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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.

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Die Germanen als Schöpfer einer neuen Kultur.
ist, so werden wir zugleich ein sicheres Urteilsprinzip für unsere eigene
Vergangenheit und Gegenwart und zugleich einen sehr nützlichen
Massstab für die zu erwartende Zukunft gewinnen. Denn nichts In-
dividuelles ist unbegrenzt. Solange wir uns als die verantwortlichen
Vertreter der ganzen Menschheit betrachten, können die Einsichts-
volleren nicht anders als über unsere Elendigkeit und über unsere
offenbare Unfähigkeit, ein goldenes Zeitalter vorzubereiten, verzweifeln;
zugleich verrücken aber alle phrasenreiche Flachköpfe die ernsten,
erreichbaren Ziele und untergraben das, was ich die historische Sitt-
lichkeit nennen möchte, indem sie -- blind gegen unsere allseitige
Beschränkung und ohne eine Ahnung von dem Werte unserer spezi-
fischen Begabung -- uns Unmögliches, Absolutes vorspiegeln: ange-
borene Menschenrechte, ewigen Frieden, allseitige Brüderlichkeit, gegen-
seitiges Ineinanderaufgehen u. s. w. Wissen wir dagegen, dass wir
Nordeuropäer als bestimmtes Individuum dastehen, nicht für die
Menschheit, wohl aber für unsere eigene Persönlichkeit verantwortlich,
so werden wir unser Werk als ein eigenes lieben und hochschätzen,
wir werden erkennen, dass es noch lange nicht vollendet, sondern
noch recht mangelhaft und namentlich noch lange nicht selbständig
genug ist; kein Bild einer "absoluten" Vollendung wird uns ver-
führen, sondern wir werden, wie Shakespeare es wollte, uns selber
treu bleiben und uns bescheiden, innerhalb der Schranken des dem
Germanen Erreichbaren unser Bestes zu leisten; wir werden uns ziel-
bewusst gegen das Ungermanische verteidigen, und nicht nur unser
Reich immer weiter über die Erdoberfläche und über die Kräfte der
Natur auszudehnen suchen, sondern namentlich die innere Welt uns
unbedingt unterwerfen, indem wir Diejenigen, die nicht zu uns ge-
hören und die sich doch Gewalt über unser Denken erobern wollen,
schonungslos zu Boden werfen und ausschliessen. Oft sagt man, die
Politik dürfe keine Rücksichten kennen; gar nichts darf Rücksichten
kennen; Rücksicht ist Verbrechen an sich selbst, Rücksicht ist der
Soldat, der in der Schlacht davonläuft, dem Feinde seine "Rücksicht"
als Zielscheibe bietend. Die heiligste Pflicht des Germanen ist, dem
Germanentum zu dienen. Daraus ergiebt sich ein geschichtlicher Wert-
messer. Wir werden auf allen Gebieten denjenigen Mann als den
grössten, diejenige That als die bedeutendste erkennen und feiern,
welche das spezifisch germanische Wesen am erfolgreichsten gefördert
oder die Vorherrschaft des Germanentums am kräftigsten unterstützt
haben. So nur gewinnen wir ein begrenzendes, organisierendes, durch-

Die Germanen als Schöpfer einer neuen Kultur.
ist, so werden wir zugleich ein sicheres Urteilsprinzip für unsere eigene
Vergangenheit und Gegenwart und zugleich einen sehr nützlichen
Massstab für die zu erwartende Zukunft gewinnen. Denn nichts In-
dividuelles ist unbegrenzt. Solange wir uns als die verantwortlichen
Vertreter der ganzen Menschheit betrachten, können die Einsichts-
volleren nicht anders als über unsere Elendigkeit und über unsere
offenbare Unfähigkeit, ein goldenes Zeitalter vorzubereiten, verzweifeln;
zugleich verrücken aber alle phrasenreiche Flachköpfe die ernsten,
erreichbaren Ziele und untergraben das, was ich die historische Sitt-
lichkeit nennen möchte, indem sie — blind gegen unsere allseitige
Beschränkung und ohne eine Ahnung von dem Werte unserer spezi-
fischen Begabung — uns Unmögliches, Absolutes vorspiegeln: ange-
borene Menschenrechte, ewigen Frieden, allseitige Brüderlichkeit, gegen-
seitiges Ineinanderaufgehen u. s. w. Wissen wir dagegen, dass wir
Nordeuropäer als bestimmtes Individuum dastehen, nicht für die
Menschheit, wohl aber für unsere eigene Persönlichkeit verantwortlich,
so werden wir unser Werk als ein eigenes lieben und hochschätzen,
wir werden erkennen, dass es noch lange nicht vollendet, sondern
noch recht mangelhaft und namentlich noch lange nicht selbständig
genug ist; kein Bild einer »absoluten« Vollendung wird uns ver-
führen, sondern wir werden, wie Shakespeare es wollte, uns selber
treu bleiben und uns bescheiden, innerhalb der Schranken des dem
Germanen Erreichbaren unser Bestes zu leisten; wir werden uns ziel-
bewusst gegen das Ungermanische verteidigen, und nicht nur unser
Reich immer weiter über die Erdoberfläche und über die Kräfte der
Natur auszudehnen suchen, sondern namentlich die innere Welt uns
unbedingt unterwerfen, indem wir Diejenigen, die nicht zu uns ge-
hören und die sich doch Gewalt über unser Denken erobern wollen,
schonungslos zu Boden werfen und ausschliessen. Oft sagt man, die
Politik dürfe keine Rücksichten kennen; gar nichts darf Rücksichten
kennen; Rücksicht ist Verbrechen an sich selbst, Rücksicht ist der
Soldat, der in der Schlacht davonläuft, dem Feinde seine »Rücksicht«
als Zielscheibe bietend. Die heiligste Pflicht des Germanen ist, dem
Germanentum zu dienen. Daraus ergiebt sich ein geschichtlicher Wert-
messer. Wir werden auf allen Gebieten denjenigen Mann als den
grössten, diejenige That als die bedeutendste erkennen und feiern,
welche das spezifisch germanische Wesen am erfolgreichsten gefördert
oder die Vorherrschaft des Germanentums am kräftigsten unterstützt
haben. So nur gewinnen wir ein begrenzendes, organisierendes, durch-

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[721/0200] Die Germanen als Schöpfer einer neuen Kultur. ist, so werden wir zugleich ein sicheres Urteilsprinzip für unsere eigene Vergangenheit und Gegenwart und zugleich einen sehr nützlichen Massstab für die zu erwartende Zukunft gewinnen. Denn nichts In- dividuelles ist unbegrenzt. Solange wir uns als die verantwortlichen Vertreter der ganzen Menschheit betrachten, können die Einsichts- volleren nicht anders als über unsere Elendigkeit und über unsere offenbare Unfähigkeit, ein goldenes Zeitalter vorzubereiten, verzweifeln; zugleich verrücken aber alle phrasenreiche Flachköpfe die ernsten, erreichbaren Ziele und untergraben das, was ich die historische Sitt- lichkeit nennen möchte, indem sie — blind gegen unsere allseitige Beschränkung und ohne eine Ahnung von dem Werte unserer spezi- fischen Begabung — uns Unmögliches, Absolutes vorspiegeln: ange- borene Menschenrechte, ewigen Frieden, allseitige Brüderlichkeit, gegen- seitiges Ineinanderaufgehen u. s. w. Wissen wir dagegen, dass wir Nordeuropäer als bestimmtes Individuum dastehen, nicht für die Menschheit, wohl aber für unsere eigene Persönlichkeit verantwortlich, so werden wir unser Werk als ein eigenes lieben und hochschätzen, wir werden erkennen, dass es noch lange nicht vollendet, sondern noch recht mangelhaft und namentlich noch lange nicht selbständig genug ist; kein Bild einer »absoluten« Vollendung wird uns ver- führen, sondern wir werden, wie Shakespeare es wollte, uns selber treu bleiben und uns bescheiden, innerhalb der Schranken des dem Germanen Erreichbaren unser Bestes zu leisten; wir werden uns ziel- bewusst gegen das Ungermanische verteidigen, und nicht nur unser Reich immer weiter über die Erdoberfläche und über die Kräfte der Natur auszudehnen suchen, sondern namentlich die innere Welt uns unbedingt unterwerfen, indem wir Diejenigen, die nicht zu uns ge- hören und die sich doch Gewalt über unser Denken erobern wollen, schonungslos zu Boden werfen und ausschliessen. Oft sagt man, die Politik dürfe keine Rücksichten kennen; gar nichts darf Rücksichten kennen; Rücksicht ist Verbrechen an sich selbst, Rücksicht ist der Soldat, der in der Schlacht davonläuft, dem Feinde seine »Rücksicht« als Zielscheibe bietend. Die heiligste Pflicht des Germanen ist, dem Germanentum zu dienen. Daraus ergiebt sich ein geschichtlicher Wert- messer. Wir werden auf allen Gebieten denjenigen Mann als den grössten, diejenige That als die bedeutendste erkennen und feiern, welche das spezifisch germanische Wesen am erfolgreichsten gefördert oder die Vorherrschaft des Germanentums am kräftigsten unterstützt haben. So nur gewinnen wir ein begrenzendes, organisierendes, durch-

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899, S. 721. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen02_1899/200>, abgerufen am 23.11.2024.