zeigt uns jedes sich als absolut und alleingültig gebende philosophische und religiöse System, das zeigt uns vor Allem jener grossartigste Ver- such einer universellen Weltdeutung und Weltregierung, die römisch- katholische Kirche.
Der Kampf um den Staat.
Der Kampf im Staat während der ersten zwölf Jahrhunderte unserer Zeitrechnung war nun in seinem tiefsten Grunde ein Kampf zwischen den genannten zwei Prinzipien der Begrenzung, die auf allen Gebieten sich feindlich gegenüberstehen und deren Gegenüberstellung hier, auf politischem Gebiete, zu einem Kampf zwischen Universalismus und Nationalismus führt. Es handelt sich um das Existenzrecht unabhängiger Nationalitäten. Um das Jahr 1200 herum konnte der zukünftige Sieg des nationalbeschränkten, d. h. also des äusserlich begrenzenden Prinzips kaum mehr zweifelhaft sein. Zwar stand das Papsttum auf seiner höchsten Höhe -- so versichern wenigstens die Geschichtsschreiber, übersehen jedoch, dass diese "Höhe" nur den Sieg über den internen Konkurrenten um die Weltmonarchie, den Kaiser, bedeutet, und dass gerade dieser Wettstreit innerhalb der Imperiumsidee und dieser Sieg des Papstes den endgültigen Bankrott des römischen Plans herbeigeführt hat. Denn inzwischen waren Völker und Fürsten erstarkt: der innere Abfall von den kirchlichen "Grenzen" hatte schon im ausgedehntesten Masstabe begonnen, und der äussere Abfall von dem vermeintlichen princeps mundi wurde gerade von den frommsten Fürsten mit beneidenswerter Inkonsequenz durchgeführt. So nahm z. B. Ludwig der Heilige offen Partei für den exkommunizierten Friedrich und erklärte dem Papst gegen- über: "les roys ne tiennent de nullui, fors de Dieu et d'eux-memes"; und auf ihn folgte bald ein Philipp der Schöne, der einen wider- spenstigen pontifex einfach gefangen nehmen liess und dessen Nach- folger zwang, in Frankreich, unter seinen Augen zu residieren und die gewünschten gallikanischen Privilegien zu bestätigen. Der Kampf ist hier ein anderer als der zwischen Kaiser und Papst: denn die Fürsten bestreiten das Existenzrecht des römischen Universalismus; in weltlichen Dingen wollen sie vollkommen unabhängig und in kirch- lichen Dingen die Herren im eigenen Lande sein. Hinfürder musste der Vertreter der römischen Hierokratie auch in seinen glanzvollen Tagen mühsam lavieren und, um sich die Glaubensdinge möglichst unterthan zu halten, seine politischen Ansprüche einen nach dem andern (einstweilen) preisgeben; dem sogenannten "römischen Kaiser deutscher Nation" (wohl die blödsinnigste contradictio in adjecto, die jemals ersonnen wurde) ging es noch schlechter, sein Titel war ein
Der Kampf.
zeigt uns jedes sich als absolut und alleingültig gebende philosophische und religiöse System, das zeigt uns vor Allem jener grossartigste Ver- such einer universellen Weltdeutung und Weltregierung, die römisch- katholische Kirche.
Der Kampf um den Staat.
Der Kampf im Staat während der ersten zwölf Jahrhunderte unserer Zeitrechnung war nun in seinem tiefsten Grunde ein Kampf zwischen den genannten zwei Prinzipien der Begrenzung, die auf allen Gebieten sich feindlich gegenüberstehen und deren Gegenüberstellung hier, auf politischem Gebiete, zu einem Kampf zwischen Universalismus und Nationalismus führt. Es handelt sich um das Existenzrecht unabhängiger Nationalitäten. Um das Jahr 1200 herum konnte der zukünftige Sieg des nationalbeschränkten, d. h. also des äusserlich begrenzenden Prinzips kaum mehr zweifelhaft sein. Zwar stand das Papsttum auf seiner höchsten Höhe — so versichern wenigstens die Geschichtsschreiber, übersehen jedoch, dass diese »Höhe« nur den Sieg über den internen Konkurrenten um die Weltmonarchie, den Kaiser, bedeutet, und dass gerade dieser Wettstreit innerhalb der Imperiumsidee und dieser Sieg des Papstes den endgültigen Bankrott des römischen Plans herbeigeführt hat. Denn inzwischen waren Völker und Fürsten erstarkt: der innere Abfall von den kirchlichen »Grenzen« hatte schon im ausgedehntesten Masstabe begonnen, und der äussere Abfall von dem vermeintlichen princeps mundi wurde gerade von den frommsten Fürsten mit beneidenswerter Inkonsequenz durchgeführt. So nahm z. B. Ludwig der Heilige offen Partei für den exkommunizierten Friedrich und erklärte dem Papst gegen- über: »les roys ne tiennent de nullui, fors de Dieu et d’eux-mêmes«; und auf ihn folgte bald ein Philipp der Schöne, der einen wider- spenstigen pontifex einfach gefangen nehmen liess und dessen Nach- folger zwang, in Frankreich, unter seinen Augen zu residieren und die gewünschten gallikanischen Privilegien zu bestätigen. Der Kampf ist hier ein anderer als der zwischen Kaiser und Papst: denn die Fürsten bestreiten das Existenzrecht des römischen Universalismus; in weltlichen Dingen wollen sie vollkommen unabhängig und in kirch- lichen Dingen die Herren im eigenen Lande sein. Hinfürder musste der Vertreter der römischen Hierokratie auch in seinen glanzvollen Tagen mühsam lavieren und, um sich die Glaubensdinge möglichst unterthan zu halten, seine politischen Ansprüche einen nach dem andern (einstweilen) preisgeben; dem sogenannten »römischen Kaiser deutscher Nation« (wohl die blödsinnigste contradictio in adjecto, die jemals ersonnen wurde) ging es noch schlechter, sein Titel war ein
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Der Kampf.
zeigt uns jedes sich als absolut und alleingültig gebende philosophische
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such einer universellen Weltdeutung und Weltregierung, die römisch-
katholische Kirche.
Der Kampf im Staat während der ersten zwölf Jahrhunderte unserer
Zeitrechnung war nun in seinem tiefsten Grunde ein Kampf zwischen
den genannten zwei Prinzipien der Begrenzung, die auf allen Gebieten
sich feindlich gegenüberstehen und deren Gegenüberstellung hier, auf
politischem Gebiete, zu einem Kampf zwischen Universalismus und
Nationalismus führt. Es handelt sich um das Existenzrecht unabhängiger
Nationalitäten. Um das Jahr 1200 herum konnte der zukünftige Sieg des
nationalbeschränkten, d. h. also des äusserlich begrenzenden Prinzips
kaum mehr zweifelhaft sein. Zwar stand das Papsttum auf seiner höchsten
Höhe — so versichern wenigstens die Geschichtsschreiber, übersehen
jedoch, dass diese »Höhe« nur den Sieg über den internen Konkurrenten
um die Weltmonarchie, den Kaiser, bedeutet, und dass gerade dieser
Wettstreit innerhalb der Imperiumsidee und dieser Sieg des Papstes den
endgültigen Bankrott des römischen Plans herbeigeführt hat. Denn
inzwischen waren Völker und Fürsten erstarkt: der innere Abfall von
den kirchlichen »Grenzen« hatte schon im ausgedehntesten Masstabe
begonnen, und der äussere Abfall von dem vermeintlichen princeps
mundi wurde gerade von den frommsten Fürsten mit beneidenswerter
Inkonsequenz durchgeführt. So nahm z. B. Ludwig der Heilige offen
Partei für den exkommunizierten Friedrich und erklärte dem Papst gegen-
über: »les roys ne tiennent de nullui, fors de Dieu et d’eux-mêmes«;
und auf ihn folgte bald ein Philipp der Schöne, der einen wider-
spenstigen pontifex einfach gefangen nehmen liess und dessen Nach-
folger zwang, in Frankreich, unter seinen Augen zu residieren und
die gewünschten gallikanischen Privilegien zu bestätigen. Der Kampf
ist hier ein anderer als der zwischen Kaiser und Papst: denn die
Fürsten bestreiten das Existenzrecht des römischen Universalismus; in
weltlichen Dingen wollen sie vollkommen unabhängig und in kirch-
lichen Dingen die Herren im eigenen Lande sein. Hinfürder musste
der Vertreter der römischen Hierokratie auch in seinen glanzvollen
Tagen mühsam lavieren und, um sich die Glaubensdinge möglichst
unterthan zu halten, seine politischen Ansprüche einen nach dem
andern (einstweilen) preisgeben; dem sogenannten »römischen Kaiser
deutscher Nation« (wohl die blödsinnigste contradictio in adjecto, die
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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899, S. 668. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen02_1899/147>, abgerufen am 22.11.2024.
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