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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Der Eintritt der Germanen in die Weltgeschichte.

Der Kampf gegen das Germanische hat sich in einem der ausserIgnatius
von Loyola.

ordentlichsten Männer der Geschichte gewissermassen verkörpert; hier
wie anderwärts hat eine einzige grosse Persönlichkeit durch ihr Beispiel
und durch die Summe von Lebenskraft, die sie in die Welt setzte,
mehr vermocht als alle vielköpfigen Konzilien und alle feierlichen Be-
schlüsse grosser Körperschaften. Und es ist gut, seinen Feind vor sich
in einer Gestalt zu sehen, welche Achtung verdient, sonst kann Hass
oder Geringschätzung das Urteil leicht trüben. Ich wüsste nicht, wer
berechtigt wäre, Ignatius von Loyola aufrichtige Anerkennung zu ver-
sagen. Er erträgt physische Schmerzen wie ein Held,1) ist moralisch
ebenso furchtlos, sein Wille ist eisern, sein Thun zielbewusst, sein
Denken durch keine Gelehrsamkeit und Künstelei verdorben; er
ist ein scharfsinniger, praktischer Mann, der nie über Kleinigkeiten
stolpert und dennoch seiner Wirksamkeit gerade dadurch eine ferne
Zukunft sichert, dass er stets die Bedürfnisse des Augenblicks als
Grundlage seines Wirkens ergreift und ausnutzt; dazu selbstlos, ein
Feind aller Phrasen, nicht eine Spur Komödiant; ein Soldat und ein
Edelmann, der das Priestertum zu seinen Zwecken eher gebraucht,
als ihm seinem Wesen nach jemals angehört. Dieser Mann nun war
ein Baske; nicht allein war er in dem rein baskischen Teile Spaniens
geboren, sondern seine Biographen versichern, er sei aus echtem,
unvermischtem baskischen Stamme, d. h. also, er gehörte einer
Menschenrasse an, die nicht allein ungermanisch ist, sondern in keinerlei
Verwandtschaft zu der gesamten indoeuropäischen Gruppe steht.2)
In Spanien bildeten seit der keltischen Einwanderung die gemischten
Keltiberer einen Grundteil der Bevölkerung, doch in gewissen nörd-
lichen Teilen blieben bis auf den heutigen Tag die iberischen Basken
unvermischt, und ein solches "echtes Kind des rätselhaften, ver-
schlossenen, thatkräftigen und phantastischen Baskenstammes" soll
Ignatius, eigentlich Innigo, sein.3) Es ist, nebenbei gesagt (als Illustration
für die unvergleichliche Bedeutung von Rasse), höchst bemerkenswert,
dass der Mann, dem die Erhaltung des spezifisch-römischen, anti-
germanischen Einflusses auf Jahrhunderte hinaus zum grössten Teil

1) Sein in einer Schlacht zerschmettertes Bein liess er zweimal nach voll-
endeter Heilung wieder gewaltsam brechen, weil es kürzer als das andere geworden
war und ihn somit zum Kriegsdienst untauglich machte.
2) Siehe Bastian: Das Beständige in den Menschenrassen, S. 110; Peschel:
Völkerkunde, 7. Aufl., S. 539.
3) Gothein: Ignatius von Loyola und die Gegenreformation, 1895, S. 209.
Der Eintritt der Germanen in die Weltgeschichte.

Der Kampf gegen das Germanische hat sich in einem der ausserIgnatius
von Loyola.

ordentlichsten Männer der Geschichte gewissermassen verkörpert; hier
wie anderwärts hat eine einzige grosse Persönlichkeit durch ihr Beispiel
und durch die Summe von Lebenskraft, die sie in die Welt setzte,
mehr vermocht als alle vielköpfigen Konzilien und alle feierlichen Be-
schlüsse grosser Körperschaften. Und es ist gut, seinen Feind vor sich
in einer Gestalt zu sehen, welche Achtung verdient, sonst kann Hass
oder Geringschätzung das Urteil leicht trüben. Ich wüsste nicht, wer
berechtigt wäre, Ignatius von Loyola aufrichtige Anerkennung zu ver-
sagen. Er erträgt physische Schmerzen wie ein Held,1) ist moralisch
ebenso furchtlos, sein Wille ist eisern, sein Thun zielbewusst, sein
Denken durch keine Gelehrsamkeit und Künstelei verdorben; er
ist ein scharfsinniger, praktischer Mann, der nie über Kleinigkeiten
stolpert und dennoch seiner Wirksamkeit gerade dadurch eine ferne
Zukunft sichert, dass er stets die Bedürfnisse des Augenblicks als
Grundlage seines Wirkens ergreift und ausnutzt; dazu selbstlos, ein
Feind aller Phrasen, nicht eine Spur Komödiant; ein Soldat und ein
Edelmann, der das Priestertum zu seinen Zwecken eher gebraucht,
als ihm seinem Wesen nach jemals angehört. Dieser Mann nun war
ein Baske; nicht allein war er in dem rein baskischen Teile Spaniens
geboren, sondern seine Biographen versichern, er sei aus echtem,
unvermischtem baskischen Stamme, d. h. also, er gehörte einer
Menschenrasse an, die nicht allein ungermanisch ist, sondern in keinerlei
Verwandtschaft zu der gesamten indoeuropäischen Gruppe steht.2)
In Spanien bildeten seit der keltischen Einwanderung die gemischten
Keltiberer einen Grundteil der Bevölkerung, doch in gewissen nörd-
lichen Teilen blieben bis auf den heutigen Tag die iberischen Basken
unvermischt, und ein solches »echtes Kind des rätselhaften, ver-
schlossenen, thatkräftigen und phantastischen Baskenstammes« soll
Ignatius, eigentlich Iñigo, sein.3) Es ist, nebenbei gesagt (als Illustration
für die unvergleichliche Bedeutung von Rasse), höchst bemerkenswert,
dass der Mann, dem die Erhaltung des spezifisch-römischen, anti-
germanischen Einflusses auf Jahrhunderte hinaus zum grössten Teil

1) Sein in einer Schlacht zerschmettertes Bein liess er zweimal nach voll-
endeter Heilung wieder gewaltsam brechen, weil es kürzer als das andere geworden
war und ihn somit zum Kriegsdienst untauglich machte.
2) Siehe Bastian: Das Beständige in den Menschenrassen, S. 110; Peschel:
Völkerkunde, 7. Aufl., S. 539.
3) Gothein: Ignatius von Loyola und die Gegenreformation, 1895, S. 209.
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[521/0544] Der Eintritt der Germanen in die Weltgeschichte. Der Kampf gegen das Germanische hat sich in einem der ausser ordentlichsten Männer der Geschichte gewissermassen verkörpert; hier wie anderwärts hat eine einzige grosse Persönlichkeit durch ihr Beispiel und durch die Summe von Lebenskraft, die sie in die Welt setzte, mehr vermocht als alle vielköpfigen Konzilien und alle feierlichen Be- schlüsse grosser Körperschaften. Und es ist gut, seinen Feind vor sich in einer Gestalt zu sehen, welche Achtung verdient, sonst kann Hass oder Geringschätzung das Urteil leicht trüben. Ich wüsste nicht, wer berechtigt wäre, Ignatius von Loyola aufrichtige Anerkennung zu ver- sagen. Er erträgt physische Schmerzen wie ein Held, 1) ist moralisch ebenso furchtlos, sein Wille ist eisern, sein Thun zielbewusst, sein Denken durch keine Gelehrsamkeit und Künstelei verdorben; er ist ein scharfsinniger, praktischer Mann, der nie über Kleinigkeiten stolpert und dennoch seiner Wirksamkeit gerade dadurch eine ferne Zukunft sichert, dass er stets die Bedürfnisse des Augenblicks als Grundlage seines Wirkens ergreift und ausnutzt; dazu selbstlos, ein Feind aller Phrasen, nicht eine Spur Komödiant; ein Soldat und ein Edelmann, der das Priestertum zu seinen Zwecken eher gebraucht, als ihm seinem Wesen nach jemals angehört. Dieser Mann nun war ein Baske; nicht allein war er in dem rein baskischen Teile Spaniens geboren, sondern seine Biographen versichern, er sei aus echtem, unvermischtem baskischen Stamme, d. h. also, er gehörte einer Menschenrasse an, die nicht allein ungermanisch ist, sondern in keinerlei Verwandtschaft zu der gesamten indoeuropäischen Gruppe steht. 2) In Spanien bildeten seit der keltischen Einwanderung die gemischten Keltiberer einen Grundteil der Bevölkerung, doch in gewissen nörd- lichen Teilen blieben bis auf den heutigen Tag die iberischen Basken unvermischt, und ein solches »echtes Kind des rätselhaften, ver- schlossenen, thatkräftigen und phantastischen Baskenstammes« soll Ignatius, eigentlich Iñigo, sein. 3) Es ist, nebenbei gesagt (als Illustration für die unvergleichliche Bedeutung von Rasse), höchst bemerkenswert, dass der Mann, dem die Erhaltung des spezifisch-römischen, anti- germanischen Einflusses auf Jahrhunderte hinaus zum grössten Teil Ignatius von Loyola. 1) Sein in einer Schlacht zerschmettertes Bein liess er zweimal nach voll- endeter Heilung wieder gewaltsam brechen, weil es kürzer als das andere geworden war und ihn somit zum Kriegsdienst untauglich machte. 2) Siehe Bastian: Das Beständige in den Menschenrassen, S. 110; Peschel: Völkerkunde, 7. Aufl., S. 539. 3) Gothein: Ignatius von Loyola und die Gegenreformation, 1895, S. 209.

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 521. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/544>, abgerufen am 23.07.2024.