die Echinen. Zu ihnen kommen aber noch einzelne kleinere Gattungen, wie die Balanen und Tethyen (Ascidien).
Endlich reiht wie erwähnt Aristoteles den Schalthieren noch eine Anzahl "eigenthümlicher Gattungen" an, ohne sie direct zu denselben zu rechnen. Es sind dieselben, aus welchen später die Abtheilung der Zoo- phyten gebildet wurde, Thiere, auf deren zweifelhafte Stellung zwischen dem Thier- und Pflanzenreich Aristoteles hingewiesen hatte, ohne sich jedoch über ihre definitive Stellung auszusprechen. Es sind dies vor- züglich die Holothurien, Seesterne, Akalephen und Schwämme (Aka- lephen nicht im modernen Sinne).
Unverkennbar liegen in dem hier flüchtig skizzirten Systeme die Keime zur Entwickelung der natürlichen Anordnung des Thierreichs, wie sie nach Perioden der stärksten Trübung der Ansichten erst in neue- rer Zeit wieder angestrebt wurde, als man mit neu herzuströmendem Material aristotelische Methodik zu befolgen begann, als man die na- turgemäß in den Beobachtungen bleibenden Lücken auf logisch-inducti- vem Wege zu füllen versuchte, die Untersuchung also da aufnahm, wo sie Aristoteles hatte abbrechen müssen.
Wie die Bestrebungen, genauere Kenntniß der Thierformen und ihres Baues zu erlangen, im Alterthum mit Aristoteles abschlossen, so endet auch die Geschichte der Systematik im Alterthum mit ihm. Die alexandrinische Schule sucht ihn zu commentiren oder zu paraphrasiren. Was aus der Blüthezeit derselben erhalten ist, läßt keinen günstigen Schluß auf die Erfassung wissenschaftlicher Aufgaben ziehn. Bis zum Beginn der römischen Kaiserzeit bewegt sich die zoologische Litteratur, (wenn man überhaupt von einer solchen sprechen kann) nur in Aus- zügen und Commentaren des Aristoteles (Antigonus Carystius, Aristo- phanes von Byzanz, Pompejus Trogus, der von Athenaens citirte Do- rion u. a.)100). Vielfach verwebt mit den Berichten über wunderbare Sachen bieten diese Schriften wenig erfreuliches dar, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Aristoteles vorangegangen war. Aber auch in
100) Der Verlust eines griechisch geschriebenen Werkes des mauritanischen Kö- nigs Juba (starb 23 oder 24 n. Chr.) scheint nach den bei Plinius u. a. vorkom- menden Citaten wirklich zu bedauern zu sein.
Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
die Echinen. Zu ihnen kommen aber noch einzelne kleinere Gattungen, wie die Balanen und Tethyen (Ascidien).
Endlich reiht wie erwähnt Ariſtoteles den Schalthieren noch eine Anzahl „eigenthümlicher Gattungen“ an, ohne ſie direct zu denſelben zu rechnen. Es ſind dieſelben, aus welchen ſpäter die Abtheilung der Zoo- phyten gebildet wurde, Thiere, auf deren zweifelhafte Stellung zwiſchen dem Thier- und Pflanzenreich Ariſtoteles hingewieſen hatte, ohne ſich jedoch über ihre definitive Stellung auszuſprechen. Es ſind dies vor- züglich die Holothurien, Seeſterne, Akalephen und Schwämme (Aka- lephen nicht im modernen Sinne).
Unverkennbar liegen in dem hier flüchtig ſkizzirten Syſteme die Keime zur Entwickelung der natürlichen Anordnung des Thierreichs, wie ſie nach Perioden der ſtärkſten Trübung der Anſichten erſt in neue- rer Zeit wieder angeſtrebt wurde, als man mit neu herzuſtrömendem Material ariſtoteliſche Methodik zu befolgen begann, als man die na- turgemäß in den Beobachtungen bleibenden Lücken auf logiſch-inducti- vem Wege zu füllen verſuchte, die Unterſuchung alſo da aufnahm, wo ſie Ariſtoteles hatte abbrechen müſſen.
Wie die Beſtrebungen, genauere Kenntniß der Thierformen und ihres Baues zu erlangen, im Alterthum mit Ariſtoteles abſchloſſen, ſo endet auch die Geſchichte der Syſtematik im Alterthum mit ihm. Die alexandriniſche Schule ſucht ihn zu commentiren oder zu paraphraſiren. Was aus der Blüthezeit derſelben erhalten iſt, läßt keinen günſtigen Schluß auf die Erfaſſung wiſſenſchaftlicher Aufgaben ziehn. Bis zum Beginn der römiſchen Kaiſerzeit bewegt ſich die zoologiſche Litteratur, (wenn man überhaupt von einer ſolchen ſprechen kann) nur in Aus- zügen und Commentaren des Ariſtoteles (Antigonus Caryſtius, Ariſto- phanes von Byzanz, Pompejus Trogus, der von Athenaens citirte Do- rion u. a.)100). Vielfach verwebt mit den Berichten über wunderbare Sachen bieten dieſe Schriften wenig erfreuliches dar, wenn man ſich vergegenwärtigt, daß Ariſtoteles vorangegangen war. Aber auch in
100) Der Verluſt eines griechiſch geſchriebenen Werkes des mauritaniſchen Kö- nigs Juba (ſtarb 23 oder 24 n. Chr.) ſcheint nach den bei Plinius u. a. vorkom- menden Citaten wirklich zu bedauern zu ſein.
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Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
die Echinen. Zu ihnen kommen aber noch einzelne kleinere Gattungen,
wie die Balanen und Tethyen (Ascidien).
Endlich reiht wie erwähnt Ariſtoteles den Schalthieren noch eine
Anzahl „eigenthümlicher Gattungen“ an, ohne ſie direct zu denſelben zu
rechnen. Es ſind dieſelben, aus welchen ſpäter die Abtheilung der Zoo-
phyten gebildet wurde, Thiere, auf deren zweifelhafte Stellung zwiſchen
dem Thier- und Pflanzenreich Ariſtoteles hingewieſen hatte, ohne ſich
jedoch über ihre definitive Stellung auszuſprechen. Es ſind dies vor-
züglich die Holothurien, Seeſterne, Akalephen und Schwämme (Aka-
lephen nicht im modernen Sinne).
Unverkennbar liegen in dem hier flüchtig ſkizzirten Syſteme die
Keime zur Entwickelung der natürlichen Anordnung des Thierreichs,
wie ſie nach Perioden der ſtärkſten Trübung der Anſichten erſt in neue-
rer Zeit wieder angeſtrebt wurde, als man mit neu herzuſtrömendem
Material ariſtoteliſche Methodik zu befolgen begann, als man die na-
turgemäß in den Beobachtungen bleibenden Lücken auf logiſch-inducti-
vem Wege zu füllen verſuchte, die Unterſuchung alſo da aufnahm, wo
ſie Ariſtoteles hatte abbrechen müſſen.
Wie die Beſtrebungen, genauere Kenntniß der Thierformen und
ihres Baues zu erlangen, im Alterthum mit Ariſtoteles abſchloſſen, ſo
endet auch die Geſchichte der Syſtematik im Alterthum mit ihm. Die
alexandriniſche Schule ſucht ihn zu commentiren oder zu paraphraſiren.
Was aus der Blüthezeit derſelben erhalten iſt, läßt keinen günſtigen
Schluß auf die Erfaſſung wiſſenſchaftlicher Aufgaben ziehn. Bis zum
Beginn der römiſchen Kaiſerzeit bewegt ſich die zoologiſche Litteratur,
(wenn man überhaupt von einer ſolchen ſprechen kann) nur in Aus-
zügen und Commentaren des Ariſtoteles (Antigonus Caryſtius, Ariſto-
phanes von Byzanz, Pompejus Trogus, der von Athenaens citirte Do-
rion u. a.) 100). Vielfach verwebt mit den Berichten über wunderbare
Sachen bieten dieſe Schriften wenig erfreuliches dar, wenn man ſich
vergegenwärtigt, daß Ariſtoteles vorangegangen war. Aber auch in
100) Der Verluſt eines griechiſch geſchriebenen Werkes des mauritaniſchen Kö-
nigs Juba (ſtarb 23 oder 24 n. Chr.) ſcheint nach den bei Plinius u. a. vorkom-
menden Citaten wirklich zu bedauern zu ſein.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/95>, abgerufen am 24.11.2024.
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