Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.Die Erben. z. B. darf man sich nicht eine bestimmte Nation, irgend ein Volk,eine Rasse vorstellen, sondern vielmehr eine bunte Agglomeration pseudohethitischer, pseudosemitischer, pseudohellenischer, pseudoper- sischer, pseudoskythischer Bankerte. Leichte Begabung, oft auch eigen- tümliche Schönheit, das, was die Franzosen un charme troublant nennen, ist Bastarden häufig zu eigen; man kann dies heutzutage in Städten, wo, wie in Wien, die verschiedensten Völker sich begegnen, täglich beobachten; zugleich aber kann man auch die eigentümliche Haltlosigkeit, die geringe Widerstandskraft, den Mangel an Charakter, kurz, die moralische Entartung solcher Menschen wahrnehmen. Den Syrier mache ich darum namhaft, weil ich nicht durch wortreiche Aufzählungen, sondern durch Beispiele reden möchte; er aber war das Muster des aus allem völklichen Zusammenhang losgerissenen Bastards; gerade deswegen hat er bis zum Einbruch der Germanen (und noch darüber hinaus) eine grosse Rolle gespielt. Wir finden Syrier auf dem kaiserlichen Throne, Caracalla gehört zu ihnen, und das in Seide und Gold gekleidete, wie eine Tänzerin geschmückte Monstrum, Heliogabalus, wurde direkt aus Syrien importiert; wir finden sie in allen Verwaltungen und Präfekturen; sie, sowie ihr Seitenstück, die afrikanischen Bastarde, reden ein grosses Wort bei der Kodifikation des Rechtes mit und ein geradezu ausschlaggebendes bei der Ausbildung der römischen Universalkirche. Schauen wir uns einen dieser Männer näher an; wir bekommen dadurch sofort ein lebhaftes Bild des damaligen civilisierten Bruchteils Europas und seiner ge- schäftigsten Kulturträger und erhalten somit einen Einblick in die Seele des Völkerchaos. Der Schriftsteller Lucian ist wohl Jedem, wenigstens dem Namen Die Erben. z. B. darf man sich nicht eine bestimmte Nation, irgend ein Volk,eine Rasse vorstellen, sondern vielmehr eine bunte Agglomeration pseudohethitischer, pseudosemitischer, pseudohellenischer, pseudoper- sischer, pseudoskythischer Bankerte. Leichte Begabung, oft auch eigen- tümliche Schönheit, das, was die Franzosen un charme troublant nennen, ist Bastarden häufig zu eigen; man kann dies heutzutage in Städten, wo, wie in Wien, die verschiedensten Völker sich begegnen, täglich beobachten; zugleich aber kann man auch die eigentümliche Haltlosigkeit, die geringe Widerstandskraft, den Mangel an Charakter, kurz, die moralische Entartung solcher Menschen wahrnehmen. Den Syrier mache ich darum namhaft, weil ich nicht durch wortreiche Aufzählungen, sondern durch Beispiele reden möchte; er aber war das Muster des aus allem völklichen Zusammenhang losgerissenen Bastards; gerade deswegen hat er bis zum Einbruch der Germanen (und noch darüber hinaus) eine grosse Rolle gespielt. Wir finden Syrier auf dem kaiserlichen Throne, Caracalla gehört zu ihnen, und das in Seide und Gold gekleidete, wie eine Tänzerin geschmückte Monstrum, Heliogabalus, wurde direkt aus Syrien importiert; wir finden sie in allen Verwaltungen und Präfekturen; sie, sowie ihr Seitenstück, die afrikanischen Bastarde, reden ein grosses Wort bei der Kodifikation des Rechtes mit und ein geradezu ausschlaggebendes bei der Ausbildung der römischen Universalkirche. Schauen wir uns einen dieser Männer näher an; wir bekommen dadurch sofort ein lebhaftes Bild des damaligen civilisierten Bruchteils Europas und seiner ge- schäftigsten Kulturträger und erhalten somit einen Einblick in die Seele des Völkerchaos. Der Schriftsteller Lucian ist wohl Jedem, wenigstens dem Namen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0321" n="298"/><fw place="top" type="header">Die Erben.</fw><lb/> z. B. darf man sich nicht eine bestimmte Nation, irgend ein Volk,<lb/> eine Rasse vorstellen, sondern vielmehr eine bunte Agglomeration<lb/> pseudohethitischer, pseudosemitischer, pseudohellenischer, pseudoper-<lb/> sischer, pseudoskythischer Bankerte. 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Die Erben.
z. B. darf man sich nicht eine bestimmte Nation, irgend ein Volk,
eine Rasse vorstellen, sondern vielmehr eine bunte Agglomeration
pseudohethitischer, pseudosemitischer, pseudohellenischer, pseudoper-
sischer, pseudoskythischer Bankerte. Leichte Begabung, oft auch eigen-
tümliche Schönheit, das, was die Franzosen un charme troublant
nennen, ist Bastarden häufig zu eigen; man kann dies heutzutage in
Städten, wo, wie in Wien, die verschiedensten Völker sich begegnen,
täglich beobachten; zugleich aber kann man auch die eigentümliche
Haltlosigkeit, die geringe Widerstandskraft, den Mangel an Charakter,
kurz, die moralische Entartung solcher Menschen wahrnehmen. Den
Syrier mache ich darum namhaft, weil ich nicht durch wortreiche
Aufzählungen, sondern durch Beispiele reden möchte; er aber war
das Muster des aus allem völklichen Zusammenhang losgerissenen
Bastards; gerade deswegen hat er bis zum Einbruch der Germanen
(und noch darüber hinaus) eine grosse Rolle gespielt. Wir finden
Syrier auf dem kaiserlichen Throne, Caracalla gehört zu ihnen, und
das in Seide und Gold gekleidete, wie eine Tänzerin geschmückte
Monstrum, Heliogabalus, wurde direkt aus Syrien importiert; wir
finden sie in allen Verwaltungen und Präfekturen; sie, sowie ihr
Seitenstück, die afrikanischen Bastarde, reden ein grosses Wort bei der
Kodifikation des Rechtes mit und ein geradezu ausschlaggebendes bei
der Ausbildung der römischen Universalkirche. Schauen wir uns einen
dieser Männer näher an; wir bekommen dadurch sofort ein lebhaftes
Bild des damaligen civilisierten Bruchteils Europas und seiner ge-
schäftigsten Kulturträger und erhalten somit einen Einblick in die
Seele des Völkerchaos.
Der Schriftsteller Lucian ist wohl Jedem, wenigstens dem Namen
nach bekannt; seine ungewöhnliche Begabung zieht unwillkürlich die
Aufmerksamkeit auf ihn. Geboren an den Ufern des Euphrat, unfern der
ersten Ausläufer des taurischen Gebirges (in denen noch energische
Stämme indoeuropäischer Herkunft wohnten), lernt der Knabe neben der
syrischen Landessprache auch griechisch radebrechen. Er zeigt Talent für
Zeichnen und Bildhauerei und wird zu einem Bildhauer in die Lehre ge-
geben, doch erst, nachdem ein Familienconcilium stattgefunden hat, um
zu beraten, wie der Junge am schnellsten zu recht viel Geld kommen
könne. Diese Sorge ums Geld bleibt fortan das ganze Leben hindurch,
trotz der später angehäuften Reichtümer, der Leitstern — — — nein,
das wäre zu schön gesagt, der treibende Impuls dieses begabten
Syriers; in seiner Schrift Nigrinus gesteht er mit beneidenswerter
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