Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der Morphologie. eher verstanden werden, bis die Grundform der Entwickelung jenerganzen Reihe nachgewiesen war. von Baer hatte zwar, wie erwähnt, histiologische Elemente angenommen, ohne jedoch ihre Lebenserscheinun- gen nach Form und Leistung schärfer zu bestimmen. Bei der Schilde- rung des Pflanzenbaues war man dagegen schon seit langer Zeit von Zellen zu sprechen gewohnt; man kannte die Zusammensetzung der Pflanzen aus Elementartheilen, deren eigentlich lebendige Substanz in einer Membran eingeschlossen lag und welche allgemein Zellen genannt wurden. Johannes Müller machte (1835) auf die Analogie der Zellen der Chorda dorsalis mit den Pflanzenzellen aufmerksam und fügte den ersteren als gleichartige Gewebe noch die Zellen des Glas- körpers, die Pigmentzellen des Auges und die Fettzellen hinzu; auch sah derselbe den Kern der Knorpelzellen. G. Valentin fand den Kern der Epidermiszellen; J. Henle verfolgte den gefäßlosen, zelligen Bau der Epithelien, von denen bereits Purkinje einzelne Formen geschil- dert hatte. Werneck erkannte den Bau der Linse aus Zellen. Nach solchen einzelnen Mittheilungen, welche sämmtlich anzuführen hier nicht der Ort ist, war es für die weitere Ausbildung der Lehre von den Ele- mentartheilen der thierischen Körper von großer Bedeutung, daß für die Lebenserscheinungen der Pflanzenzellen von M. J. Schleiden im Jahre 1838 eine Theorie aufgestellt wurde, welche die Zelle als Ausgangspunkt aller, auch der später nicht zelligen Theile des Pflanzen- körpers nachwies. Es ist das Verdienst Theodor Schwann's30), nicht bloß die einzelnen Beobachtungen über thierische Zellen gesammelt, sondern auch selbst die Entwickelung vieler Gewebe auf die Betheiligung der Zellen dabei untersucht und sämmtliche Thatsachen zu einer Theorie der thierischen Zelle verwerthet zu haben. Er sprach 1839 aus, " daß es ein gemeinsames Entwickelungsprincip für die verschiedensten Elementar- theile der Organismen gibt, und daß die Zellenbildung dieses Ent- wickelungsprincip ist." So richtig im Allgemeinen dieser Ausspruch war, so gieng Schwann doch in zwei Punkten bei seinen theoretischen 30) geb. 1810 in Neuß bei Düsseldorf, war 1834-39 Joh. Müller's Assistent
am anatomischen Museum in Berlin, von 1839-1848 Professor in Löwen und seitdem in Lüttich. Periode der Morphologie. eher verſtanden werden, bis die Grundform der Entwickelung jenerganzen Reihe nachgewieſen war. von Baer hatte zwar, wie erwähnt, hiſtiologiſche Elemente angenommen, ohne jedoch ihre Lebenserſcheinun- gen nach Form und Leiſtung ſchärfer zu beſtimmen. Bei der Schilde- rung des Pflanzenbaues war man dagegen ſchon ſeit langer Zeit von Zellen zu ſprechen gewohnt; man kannte die Zuſammenſetzung der Pflanzen aus Elementartheilen, deren eigentlich lebendige Subſtanz in einer Membran eingeſchloſſen lag und welche allgemein Zellen genannt wurden. Johannes Müller machte (1835) auf die Analogie der Zellen der Chorda dorſalis mit den Pflanzenzellen aufmerkſam und fügte den erſteren als gleichartige Gewebe noch die Zellen des Glas- körpers, die Pigmentzellen des Auges und die Fettzellen hinzu; auch ſah derſelbe den Kern der Knorpelzellen. G. Valentin fand den Kern der Epidermiszellen; J. Henle verfolgte den gefäßloſen, zelligen Bau der Epithelien, von denen bereits Purkinje einzelne Formen geſchil- dert hatte. Werneck erkannte den Bau der Linſe aus Zellen. Nach ſolchen einzelnen Mittheilungen, welche ſämmtlich anzuführen hier nicht der Ort iſt, war es für die weitere Ausbildung der Lehre von den Ele- mentartheilen der thieriſchen Körper von großer Bedeutung, daß für die Lebenserſcheinungen der Pflanzenzellen von M. J. Schleiden im Jahre 1838 eine Theorie aufgeſtellt wurde, welche die Zelle als Ausgangspunkt aller, auch der ſpäter nicht zelligen Theile des Pflanzen- körpers nachwies. Es iſt das Verdienſt Theodor Schwann's30), nicht bloß die einzelnen Beobachtungen über thieriſche Zellen geſammelt, ſondern auch ſelbſt die Entwickelung vieler Gewebe auf die Betheiligung der Zellen dabei unterſucht und ſämmtliche Thatſachen zu einer Theorie der thieriſchen Zelle verwerthet zu haben. Er ſprach 1839 aus, „ daß es ein gemeinſames Entwickelungsprincip für die verſchiedenſten Elementar- theile der Organismen gibt, und daß die Zellenbildung dieſes Ent- wickelungsprincip iſt.“ So richtig im Allgemeinen dieſer Ausſpruch war, ſo gieng Schwann doch in zwei Punkten bei ſeinen theoretiſchen 30) geb. 1810 in Neuß bei Düſſeldorf, war 1834-39 Joh. Müller's Aſſiſtent
am anatomiſchen Muſeum in Berlin, von 1839-1848 Profeſſor in Löwen und ſeitdem in Lüttich. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0641" n="630"/><fw place="top" type="header">Periode der Morphologie.</fw><lb/> eher verſtanden werden, bis die Grundform der Entwickelung jener<lb/> ganzen Reihe nachgewieſen war. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505831">von Baer</persName></hi> hatte zwar, wie erwähnt,<lb/> hiſtiologiſche Elemente angenommen, ohne jedoch ihre Lebenserſcheinun-<lb/> gen nach Form und Leiſtung ſchärfer zu beſtimmen. Bei der Schilde-<lb/> rung des Pflanzenbaues war man dagegen ſchon ſeit langer Zeit von<lb/> Zellen zu ſprechen gewohnt; man kannte die Zuſammenſetzung der<lb/> Pflanzen aus Elementartheilen, deren eigentlich lebendige Subſtanz in<lb/> einer Membran eingeſchloſſen lag und welche allgemein Zellen genannt<lb/> wurden. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118585053">Johannes Müller</persName></hi> machte (1835) auf die Analogie der<lb/> Zellen der Chorda dorſalis mit den Pflanzenzellen aufmerkſam und<lb/> fügte den erſteren als gleichartige Gewebe noch die Zellen des Glas-<lb/> körpers, die Pigmentzellen des Auges und die Fettzellen hinzu; auch<lb/> ſah derſelbe den Kern der Knorpelzellen. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/10404103X">G. <hi rendition="#g">Valentin</hi></persName> fand den Kern<lb/> der Epidermiszellen; <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118549154">J. <hi rendition="#g">Henle</hi></persName> verfolgte den gefäßloſen, zelligen Bau<lb/> der Epithelien, von denen bereits <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118597159">Purkinje</persName></hi> einzelne Formen geſchil-<lb/> dert hatte. <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/104148950">Werneck</persName></hi> erkannte den Bau der Linſe aus Zellen. Nach<lb/> ſolchen einzelnen Mittheilungen, welche ſämmtlich anzuführen hier nicht<lb/> der Ort iſt, war es für die weitere Ausbildung der Lehre von den Ele-<lb/> mentartheilen der thieriſchen Körper von großer Bedeutung, daß für<lb/> die Lebenserſcheinungen der Pflanzenzellen von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118852116">M. J. <hi rendition="#g">Schleiden</hi></persName><lb/> im Jahre 1838 eine Theorie aufgeſtellt wurde, welche die Zelle als<lb/> Ausgangspunkt aller, auch der ſpäter nicht zelligen Theile des Pflanzen-<lb/> körpers nachwies. Es iſt das Verdienſt <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118762834">Theodor Schwann</persName></hi>'s<note place="foot" n="30)">geb. 1810 in Neuß bei Düſſeldorf, war 1834-39 <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118585053">Joh. Müller</persName>'s Aſſiſtent<lb/> am anatomiſchen Muſeum in Berlin, von 1839-1848 Profeſſor in Löwen und<lb/> ſeitdem in Lüttich.</note>,<lb/> nicht bloß die einzelnen Beobachtungen über thieriſche Zellen geſammelt,<lb/> ſondern auch ſelbſt die Entwickelung vieler Gewebe auf die Betheiligung<lb/> der Zellen dabei unterſucht und ſämmtliche Thatſachen zu einer Theorie<lb/> der thieriſchen Zelle verwerthet zu haben. Er ſprach 1839 aus, „ daß es<lb/> ein gemeinſames Entwickelungsprincip für die verſchiedenſten Elementar-<lb/> theile der Organismen gibt, und daß die Zellenbildung dieſes Ent-<lb/> wickelungsprincip iſt.“ So richtig im Allgemeinen dieſer Ausſpruch<lb/> war, ſo gieng <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118762834">Schwann</persName> doch in zwei Punkten bei ſeinen theoretiſchen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [630/0641]
Periode der Morphologie.
eher verſtanden werden, bis die Grundform der Entwickelung jener
ganzen Reihe nachgewieſen war. von Baer hatte zwar, wie erwähnt,
hiſtiologiſche Elemente angenommen, ohne jedoch ihre Lebenserſcheinun-
gen nach Form und Leiſtung ſchärfer zu beſtimmen. Bei der Schilde-
rung des Pflanzenbaues war man dagegen ſchon ſeit langer Zeit von
Zellen zu ſprechen gewohnt; man kannte die Zuſammenſetzung der
Pflanzen aus Elementartheilen, deren eigentlich lebendige Subſtanz in
einer Membran eingeſchloſſen lag und welche allgemein Zellen genannt
wurden. Johannes Müller machte (1835) auf die Analogie der
Zellen der Chorda dorſalis mit den Pflanzenzellen aufmerkſam und
fügte den erſteren als gleichartige Gewebe noch die Zellen des Glas-
körpers, die Pigmentzellen des Auges und die Fettzellen hinzu; auch
ſah derſelbe den Kern der Knorpelzellen. G. Valentin fand den Kern
der Epidermiszellen; J. Henle verfolgte den gefäßloſen, zelligen Bau
der Epithelien, von denen bereits Purkinje einzelne Formen geſchil-
dert hatte. Werneck erkannte den Bau der Linſe aus Zellen. Nach
ſolchen einzelnen Mittheilungen, welche ſämmtlich anzuführen hier nicht
der Ort iſt, war es für die weitere Ausbildung der Lehre von den Ele-
mentartheilen der thieriſchen Körper von großer Bedeutung, daß für
die Lebenserſcheinungen der Pflanzenzellen von M. J. Schleiden
im Jahre 1838 eine Theorie aufgeſtellt wurde, welche die Zelle als
Ausgangspunkt aller, auch der ſpäter nicht zelligen Theile des Pflanzen-
körpers nachwies. Es iſt das Verdienſt Theodor Schwann's 30),
nicht bloß die einzelnen Beobachtungen über thieriſche Zellen geſammelt,
ſondern auch ſelbſt die Entwickelung vieler Gewebe auf die Betheiligung
der Zellen dabei unterſucht und ſämmtliche Thatſachen zu einer Theorie
der thieriſchen Zelle verwerthet zu haben. Er ſprach 1839 aus, „ daß es
ein gemeinſames Entwickelungsprincip für die verſchiedenſten Elementar-
theile der Organismen gibt, und daß die Zellenbildung dieſes Ent-
wickelungsprincip iſt.“ So richtig im Allgemeinen dieſer Ausſpruch
war, ſo gieng Schwann doch in zwei Punkten bei ſeinen theoretiſchen
30) geb. 1810 in Neuß bei Düſſeldorf, war 1834-39 Joh. Müller's Aſſiſtent
am anatomiſchen Muſeum in Berlin, von 1839-1848 Profeſſor in Löwen und
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