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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.

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Der Kampf.
merkenswert sind solche Dinge, wie z. B. die Unmöglichkeit, den
alten Germanen den Begriff "Teufel" beizubringen; Mammon über-
setzte Wulfila mit "Viehgedräng", doch Beelzebub und Satan musste
er unübersetzt lassen.1) Die glücklichen Menschen! Und wie viel
giebt das zu denken, wenn man sich an die jüdische Religion der
Furcht und an des Basken Loyola stete Betonung von Teufel und
Hölle erinnert!2) Andere Dinge wieder besitzen rein historisches
Interesse, wie z. B. die Thatsache, dass die Germanen kein berufs-
mässiges Priestertum besassen, jegliche Theokratie ihnen folglich fremd
war, was übrigens, wie Wietersheim zeigt, das Eindringen des römischen
Christentums sehr erleichtert hat.3) Doch will ich diese Nachforschungen
über angeborene Religionsrichtungen dem Leser überlassen, damit mir
noch der nötige Raum bleibt, um über die dritte grosse Macht
im Kampfe noch einiges vorbringen zu können in Ergänzung dessen,
was bei Besprechung von Ost und Nord schon angedeutet werden
musste.

Rom.

Die Kraft Rom's lag vor Allem in der Fortdauer des Imperium-
gedankens, ja, ursprünglich in der thatsächlichen Fortdauer der kaiser-
lichen Gewalt. Ein heidnischer Kaiser war es, wie wir gesehen haben
(S. 572), der zuerst eine Streitigkeit zwischen Christen dadurch entschied,

fragte ich die ehrwürdigen Herren, wie der Himmel eine "kleinere" Lüge bestrafe:
"sieben Jahre Fegfeuer!" war die sofortige einstimmige Antwort, "doch Ihr seid
ein Wohlthäter von Assisi, es wird Euch vieles erlassen werden." -- Interessant
ist es zu sehen, wie die Westgoten bereits im 6. Jahrhundert gegen "die Unordnung
im Busswesen, dass man nach Belieben sündigt und immer wieder vom Priester
die Rekonciliation verlangt" ankämpfen (Hefele: a. a. O., III, 51): immer wieder
Symptome des Kampfes der Germanen gegen eine innerlich fremde Religion.
Einzelheiten über den Tarif für Ablass an Geld oder an Geisselhieben kurz vor dem
ersten Kreuzzug findet man in Gibbon's Roman Empire, Kap. LVIII.
1) Lamprecht: a. a. O., S. 359.
2) Siehe S. 228 und 525. Dieser timor servilis blieb auch fernerhin die Grund-
veste aller Religion in Loyola's Orden. Sehr unterhaltend ist in dieser Beziehung ein
von Parkman: Die Jesuiten in Nord-Amerika, S. 148, mitgeteilter Brief eines kana-
densischen Jesuiten, der für seine junge Gemeinde Bilder bestellt: 1 Christus, 1 ame
bienheureuse,
mehrere heilige Jungfrauen, eine ganze Auswahl verdammter Seelen!
Man wird hierbei an die von Tylor (Anfänge der Kultur, II, 337) erzählte Anekdote
erinnert. Ein Missionär disputierte mit einem Indianerhäuptling und sagte ihm:
"Mein Gott ist gut, aber er bestraft die Gottlosen"; worauf der Indianer entgegnete:
"Mein Gott ist auch gut, aber er bestraft Niemanden, zufrieden damit, Allen Gutes
zu thun".
3) Völkerwanderung, 2. Ausgabe, II, 55.

Der Kampf.
merkenswert sind solche Dinge, wie z. B. die Unmöglichkeit, den
alten Germanen den Begriff »Teufel« beizubringen; Mammon über-
setzte Wulfila mit »Viehgedräng«, doch Beelzebub und Satan musste
er unübersetzt lassen.1) Die glücklichen Menschen! Und wie viel
giebt das zu denken, wenn man sich an die jüdische Religion der
Furcht und an des Basken Loyola stete Betonung von Teufel und
Hölle erinnert!2) Andere Dinge wieder besitzen rein historisches
Interesse, wie z. B. die Thatsache, dass die Germanen kein berufs-
mässiges Priestertum besassen, jegliche Theokratie ihnen folglich fremd
war, was übrigens, wie Wietersheim zeigt, das Eindringen des römischen
Christentums sehr erleichtert hat.3) Doch will ich diese Nachforschungen
über angeborene Religionsrichtungen dem Leser überlassen, damit mir
noch der nötige Raum bleibt, um über die dritte grosse Macht
im Kampfe noch einiges vorbringen zu können in Ergänzung dessen,
was bei Besprechung von Ost und Nord schon angedeutet werden
musste.

Rom.

Die Kraft Rom’s lag vor Allem in der Fortdauer des Imperium-
gedankens, ja, ursprünglich in der thatsächlichen Fortdauer der kaiser-
lichen Gewalt. Ein heidnischer Kaiser war es, wie wir gesehen haben
(S. 572), der zuerst eine Streitigkeit zwischen Christen dadurch entschied,

fragte ich die ehrwürdigen Herren, wie der Himmel eine »kleinere« Lüge bestrafe:
»sieben Jahre Fegfeuer!« war die sofortige einstimmige Antwort, »doch Ihr seid
ein Wohlthäter von Assisi, es wird Euch vieles erlassen werden.« — Interessant
ist es zu sehen, wie die Westgoten bereits im 6. Jahrhundert gegen »die Unordnung
im Busswesen, dass man nach Belieben sündigt und immer wieder vom Priester
die Rekonciliation verlangt« ankämpfen (Hefele: a. a. O., III, 51): immer wieder
Symptome des Kampfes der Germanen gegen eine innerlich fremde Religion.
Einzelheiten über den Tarif für Ablass an Geld oder an Geisselhieben kurz vor dem
ersten Kreuzzug findet man in Gibbon’s Roman Empire, Kap. LVIII.
1) Lamprecht: a. a. O., S. 359.
2) Siehe S. 228 und 525. Dieser timor servilis blieb auch fernerhin die Grund-
veste aller Religion in Loyola’s Orden. Sehr unterhaltend ist in dieser Beziehung ein
von Parkman: Die Jesuiten in Nord-Amerika, S. 148, mitgeteilter Brief eines kana-
densischen Jesuiten, der für seine junge Gemeinde Bilder bestellt: 1 Christus, 1 âme
bienheureuse,
mehrere heilige Jungfrauen, eine ganze Auswahl verdammter Seelen!
Man wird hierbei an die von Tylor (Anfänge der Kultur, II, 337) erzählte Anekdote
erinnert. Ein Missionär disputierte mit einem Indianerhäuptling und sagte ihm:
»Mein Gott ist gut, aber er bestraft die Gottlosen«; worauf der Indianer entgegnete:
»Mein Gott ist auch gut, aber er bestraft Niemanden, zufrieden damit, Allen Gutes
zu thun«.
3) Völkerwanderung, 2. Ausgabe, II, 55.
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[626/0105] Der Kampf. merkenswert sind solche Dinge, wie z. B. die Unmöglichkeit, den alten Germanen den Begriff »Teufel« beizubringen; Mammon über- setzte Wulfila mit »Viehgedräng«, doch Beelzebub und Satan musste er unübersetzt lassen. 1) Die glücklichen Menschen! Und wie viel giebt das zu denken, wenn man sich an die jüdische Religion der Furcht und an des Basken Loyola stete Betonung von Teufel und Hölle erinnert! 2) Andere Dinge wieder besitzen rein historisches Interesse, wie z. B. die Thatsache, dass die Germanen kein berufs- mässiges Priestertum besassen, jegliche Theokratie ihnen folglich fremd war, was übrigens, wie Wietersheim zeigt, das Eindringen des römischen Christentums sehr erleichtert hat. 3) Doch will ich diese Nachforschungen über angeborene Religionsrichtungen dem Leser überlassen, damit mir noch der nötige Raum bleibt, um über die dritte grosse Macht im Kampfe noch einiges vorbringen zu können in Ergänzung dessen, was bei Besprechung von Ost und Nord schon angedeutet werden musste. Die Kraft Rom’s lag vor Allem in der Fortdauer des Imperium- gedankens, ja, ursprünglich in der thatsächlichen Fortdauer der kaiser- lichen Gewalt. Ein heidnischer Kaiser war es, wie wir gesehen haben (S. 572), der zuerst eine Streitigkeit zwischen Christen dadurch entschied, 3) 1) Lamprecht: a. a. O., S. 359. 2) Siehe S. 228 und 525. Dieser timor servilis blieb auch fernerhin die Grund- veste aller Religion in Loyola’s Orden. Sehr unterhaltend ist in dieser Beziehung ein von Parkman: Die Jesuiten in Nord-Amerika, S. 148, mitgeteilter Brief eines kana- densischen Jesuiten, der für seine junge Gemeinde Bilder bestellt: 1 Christus, 1 âme bienheureuse, mehrere heilige Jungfrauen, eine ganze Auswahl verdammter Seelen! Man wird hierbei an die von Tylor (Anfänge der Kultur, II, 337) erzählte Anekdote erinnert. Ein Missionär disputierte mit einem Indianerhäuptling und sagte ihm: »Mein Gott ist gut, aber er bestraft die Gottlosen«; worauf der Indianer entgegnete: »Mein Gott ist auch gut, aber er bestraft Niemanden, zufrieden damit, Allen Gutes zu thun«. 3) Völkerwanderung, 2. Ausgabe, II, 55. 3) fragte ich die ehrwürdigen Herren, wie der Himmel eine »kleinere« Lüge bestrafe: »sieben Jahre Fegfeuer!« war die sofortige einstimmige Antwort, »doch Ihr seid ein Wohlthäter von Assisi, es wird Euch vieles erlassen werden.« — Interessant ist es zu sehen, wie die Westgoten bereits im 6. Jahrhundert gegen »die Unordnung im Busswesen, dass man nach Belieben sündigt und immer wieder vom Priester die Rekonciliation verlangt« ankämpfen (Hefele: a. a. O., III, 51): immer wieder Symptome des Kampfes der Germanen gegen eine innerlich fremde Religion. Einzelheiten über den Tarif für Ablass an Geld oder an Geisselhieben kurz vor dem ersten Kreuzzug findet man in Gibbon’s Roman Empire, Kap. LVIII.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen02_1899/105>, abgerufen am 22.11.2024.