an, und bei dem nächsten Querweg, der sich dar¬
bot, ging er, ohne ein Wort zu sagen, von mir ab. --
Bittere Thränen zitterten aufs Neue in meinen
Wangen und meine Heiterkeit war hin.

meine Fragen. Wir kamen an das Bette eines
Bergſtromes, der uͤber einen weiten Strich des
Waldes ſeine Verwuͤſtung verbreitet hatte. Mich
ſchauderte innerlich vor dem ſonnenhellen Raum,
ich ließ den Landmann vorangehen. Er hielt aber
mitten im gefaͤhrlichen Orte ſtill, und wandte ſich
zu mir, um mir die Geſchichte dieſer Verwuͤſtung
zu erzaͤhlen. Er bemerkte bald, was mir fehlte,
und hielt mitten in ſeiner Rede ein: “Aber wie
geht denn das zu, der Herr hat ja keinen Schat¬
ten.„ — “Leider! leider!„ erwiederte ich ſeuf¬
zend. “Es ſind mir waͤhrend einer boͤſen langen
Krankheit, Haare, Naͤgel und Schatten ausgegan¬
gen. Seht, Vater, in meinem Alter, die Haare,
die ich wieder gekriegt habe, ganz weiß, die Naͤgel
ſehr kurz, und der Schatten, der will noch nicht
wieder wachſen.„ — “Ei! ei!„ verſetzte der alte
Mann kopfſchuͤttelnd, “keinen Schatten, das iſt
boͤs! das war eine boͤſe Krankheit, die der Herr ge¬
habt hat.„ Aber, er hub ſeine Erzaͤhlung nicht wie¬
der an, und bei dem naͤchſten Querweg, der ſich dar¬
bot, ging er, ohne ein Wort zu ſagen, von mir ab. —
Bittere Thraͤnen zitterten aufs Neue in meinen
Wangen und meine Heiterkeit war hin.

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[106/0126] meine Fragen. Wir kamen an das Bette eines Bergſtromes, der uͤber einen weiten Strich des Waldes ſeine Verwuͤſtung verbreitet hatte. Mich ſchauderte innerlich vor dem ſonnenhellen Raum, ich ließ den Landmann vorangehen. Er hielt aber mitten im gefaͤhrlichen Orte ſtill, und wandte ſich zu mir, um mir die Geſchichte dieſer Verwuͤſtung zu erzaͤhlen. Er bemerkte bald, was mir fehlte, und hielt mitten in ſeiner Rede ein: “Aber wie geht denn das zu, der Herr hat ja keinen Schat¬ ten.„ — “Leider! leider!„ erwiederte ich ſeuf¬ zend. “Es ſind mir waͤhrend einer boͤſen langen Krankheit, Haare, Naͤgel und Schatten ausgegan¬ gen. Seht, Vater, in meinem Alter, die Haare, die ich wieder gekriegt habe, ganz weiß, die Naͤgel ſehr kurz, und der Schatten, der will noch nicht wieder wachſen.„ — “Ei! ei!„ verſetzte der alte Mann kopfſchuͤttelnd, “keinen Schatten, das iſt boͤs! das war eine boͤſe Krankheit, die der Herr ge¬ habt hat.„ Aber, er hub ſeine Erzaͤhlung nicht wie¬ der an, und bei dem naͤchſten Querweg, der ſich dar¬ bot, ging er, ohne ein Wort zu ſagen, von mir ab. — Bittere Thraͤnen zitterten aufs Neue in meinen Wangen und meine Heiterkeit war hin.

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/126>, abgerufen am 23.11.2024.