Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.Die Erben. Rundkopf, oder wie die Naturforscher sagen "brachycephal", d. h.mit breitem Schädel, einem Schädel, dessen Breite seiner Länge nahe- kommt.1) Der Beduin dagegen, und mit ihm jeder Semit, der nicht eine starke Vermischung mit fremdem Blut erfahren hat, ist ein ausgesprochener "Dolichocephal". "Lange, schmale Köpfe", schreibt von Luschan, "sind eine hervorragende Eigenschaft der heutigen Beduinen, die wir in gleichem Masse auch für die ältesten Araber in Anspruch nehmen müssten, selbst wenn dies nicht durch zahl- reiche Abbildungen bestätigt würde, die uns glücklicher Weise auf alten ägyptischen Denkmälern erhalten sind."2) Natürlich bleibt es nicht bei diesem einen anatomischen Merkmal; dem runden Kopf entspricht eine gedrungene Gestalt; er ist der Ausdruck einer ganzen, besonderen physiologischen Anlage. Der Schädel ist aber bei der Beurteilung längst vergangener Menschenrassen das bequemste Stück des Knochengerüstes zu vergleichenden Studien, auch das vielsagendste, [Abbildung]
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Langschädel (dolichocephal). [Abbildung]
Rundschädel (brachycephal). (Nach de Mortillet.)1) Der ausgesprochene Langschädel beginnt, wenn das Verhältnis der Breite zur Länge nicht über 75 zu 100, der ausgesprochene Kurzschädel, wenn es 80 oder mehr zu 100 beträgt. Als ich Anthropologie bei Carl Vogt hörte, wurden an uns allen kraniometrische Messungen als Übung vorgenommen; bei dem einen Hörer wurde der seltene Index von 92 konstatiert, d. h. sein Kopf war fast kreis- rund; es war ein Armenier, ein typischer Repräsentant jener syrischen Schädelbildung! 2) F. von Luschan: Die anthropologische Stellung der Juden (Vortrag, ge-
halten in der Allgem. Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft des Jahres 1892). Aus diesem Vortrag, der ausgedehnte Arbeiten kurz zusammen- fasst, werde ich auch im Folgenden mehreres anführen; man findet ihn im Cor- respondenzblatt der betreffenden Gesellschaft für 1892, Nr. 9 und 10. Die Erben. Rundkopf, oder wie die Naturforscher sagen »brachycephal«, d. h.mit breitem Schädel, einem Schädel, dessen Breite seiner Länge nahe- kommt.1) Der Beduin dagegen, und mit ihm jeder Semit, der nicht eine starke Vermischung mit fremdem Blut erfahren hat, ist ein ausgesprochener »Dolichocephal«. »Lange, schmale Köpfe«, schreibt von Luschan, »sind eine hervorragende Eigenschaft der heutigen Beduinen, die wir in gleichem Masse auch für die ältesten Araber in Anspruch nehmen müssten, selbst wenn dies nicht durch zahl- reiche Abbildungen bestätigt würde, die uns glücklicher Weise auf alten ägyptischen Denkmälern erhalten sind.«2) Natürlich bleibt es nicht bei diesem einen anatomischen Merkmal; dem runden Kopf entspricht eine gedrungene Gestalt; er ist der Ausdruck einer ganzen, besonderen physiologischen Anlage. Der Schädel ist aber bei der Beurteilung längst vergangener Menschenrassen das bequemste Stück des Knochengerüstes zu vergleichenden Studien, auch das vielsagendste, [Abbildung]
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Langschädel (dolichocephal). [Abbildung]
Rundschädel (brachycephal). (Nach de Mortillet.)1) Der ausgesprochene Langschädel beginnt, wenn das Verhältnis der Breite zur Länge nicht über 75 zu 100, der ausgesprochene Kurzschädel, wenn es 80 oder mehr zu 100 beträgt. Als ich Anthropologie bei Carl Vogt hörte, wurden an uns allen kraniometrische Messungen als Übung vorgenommen; bei dem einen Hörer wurde der seltene Index von 92 konstatiert, d. h. sein Kopf war fast kreis- rund; es war ein Armenier, ein typischer Repräsentant jener syrischen Schädelbildung! 2) F. von Luschan: Die anthropologische Stellung der Juden (Vortrag, ge-
halten in der Allgem. Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft des Jahres 1892). Aus diesem Vortrag, der ausgedehnte Arbeiten kurz zusammen- fasst, werde ich auch im Folgenden mehreres anführen; man findet ihn im Cor- respondenzblatt der betreffenden Gesellschaft für 1892, Nr. 9 und 10. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0383" n="360"/><fw place="top" type="header">Die Erben.</fw><lb/><hi rendition="#g">Rundkopf,</hi> oder wie die Naturforscher sagen »brachycephal«, d. h.<lb/> mit breitem Schädel, einem Schädel, dessen Breite seiner Länge nahe-<lb/> kommt.<note place="foot" n="1)">Der ausgesprochene Langschädel beginnt, wenn das Verhältnis der<lb/> Breite zur Länge nicht über 75 zu 100, der ausgesprochene Kurzschädel, wenn es<lb/> 80 oder mehr zu 100 beträgt. Als ich Anthropologie bei Carl Vogt hörte, wurden<lb/> an uns allen kraniometrische Messungen als Übung vorgenommen; bei dem einen<lb/> Hörer wurde der seltene Index von 92 konstatiert, d. h. sein Kopf war fast kreis-<lb/> rund; es war ein Armenier, ein typischer Repräsentant jener syrischen Schädelbildung!</note> Der Beduin dagegen, und mit ihm jeder Semit, der nicht<lb/> eine starke Vermischung mit fremdem Blut erfahren hat, ist ein<lb/> ausgesprochener »Dolichocephal«. »Lange, schmale Köpfe«, schreibt<lb/> von Luschan, »sind eine hervorragende Eigenschaft der heutigen<lb/> Beduinen, die wir in gleichem Masse auch für die ältesten Araber<lb/> in Anspruch nehmen müssten, selbst wenn dies nicht durch zahl-<lb/> reiche Abbildungen bestätigt würde, die uns glücklicher Weise auf<lb/> alten ägyptischen Denkmälern erhalten sind.«<note place="foot" n="2)">F. von Luschan: <hi rendition="#i">Die anthropologische Stellung der Juden</hi> (Vortrag, ge-<lb/> halten in der Allgem. Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft<lb/> des Jahres 1892). Aus diesem Vortrag, der ausgedehnte Arbeiten kurz zusammen-<lb/> fasst, werde ich auch im Folgenden mehreres anführen; man findet ihn im <hi rendition="#i">Cor-<lb/> respondenzblatt</hi> der betreffenden Gesellschaft für 1892, Nr. 9 und 10.</note> Natürlich bleibt es<lb/> nicht bei diesem einen anatomischen Merkmal; dem runden Kopf<lb/> entspricht eine gedrungene Gestalt; er ist der Ausdruck einer ganzen,<lb/> besonderen physiologischen Anlage. Der Schädel ist aber bei der<lb/> Beurteilung längst vergangener Menschenrassen das bequemste Stück<lb/> des Knochengerüstes zu vergleichenden Studien, auch das vielsagendste,<lb/><figure><figure><head>Langschädel (dolichocephal).</head></figure><lb/><figure><head>Rundschädel (brachycephal).</head></figure><lb/><head><hi rendition="#c">(Nach de Mortillet.)</hi></head></figure><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [360/0383]
Die Erben.
Rundkopf, oder wie die Naturforscher sagen »brachycephal«, d. h.
mit breitem Schädel, einem Schädel, dessen Breite seiner Länge nahe-
kommt. 1) Der Beduin dagegen, und mit ihm jeder Semit, der nicht
eine starke Vermischung mit fremdem Blut erfahren hat, ist ein
ausgesprochener »Dolichocephal«. »Lange, schmale Köpfe«, schreibt
von Luschan, »sind eine hervorragende Eigenschaft der heutigen
Beduinen, die wir in gleichem Masse auch für die ältesten Araber
in Anspruch nehmen müssten, selbst wenn dies nicht durch zahl-
reiche Abbildungen bestätigt würde, die uns glücklicher Weise auf
alten ägyptischen Denkmälern erhalten sind.« 2) Natürlich bleibt es
nicht bei diesem einen anatomischen Merkmal; dem runden Kopf
entspricht eine gedrungene Gestalt; er ist der Ausdruck einer ganzen,
besonderen physiologischen Anlage. Der Schädel ist aber bei der
Beurteilung längst vergangener Menschenrassen das bequemste Stück
des Knochengerüstes zu vergleichenden Studien, auch das vielsagendste,
[Abbildung
[Abbildung Langschädel (dolichocephal).]
[Abbildung Rundschädel (brachycephal).]
(Nach de Mortillet.)]
1) Der ausgesprochene Langschädel beginnt, wenn das Verhältnis der
Breite zur Länge nicht über 75 zu 100, der ausgesprochene Kurzschädel, wenn es
80 oder mehr zu 100 beträgt. Als ich Anthropologie bei Carl Vogt hörte, wurden
an uns allen kraniometrische Messungen als Übung vorgenommen; bei dem einen
Hörer wurde der seltene Index von 92 konstatiert, d. h. sein Kopf war fast kreis-
rund; es war ein Armenier, ein typischer Repräsentant jener syrischen Schädelbildung!
2) F. von Luschan: Die anthropologische Stellung der Juden (Vortrag, ge-
halten in der Allgem. Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft
des Jahres 1892). Aus diesem Vortrag, der ausgedehnte Arbeiten kurz zusammen-
fasst, werde ich auch im Folgenden mehreres anführen; man findet ihn im Cor-
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Zitationshilfe: | Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/383>, abgerufen am 19.02.2025. |