Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.Der Kampf. daran Kraft verleihen muss. Und dieser Glaube, wie ich hoffe über-zeugend dargethan zu haben, gestattet keine Scheidung zwischen Zeit- lichem und Ewigem, Weltlichem und Himmlischem. Das Unbegrenzte liegt in dem Wesen dieser Willensrichtung, es dient ihrem Gebäude als Untergrund; jede Begrenzung ist eine Störung, ein Aufenthalt, ein sobald als thunlich zu überwindendes Übel; denn die Begrenzung -- sobald sie als zu Recht bestehend anerkannt würde -- könnte nichts geringeres bedeuten als das Preisgeben der Idee selbst. Katholikos bedeutet universell, das heisst: eine Alles enthaltende Einheit. Jeder wahrhaft gläubige, denkfähige Katholik ist darum -- wenn auch nicht heute und thatsächlich, so doch virtualiter -- ein Universalist, und das heisst ein Feind der Nationen sowie jeder individuellen Freiheit. Die Allermeisten wissen es nicht und Manche werden es empört leugnen, doch steht die Thatsache trotzdem fest; denn die grossen, allgemeinen Ideen, die mathematisch notwendigen Gedankenfolgerungen und Thatenfolgen sind ungleich gewaltiger als der Einzelne mit seinem guten Willen und seinen guten Absichten; hier walten Naturgesetze. Gerade so wie aus jedem Schisma eine weitere Fraktionierung in neue Schismen mit zwingender Notwendigkeit hervorgehen muss, weil hier die Freiheit des Individuums zu Grunde liegt, ebenso übt jeglicher Katholizismus eine unüberwindbare Gewalt der Integrierung aus; der Einzelne kann ihr ebenso wenig widerstehen wie ein Eisenspan dem Magneten. Ohne die für damalige Verkehrsmittel grosse Entfernung zwischen Rom und Konstantinopel hätte das orientalische Schisma nie stattgefunden; ohne die übermenschlich gewaltige Persönlichkeit Luther's wäre es auch Nordeuropa kaum gelungen, sich von Rom loszureissen. Cervantes, ein gläubiger Mann, führt gern das Sprich- wort an: "Hinter dem Kreuze steckt der Teufel." Das deutet wohl darauf hin, dass der Geist, einmal in diese Bahn der absoluten Religion, des blinden Autoritätsglaubens geworfen, keine Grenze und kein Auf- halten kennt. Dieser Teufel hat ja inzwischen die edle Nation des Don Quixote zu Grunde gerichtet. -- Und wenn wir nun des Weiteren bedenken, dass die universalistischen und absolutistischen Ideen, aus denen die Kirche hervorging, ein Produkt des allgemeinen Verfalles, eine letzte Hoffnung und ein wirklicher Rettungsanker für ein rassen- loses, chaotisches Menschenbabel waren (siehe S. 570, 593, 634), so werden wir uns schwerlich des Gedankens erwehren können, dass aus ähnlichen Ursachen auch jetzt wieder ähnliche Wirkungen erfolgen würden, und dass demnach in unserem heutigen Weltzustand manches Der Kampf. daran Kraft verleihen muss. Und dieser Glaube, wie ich hoffe über-zeugend dargethan zu haben, gestattet keine Scheidung zwischen Zeit- lichem und Ewigem, Weltlichem und Himmlischem. Das Unbegrenzte liegt in dem Wesen dieser Willensrichtung, es dient ihrem Gebäude als Untergrund; jede Begrenzung ist eine Störung, ein Aufenthalt, ein sobald als thunlich zu überwindendes Übel; denn die Begrenzung — sobald sie als zu Recht bestehend anerkannt würde — könnte nichts geringeres bedeuten als das Preisgeben der Idee selbst. Καϑολιϰός bedeutet universell, das heisst: eine Alles enthaltende Einheit. Jeder wahrhaft gläubige, denkfähige Katholik ist darum — wenn auch nicht heute und thatsächlich, so doch virtualiter — ein Universalist, und das heisst ein Feind der Nationen sowie jeder individuellen Freiheit. Die Allermeisten wissen es nicht und Manche werden es empört leugnen, doch steht die Thatsache trotzdem fest; denn die grossen, allgemeinen Ideen, die mathematisch notwendigen Gedankenfolgerungen und Thatenfolgen sind ungleich gewaltiger als der Einzelne mit seinem guten Willen und seinen guten Absichten; hier walten Naturgesetze. Gerade so wie aus jedem Schisma eine weitere Fraktionierung in neue Schismen mit zwingender Notwendigkeit hervorgehen muss, weil hier die Freiheit des Individuums zu Grunde liegt, ebenso übt jeglicher Katholizismus eine unüberwindbare Gewalt der Integrierung aus; der Einzelne kann ihr ebenso wenig widerstehen wie ein Eisenspan dem Magneten. Ohne die für damalige Verkehrsmittel grosse Entfernung zwischen Rom und Konstantinopel hätte das orientalische Schisma nie stattgefunden; ohne die übermenschlich gewaltige Persönlichkeit Luther’s wäre es auch Nordeuropa kaum gelungen, sich von Rom loszureissen. Cervantes, ein gläubiger Mann, führt gern das Sprich- wort an: »Hinter dem Kreuze steckt der Teufel.« Das deutet wohl darauf hin, dass der Geist, einmal in diese Bahn der absoluten Religion, des blinden Autoritätsglaubens geworfen, keine Grenze und kein Auf- halten kennt. Dieser Teufel hat ja inzwischen die edle Nation des Don Quixote zu Grunde gerichtet. — Und wenn wir nun des Weiteren bedenken, dass die universalistischen und absolutistischen Ideen, aus denen die Kirche hervorging, ein Produkt des allgemeinen Verfalles, eine letzte Hoffnung und ein wirklicher Rettungsanker für ein rassen- loses, chaotisches Menschenbabel waren (siehe S. 570, 593, 634), so werden wir uns schwerlich des Gedankens erwehren können, dass aus ähnlichen Ursachen auch jetzt wieder ähnliche Wirkungen erfolgen würden, und dass demnach in unserem heutigen Weltzustand manches <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0159" n="680"/><fw place="top" type="header">Der Kampf.</fw><lb/> daran Kraft verleihen <hi rendition="#g">muss</hi>. Und dieser Glaube, wie ich hoffe über-<lb/> zeugend dargethan zu haben, gestattet keine Scheidung zwischen Zeit-<lb/> lichem und Ewigem, Weltlichem und Himmlischem. 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daran Kraft verleihen muss. Und dieser Glaube, wie ich hoffe über-
zeugend dargethan zu haben, gestattet keine Scheidung zwischen Zeit-
lichem und Ewigem, Weltlichem und Himmlischem. Das Unbegrenzte
liegt in dem Wesen dieser Willensrichtung, es dient ihrem Gebäude
als Untergrund; jede Begrenzung ist eine Störung, ein Aufenthalt, ein
sobald als thunlich zu überwindendes Übel; denn die Begrenzung —
sobald sie als zu Recht bestehend anerkannt würde — könnte nichts
geringeres bedeuten als das Preisgeben der Idee selbst. Καϑολιϰός
bedeutet universell, das heisst: eine Alles enthaltende Einheit. Jeder
wahrhaft gläubige, denkfähige Katholik ist darum — wenn auch nicht
heute und thatsächlich, so doch virtualiter — ein Universalist, und
das heisst ein Feind der Nationen sowie jeder individuellen Freiheit.
Die Allermeisten wissen es nicht und Manche werden es empört
leugnen, doch steht die Thatsache trotzdem fest; denn die grossen,
allgemeinen Ideen, die mathematisch notwendigen Gedankenfolgerungen
und Thatenfolgen sind ungleich gewaltiger als der Einzelne mit seinem
guten Willen und seinen guten Absichten; hier walten Naturgesetze.
Gerade so wie aus jedem Schisma eine weitere Fraktionierung in neue
Schismen mit zwingender Notwendigkeit hervorgehen muss, weil
hier die Freiheit des Individuums zu Grunde liegt, ebenso übt jeglicher
Katholizismus eine unüberwindbare Gewalt der Integrierung aus; der
Einzelne kann ihr ebenso wenig widerstehen wie ein Eisenspan dem
Magneten. Ohne die für damalige Verkehrsmittel grosse Entfernung
zwischen Rom und Konstantinopel hätte das orientalische Schisma
nie stattgefunden; ohne die übermenschlich gewaltige Persönlichkeit
Luther’s wäre es auch Nordeuropa kaum gelungen, sich von Rom
loszureissen. Cervantes, ein gläubiger Mann, führt gern das Sprich-
wort an: »Hinter dem Kreuze steckt der Teufel.« Das deutet wohl
darauf hin, dass der Geist, einmal in diese Bahn der absoluten Religion,
des blinden Autoritätsglaubens geworfen, keine Grenze und kein Auf-
halten kennt. Dieser Teufel hat ja inzwischen die edle Nation des
Don Quixote zu Grunde gerichtet. — Und wenn wir nun des Weiteren
bedenken, dass die universalistischen und absolutistischen Ideen, aus
denen die Kirche hervorging, ein Produkt des allgemeinen Verfalles,
eine letzte Hoffnung und ein wirklicher Rettungsanker für ein rassen-
loses, chaotisches Menschenbabel waren (siehe S. 570, 593, 634), so
werden wir uns schwerlich des Gedankens erwehren können, dass
aus ähnlichen Ursachen auch jetzt wieder ähnliche Wirkungen erfolgen
würden, und dass demnach in unserem heutigen Weltzustand manches
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