Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Zoologische Kenntnisse des Alterthums. Wenn nun aber auch zugegeben werden muß, daß diese Zurück- Fragt man nun nach den Quellen, aus denen Aristoteles geschöpft 86) Von den fünfzig Büchern, welche Plinius, oder den siebzig, welche Anti- gonus Carystius anführt, sind nur wenige erhalten, und manches davon sicher nicht mehr in der ursprünglichen Form. 87) A. von Humboldt hat entschieden Recht, daß in den Schriften des Ari-
stoteles nichts vorkomme, was auf Selbstbeobachtung oder gar Zergliederung des Elefanten zu schließen nöthigte (Kosmos, 2. Bd. S. 428), wenngleich freilich andrerseits auch die Unmöglichkeit solcher nicht zu beweisen ist. Die Angaben über das Schlafen des Elefanten, die schwankenden Angaben über die Zeit der Ge- schlechtsreife desselben machen indeß Humboldt's Ansicht eher wahrscheinlich. Für den Strauß gilt dasselbe; die drei Stellen, wo Aristoteles denselben erwähnt (de partibus, IV, 14. 697b, de gener. anim. III, 1. 5., hist. anim. IX, 15. 88) lassen nicht mit Gewißheit auf eigne Anschauung schließen. Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums. Wenn nun aber auch zugegeben werden muß, daß dieſe Zurück- Fragt man nun nach den Quellen, aus denen Ariſtoteles geſchöpft 86) Von den fünfzig Büchern, welche Plinius, oder den ſiebzig, welche Anti- gonus Caryſtius anführt, ſind nur wenige erhalten, und manches davon ſicher nicht mehr in der urſprünglichen Form. 87) A. von Humboldt hat entſchieden Recht, daß in den Schriften des Ari-
ſtoteles nichts vorkomme, was auf Selbſtbeobachtung oder gar Zergliederung des Elefanten zu ſchließen nöthigte (Kosmos, 2. Bd. S. 428), wenngleich freilich andrerſeits auch die Unmöglichkeit ſolcher nicht zu beweiſen iſt. Die Angaben über das Schlafen des Elefanten, die ſchwankenden Angaben über die Zeit der Ge- ſchlechtsreife deſſelben machen indeß Humboldt's Anſicht eher wahrſcheinlich. Für den Strauß gilt daſſelbe; die drei Stellen, wo Ariſtoteles denſelben erwähnt (de partibus, IV, 14. 697b, de gener. anim. III, 1. 5., hist. anim. IX, 15. 88) laſſen nicht mit Gewißheit auf eigne Anſchauung ſchließen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0079" n="68"/> <fw place="top" type="header">Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.</fw><lb/> <p>Wenn nun aber auch zugegeben werden muß, daß dieſe Zurück-<lb/> führung der ihm gewährten directen oder indirecten Begünſtigungen<lb/> auf ein den damaligen Verhältniſſen entſprechendes Maß nur auf,<lb/> allerdings nicht geringer Wahrſcheinlichkeit beruht, ſo geben doch die<lb/> auf die Jetztzeit noch gekommenen Bruchſtücke ſeiner zoologiſch-ſchrift-<lb/> ſtelleriſchen Thätigkeit<note place="foot" n="86)">Von den fünfzig Büchern, welche <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118595083">Plinius</persName>, oder den ſiebzig, welche <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118503383">Anti-<lb/> gonus Caryſtius</persName> anführt, ſind nur wenige erhalten, und manches davon ſicher nicht<lb/> mehr in der urſprünglichen Form.</note> hinreichende Belege dafür, daß er kaum ein<lb/> Thier ſelbſt geſehen oder zergliedert habe, was nicht dem griechiſch-<lb/> ioniſchen Faunengebiet angehörte oder in dieſes ſchon vor ſeiner Zeit<lb/> eingeführt worden war<note place="foot" n="87)"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118554700">A. <hi rendition="#g">von Humboldt</hi></persName> hat entſchieden Recht, daß in den Schriften des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ari-<lb/> ſtoteles</persName> nichts vorkomme, was auf Selbſtbeobachtung oder gar Zergliederung des<lb/> Elefanten zu ſchließen nöthigte (Kosmos, 2. Bd. S. 428), wenngleich freilich<lb/> andrerſeits auch die Unmöglichkeit ſolcher nicht zu beweiſen iſt. Die Angaben über<lb/> das Schlafen des Elefanten, die ſchwankenden Angaben über die Zeit der Ge-<lb/> ſchlechtsreife deſſelben machen indeß <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118554700">Humboldt</persName></hi>'s Anſicht eher wahrſcheinlich. Für<lb/> den Strauß gilt daſſelbe; die drei Stellen, wo <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> denſelben erwähnt (<hi rendition="#aq">de<lb/> partibus, IV, 14. 697b, de gener. anim. III, 1. 5., hist. anim. IX, 15. 88</hi>)<lb/> laſſen nicht mit Gewißheit auf eigne Anſchauung ſchließen.</note>. Zu letzteren gehören beiſpielsweiſe unter<lb/> den Vögeln Perlhuhn, Faſan und Pfau; dagegen hat er den Strauß<lb/> kaum ſelbſt unterſucht, und ſo fort in andern Claſſen.</p><lb/> <p>Fragt man nun nach den Quellen, aus denen <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> geſchöpft<lb/> hat, ſo iſt zunächſt ſeine außerordentliche Beleſenheit, welche aus den<lb/> in dem Früheren angeführten Citaten ſchon ſichtbar wird, zu erwähnen.<lb/> Bei der Wiedergabe von Erzählungen und Meinungen Anderer ver-<lb/> fuhr er mit Kritik, was kaum einem ſeiner antiken Nachfolger nachge-<lb/> rühmt werden kann. Freilich konnte er eben nur den Maßſtab anlegen,<lb/> den ihm neben ſeinem ganzen philoſophiſchen Standpunkte ſeine Zeit<lb/> ermöglichte. Es tritt aber ſeine Skepſis um ſo anerkennenswerther<lb/> hervor, als Spätere trotz der ihnen möglichen eigenen Erfahrung die<lb/> Kritik ganz vernachläſſigten. Dieſelbe Vorſicht zeigte <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> ferner<lb/> den vielfachen mündlichen, und wohl auch brieflichen, Mittheilungen<lb/> gegenüber, welche jedenfalls die Hauptquelle ſeiner zoologiſchen und<lb/> zootomiſchen Kenntniſſe ausmachten. Seine eigenen Unterſuchungen,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [68/0079]
Zoologiſche Kenntniſſe des Alterthums.
Wenn nun aber auch zugegeben werden muß, daß dieſe Zurück-
führung der ihm gewährten directen oder indirecten Begünſtigungen
auf ein den damaligen Verhältniſſen entſprechendes Maß nur auf,
allerdings nicht geringer Wahrſcheinlichkeit beruht, ſo geben doch die
auf die Jetztzeit noch gekommenen Bruchſtücke ſeiner zoologiſch-ſchrift-
ſtelleriſchen Thätigkeit 86) hinreichende Belege dafür, daß er kaum ein
Thier ſelbſt geſehen oder zergliedert habe, was nicht dem griechiſch-
ioniſchen Faunengebiet angehörte oder in dieſes ſchon vor ſeiner Zeit
eingeführt worden war 87). Zu letzteren gehören beiſpielsweiſe unter
den Vögeln Perlhuhn, Faſan und Pfau; dagegen hat er den Strauß
kaum ſelbſt unterſucht, und ſo fort in andern Claſſen.
Fragt man nun nach den Quellen, aus denen Ariſtoteles geſchöpft
hat, ſo iſt zunächſt ſeine außerordentliche Beleſenheit, welche aus den
in dem Früheren angeführten Citaten ſchon ſichtbar wird, zu erwähnen.
Bei der Wiedergabe von Erzählungen und Meinungen Anderer ver-
fuhr er mit Kritik, was kaum einem ſeiner antiken Nachfolger nachge-
rühmt werden kann. Freilich konnte er eben nur den Maßſtab anlegen,
den ihm neben ſeinem ganzen philoſophiſchen Standpunkte ſeine Zeit
ermöglichte. Es tritt aber ſeine Skepſis um ſo anerkennenswerther
hervor, als Spätere trotz der ihnen möglichen eigenen Erfahrung die
Kritik ganz vernachläſſigten. Dieſelbe Vorſicht zeigte Ariſtoteles ferner
den vielfachen mündlichen, und wohl auch brieflichen, Mittheilungen
gegenüber, welche jedenfalls die Hauptquelle ſeiner zoologiſchen und
zootomiſchen Kenntniſſe ausmachten. Seine eigenen Unterſuchungen,
86) Von den fünfzig Büchern, welche Plinius, oder den ſiebzig, welche Anti-
gonus Caryſtius anführt, ſind nur wenige erhalten, und manches davon ſicher nicht
mehr in der urſprünglichen Form.
87) A. von Humboldt hat entſchieden Recht, daß in den Schriften des Ari-
ſtoteles nichts vorkomme, was auf Selbſtbeobachtung oder gar Zergliederung des
Elefanten zu ſchließen nöthigte (Kosmos, 2. Bd. S. 428), wenngleich freilich
andrerſeits auch die Unmöglichkeit ſolcher nicht zu beweiſen iſt. Die Angaben über
das Schlafen des Elefanten, die ſchwankenden Angaben über die Zeit der Ge-
ſchlechtsreife deſſelben machen indeß Humboldt's Anſicht eher wahrſcheinlich. Für
den Strauß gilt daſſelbe; die drei Stellen, wo Ariſtoteles denſelben erwähnt (de
partibus, IV, 14. 697b, de gener. anim. III, 1. 5., hist. anim. IX, 15. 88)
laſſen nicht mit Gewißheit auf eigne Anſchauung ſchließen.
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