Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Zoologische Kenntnisse des Alterthums dem, das Ganze gleich nach vielen Merkmalen einzutheilen (de partibusI, 3. 643b), erhält er größere Abtheilungen, welche ganz nach Art der neueren Systematik durch die Gesammtheit der Lebenserscheinungen charakterisirt sind. Daß ihm dabei noch manche Eigenthümlichkeiten entgiengen, welche der Organisation mehrerer seiner Gattungen ge- meinsam waren, darf nicht überraschen. Es konnte z. B. die Ansicht, daß sich die verschiedenen Formen des Knochen- und Knorpelgerüstes, welche bei Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Fischen vorkommen, nur wie Entwickelungszustände eines gleichmäßig angelegten Apparates zu einander verhalten, erst dann sich bilden, als einerseits ein reicheres Material einzelner Skeletformen in ausgiebigem Detail, andrerseits die Entwickelung des Knochengerüstes bekannt geworden war. Ferner darf man nicht erwarten, Thiergruppen in seinem System sicher unterge- bracht, ja nur einigermaßen eingehend geschildert zu finden, deren Kör- perform, Bau und Lebensweise erst durch weiter entwickelte Untersu- chungsmethoden erschlossen werden konnte. Es werden hier besonders die niederen Formen der Wirbellosen gemeint, welche nach Aristoteles selbst einen Uebergang von den Pflanzen zu den Thieren darstellen, welche er aber nicht in eine große Gattung zusammenfaßt, sondern als Anhang zu seiner untersten Gruppe, der der Schalthiere, betrachtete. Die einzelnen von ihm angenommenen großen Gattungen (Classen) a)Die lebendig gebärenden Vierfüßer, die jetzigen 97) Die einzige Stelle, wo Aristoteles die Robbe zu den Walen
bringt: "die mit Haaren bedeckten Thiere, z. B. der Mensch und das Pferd, und die Wale, wie der Delphin, die Robbe und die Phalaena" (Hist. anim. III, 20, 99) will Meyer so lesen, daß er "kai phokm" versetzt und hinter das vorausgehende kai ippos, zu denen bringt, osa te trikhas ekhei. In zwei Leipziger Handschriften des Wilhelm von Moerbeke steht: sicut delphis et balaena et bos marinus; in einer Hand- schrift des Michael Scotus dagegen findet sich nur:..pilos habent sicut homo et equus, et cete sicut delphinus et kolli (soll koki heißen) Albertus Magnus sagt in dem dieser Stelle entsprechenden Abschnitt im 3. Buch, (Opera ed. Jammy, T. VI. p. 150b): pilos autem habet homo et equus et hujusmodi;.. adhuc Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums dem, das Ganze gleich nach vielen Merkmalen einzutheilen (de partibusI, 3. 643b), erhält er größere Abtheilungen, welche ganz nach Art der neueren Syſtematik durch die Geſammtheit der Lebenserſcheinungen charakteriſirt ſind. Daß ihm dabei noch manche Eigenthümlichkeiten entgiengen, welche der Organiſation mehrerer ſeiner Gattungen ge- meinſam waren, darf nicht überraſchen. Es konnte z. B. die Anſicht, daß ſich die verſchiedenen Formen des Knochen- und Knorpelgerüſtes, welche bei Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Fiſchen vorkommen, nur wie Entwickelungszuſtände eines gleichmäßig angelegten Apparates zu einander verhalten, erſt dann ſich bilden, als einerſeits ein reicheres Material einzelner Skeletformen in ausgiebigem Detail, andrerſeits die Entwickelung des Knochengerüſtes bekannt geworden war. Ferner darf man nicht erwarten, Thiergruppen in ſeinem Syſtem ſicher unterge- bracht, ja nur einigermaßen eingehend geſchildert zu finden, deren Kör- perform, Bau und Lebensweiſe erſt durch weiter entwickelte Unterſu- chungsmethoden erſchloſſen werden konnte. Es werden hier beſonders die niederen Formen der Wirbelloſen gemeint, welche nach Ariſtoteles ſelbſt einen Uebergang von den Pflanzen zu den Thieren darſtellen, welche er aber nicht in eine große Gattung zuſammenfaßt, ſondern als Anhang zu ſeiner unterſten Gruppe, der der Schalthiere, betrachtete. Die einzelnen von ihm angenommenen großen Gattungen (Claſſen) a)Die lebendig gebärenden Vierfüßer, die jetzigen 97) Die einzige Stelle, wo Ariſtoteles die Robbe zu den Walen
bringt: „die mit Haaren bedeckten Thiere, z. B. der Menſch und das Pferd, und die Wale, wie der Delphin, die Robbe und die Phalaena“ (Hist. anim. III, 20, 99) will Meyer ſo leſen, daß er „καὶ φώκμ“ verſetzt und hinter das vorausgehende καὶ ἵππος, zu denen bringt, ὅσα τε τρίχας ἔχει. In zwei Leipziger Handſchriften des Wilhelm von Moerbeke ſteht: sicut delphis et balaena et bos marinus; in einer Hand- ſchrift des Michael Scotus dagegen findet ſich nur:..pilos habent sicut homo et equus, et cete sicut delphinus et kolli (ſoll koki heißen) Albertus Magnus ſagt in dem dieſer Stelle entſprechenden Abſchnitt im 3. Buch, (Opera ed. Jammy, T. VI. p. 150b): pilos autem habet homo et equus et hujusmodi;.. adhuc <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0091" n="80"/><fw place="top" type="header">Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums</fw><lb/> dem, das Ganze gleich nach vielen Merkmalen einzutheilen (<hi rendition="#aq">de partibus<lb/> I, 3. 643b</hi>), erhält er größere Abtheilungen, welche ganz nach Art der<lb/> neueren Syſtematik durch die Geſammtheit der Lebenserſcheinungen<lb/> charakteriſirt ſind. Daß ihm dabei noch manche Eigenthümlichkeiten<lb/> entgiengen, welche der Organiſation mehrerer ſeiner Gattungen ge-<lb/> meinſam waren, darf nicht überraſchen. Es konnte z. B. die Anſicht,<lb/> daß ſich die verſchiedenen Formen des Knochen- und Knorpelgerüſtes,<lb/> welche bei Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Fiſchen vorkommen,<lb/> nur wie Entwickelungszuſtände eines gleichmäßig angelegten Apparates<lb/> zu einander verhalten, erſt dann ſich bilden, als einerſeits ein reicheres<lb/> Material einzelner Skeletformen in ausgiebigem Detail, andrerſeits die<lb/> Entwickelung des Knochengerüſtes bekannt geworden war. Ferner darf<lb/> man nicht erwarten, Thiergruppen in ſeinem Syſtem ſicher unterge-<lb/> bracht, ja nur einigermaßen eingehend geſchildert zu finden, deren Kör-<lb/> perform, Bau und Lebensweiſe erſt durch weiter entwickelte Unterſu-<lb/> chungsmethoden erſchloſſen werden konnte. Es werden hier beſonders<lb/> die niederen Formen der Wirbelloſen gemeint, welche nach <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName><lb/> ſelbſt einen Uebergang von den Pflanzen zu den Thieren darſtellen,<lb/> welche er aber nicht in eine große Gattung zuſammenfaßt, ſondern als<lb/> Anhang zu ſeiner unterſten Gruppe, der der Schalthiere, betrachtete.</p><lb/> <p>Die einzelnen von ihm angenommenen großen Gattungen (Claſſen)<lb/> ſind nun folgende:</p><lb/> <p><hi rendition="#i">a</hi>)<hi rendition="#g">Die lebendig gebärenden Vierfüßer</hi>, die jetzigen<lb/> Säugethiere mit Ausſchluß der Walthiere, aber mit Einſchluß der<lb/> Robben <note xml:id="seg2pn_8_1" next="#seg2pn_8_2" place="foot" n="97)">Die einzige Stelle, wo <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> die Robbe zu den Walen<lb/> bringt: „die mit Haaren bedeckten Thiere, z. B. der Menſch und das Pferd, und die Wale, wie<lb/> der Delphin, die Robbe und die Phalaena“ (<hi rendition="#aq">Hist. anim. III, 20, 99</hi>) will <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117562408">Meyer</persName></hi><lb/> ſo leſen, daß er <hi rendition="#aq">„καὶ φώκμ“</hi> verſetzt und hinter das vorausgehende <hi rendition="#aq">καὶ ἵππος,</hi> zu<lb/> denen bringt, <hi rendition="#aq">ὅσα τε τρίχας ἔχει.</hi> In zwei Leipziger Handſchriften des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118633007">Wilhelm<lb/> von Moerbeke</persName> ſteht: <hi rendition="#aq">sicut delphis et balaena et bos marinus;</hi> in einer Hand-<lb/> ſchrift des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118733613">Michael Scotus</persName> dagegen findet ſich nur:..<hi rendition="#aq">pilos habent sicut homo<lb/> et equus, et cete sicut delphinus et kolli</hi> (ſoll <hi rendition="#aq">koki</hi> heißen) <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118637649">Albertus</persName> Magnus<lb/> ſagt in dem dieſer Stelle entſprechenden Abſchnitt im 3. Buch, (<hi rendition="#aq">Opera ed. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/100778941 http://viaf.org/viaf/44655524">Jammy</persName>,<lb/> T. VI. p. 150b)</hi>: <hi rendition="#aq">pilos autem habet homo et equus et hujusmodi;.. adhuc</hi></note>. Sie werden als behaart bezeichnet, haben einhufige,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [80/0091]
Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums
dem, das Ganze gleich nach vielen Merkmalen einzutheilen (de partibus
I, 3. 643b), erhält er größere Abtheilungen, welche ganz nach Art der
neueren Syſtematik durch die Geſammtheit der Lebenserſcheinungen
charakteriſirt ſind. Daß ihm dabei noch manche Eigenthümlichkeiten
entgiengen, welche der Organiſation mehrerer ſeiner Gattungen ge-
meinſam waren, darf nicht überraſchen. Es konnte z. B. die Anſicht,
daß ſich die verſchiedenen Formen des Knochen- und Knorpelgerüſtes,
welche bei Säugethieren, Vögeln, Reptilien und Fiſchen vorkommen,
nur wie Entwickelungszuſtände eines gleichmäßig angelegten Apparates
zu einander verhalten, erſt dann ſich bilden, als einerſeits ein reicheres
Material einzelner Skeletformen in ausgiebigem Detail, andrerſeits die
Entwickelung des Knochengerüſtes bekannt geworden war. Ferner darf
man nicht erwarten, Thiergruppen in ſeinem Syſtem ſicher unterge-
bracht, ja nur einigermaßen eingehend geſchildert zu finden, deren Kör-
perform, Bau und Lebensweiſe erſt durch weiter entwickelte Unterſu-
chungsmethoden erſchloſſen werden konnte. Es werden hier beſonders
die niederen Formen der Wirbelloſen gemeint, welche nach Ariſtoteles
ſelbſt einen Uebergang von den Pflanzen zu den Thieren darſtellen,
welche er aber nicht in eine große Gattung zuſammenfaßt, ſondern als
Anhang zu ſeiner unterſten Gruppe, der der Schalthiere, betrachtete.
Die einzelnen von ihm angenommenen großen Gattungen (Claſſen)
ſind nun folgende:
a)Die lebendig gebärenden Vierfüßer, die jetzigen
Säugethiere mit Ausſchluß der Walthiere, aber mit Einſchluß der
Robben 97). Sie werden als behaart bezeichnet, haben einhufige,
97) Die einzige Stelle, wo Ariſtoteles die Robbe zu den Walen
bringt: „die mit Haaren bedeckten Thiere, z. B. der Menſch und das Pferd, und die Wale, wie
der Delphin, die Robbe und die Phalaena“ (Hist. anim. III, 20, 99) will Meyer
ſo leſen, daß er „καὶ φώκμ“ verſetzt und hinter das vorausgehende καὶ ἵππος, zu
denen bringt, ὅσα τε τρίχας ἔχει. In zwei Leipziger Handſchriften des Wilhelm
von Moerbeke ſteht: sicut delphis et balaena et bos marinus; in einer Hand-
ſchrift des Michael Scotus dagegen findet ſich nur:..pilos habent sicut homo
et equus, et cete sicut delphinus et kolli (ſoll koki heißen) Albertus Magnus
ſagt in dem dieſer Stelle entſprechenden Abſchnitt im 3. Buch, (Opera ed. Jammy,
T. VI. p. 150b): pilos autem habet homo et equus et hujusmodi;.. adhuc
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