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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Kenntniß der Arthropoden.
Jean Pierre 1777-1840) hervorzuheben sind. An sie schließen sich
die Arbeiten über Fortpflanzungserscheinungen. Die schon genannten
Beobachtungen über Blattläuse regten weitere wichtige Untersuchungen
an über jungfräuliche Zeugung und die so merkwürdigen Fortpflan-
zungsverhältnisse bei den Bienen. In beiden Beziehungen verdankt die
Wissenschaft das Meiste den Bemühungen von Siebold's, welcher
nicht bloß das Vorkommen der Parthenogenesis bei Arthropoden durch
sorgfältige Beobachtung der Fälle bei Psychiden sicher stellte, sondern
andrerseits auch jene Theorie des Bienenstaats mit Thatsachen begrün-
dete, welche der sorgfältigste neuere Beobachter desselben, der Pfarrer
in Karlsmark i. Schl. Joh. Dzierzon (geb. 1811), aufgestellt hatte.
-- Hand in Hand mit diesen Bestrebungen, tiefer in die Erkenntniß der
Formen einzudringen, giengen die Fortschritte der Systematik. Für
die Crustaceen waren die Arbeiten von Latreille die wichtigsten;
seinen Anschauungen folgten im Allgemeinen sowohl die früheren Dar-
stellungen der ganzen Classe von L. Aug. Guill. Bosc (1759-1828)
und G. A. Desmarest, als die neueren, von denen das Werk von
H. Milne Edwards Grundlage späterer Forschungen wurde. Die
neuesten Classificationen von Dana und Alph. Milne Edwards
weichen von jener Grundlage wohl nicht zum Vortheil einer schärferen
Umgrenzung und Sichtung der Gruppen ab. Die Gruppen der Arach-
niden hatte gleichfalls Latreille zuerst (1817) richtig bestimmt; die
Theilung nach den Athmungsorganen, deren Deutung später R. Leuckart
berichtigte, ist Grundprincip auch späterer Systeme geblieben. Von
diesen schließt sich für die Haupttheilung der Classe das van der Hoe-
ven
's einem früher von Duges bei den Acarinen
hervorgehobenen
Umstande an, der deutlichen oder verwischten Gliederung einzelner
Körperabschnitte. Auf den systematischen Werth der Augen bei Spinnen
lenkte wieder J. Blackwall, der um die Kenntniß der englischen
Spinnen so verdiente Forscher, die Aufmerksamkeit. In umfassender
Weise stellten Walckenaer und P. Gervais, sowie C. W.
Hahn

(gest. 1836) und C. L. Koch die ganze Classe dar. Von den so über-
aus zahlreichen Arbeiten zur Förderung der Systematik und Kenntniß
einzelner Gruppen und Formen der Insecten ist zunächst die Einleitung

Kenntniß der Arthropoden.
Jean Pierre 1777-1840) hervorzuheben ſind. An ſie ſchließen ſich
die Arbeiten über Fortpflanzungserſcheinungen. Die ſchon genannten
Beobachtungen über Blattläuſe regten weitere wichtige Unterſuchungen
an über jungfräuliche Zeugung und die ſo merkwürdigen Fortpflan-
zungsverhältniſſe bei den Bienen. In beiden Beziehungen verdankt die
Wiſſenſchaft das Meiſte den Bemühungen von Siebold's, welcher
nicht bloß das Vorkommen der Parthenogeneſis bei Arthropoden durch
ſorgfältige Beobachtung der Fälle bei Pſychiden ſicher ſtellte, ſondern
andrerſeits auch jene Theorie des Bienenſtaats mit Thatſachen begrün-
dete, welche der ſorgfältigſte neuere Beobachter deſſelben, der Pfarrer
in Karlsmark i. Schl. Joh. Dzierzon (geb. 1811), aufgeſtellt hatte.
— Hand in Hand mit dieſen Beſtrebungen, tiefer in die Erkenntniß der
Formen einzudringen, giengen die Fortſchritte der Syſtematik. Für
die Cruſtaceen waren die Arbeiten von Latreille die wichtigſten;
ſeinen Anſchauungen folgten im Allgemeinen ſowohl die früheren Dar-
ſtellungen der ganzen Claſſe von L. Aug. Guill. Bosc (1759-1828)
und G. A. Desmareſt, als die neueren, von denen das Werk von
H. Milne Edwards Grundlage ſpäterer Forſchungen wurde. Die
neueſten Claſſificationen von Dana und Alph. Milne Edwards
weichen von jener Grundlage wohl nicht zum Vortheil einer ſchärferen
Umgrenzung und Sichtung der Gruppen ab. Die Gruppen der Arach-
niden hatte gleichfalls Latreille zuerſt (1817) richtig beſtimmt; die
Theilung nach den Athmungsorganen, deren Deutung ſpäter R. Leuckart
berichtigte, iſt Grundprincip auch ſpäterer Syſteme geblieben. Von
dieſen ſchließt ſich für die Haupttheilung der Claſſe das van der Hoe-
ven
's einem früher von Dugès bei den Acarinen
hervorgehobenen
Umſtande an, der deutlichen oder verwiſchten Gliederung einzelner
Körperabſchnitte. Auf den ſyſtematiſchen Werth der Augen bei Spinnen
lenkte wieder J. Blackwall, der um die Kenntniß der engliſchen
Spinnen ſo verdiente Forſcher, die Aufmerkſamkeit. In umfaſſender
Weiſe ſtellten Walckenaer und P. Gervais, ſowie C. W.
Hahn

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[697/0708] Kenntniß der Arthropoden. Jean Pierre 1777-1840) hervorzuheben ſind. An ſie ſchließen ſich die Arbeiten über Fortpflanzungserſcheinungen. Die ſchon genannten Beobachtungen über Blattläuſe regten weitere wichtige Unterſuchungen an über jungfräuliche Zeugung und die ſo merkwürdigen Fortpflan- zungsverhältniſſe bei den Bienen. In beiden Beziehungen verdankt die Wiſſenſchaft das Meiſte den Bemühungen von Siebold's, welcher nicht bloß das Vorkommen der Parthenogeneſis bei Arthropoden durch ſorgfältige Beobachtung der Fälle bei Pſychiden ſicher ſtellte, ſondern andrerſeits auch jene Theorie des Bienenſtaats mit Thatſachen begrün- dete, welche der ſorgfältigſte neuere Beobachter deſſelben, der Pfarrer in Karlsmark i. Schl. Joh. Dzierzon (geb. 1811), aufgeſtellt hatte. — Hand in Hand mit dieſen Beſtrebungen, tiefer in die Erkenntniß der Formen einzudringen, giengen die Fortſchritte der Syſtematik. Für die Cruſtaceen waren die Arbeiten von Latreille die wichtigſten; ſeinen Anſchauungen folgten im Allgemeinen ſowohl die früheren Dar- ſtellungen der ganzen Claſſe von L. Aug. Guill. Bosc (1759-1828) und G. A. Desmareſt, als die neueren, von denen das Werk von H. Milne Edwards Grundlage ſpäterer Forſchungen wurde. Die neueſten Claſſificationen von Dana und Alph. Milne Edwards weichen von jener Grundlage wohl nicht zum Vortheil einer ſchärferen Umgrenzung und Sichtung der Gruppen ab. Die Gruppen der Arach- niden hatte gleichfalls Latreille zuerſt (1817) richtig beſtimmt; die Theilung nach den Athmungsorganen, deren Deutung ſpäter R. Leuckart berichtigte, iſt Grundprincip auch ſpäterer Syſteme geblieben. Von dieſen ſchließt ſich für die Haupttheilung der Claſſe das van der Hoe- ven's einem früher von Dugès bei den Acarinen hervorgehobenen Umſtande an, der deutlichen oder verwiſchten Gliederung einzelner Körperabſchnitte. Auf den ſyſtematiſchen Werth der Augen bei Spinnen lenkte wieder J. Blackwall, der um die Kenntniß der engliſchen Spinnen ſo verdiente Forſcher, die Aufmerkſamkeit. In umfaſſender Weiſe ſtellten Walckenaer und P. Gervais, ſowie C. W. Hahn (geſt. 1836) und C. L. Koch die ganze Claſſe dar. Von den ſo über- aus zahlreichen Arbeiten zur Förderung der Syſtematik und Kenntniß einzelner Gruppen und Formen der Inſecten iſt zunächſt die Einleitung

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 697. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/708>, abgerufen am 04.06.2024.