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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Typenlehre. v. Baer.
erwähnen ist. Er rügt mit Recht an der Art, wie Cuvier die Aufstel-
lung der Typen begründet, daß er von den gegliederten Thieren und
den Mollusken (man kann hinzufügen von den Wirbelthieren) außer
dem Typus ihrer Organisation auch einen gewissen Grad der Ausbil-
dung verlangt, eine Forderung, die man nur an die einzelnen Classen
machen sollte." Sehr richtig fügt er hinzu: "die Folge davon ist, daß
alle niedrig organisirten Thiere der strahligen Form anheim fallen, ob-
gleich viele keineswegs strahlig gebaut sind." von Baer stellt nun die
seitdem immer allgemeiner anerkannte und in der neusten Zeit eine
noch größere Bedeutung erhaltende Forderung, daß man die verschie-
denen Organisationstypen von den verschiedenen Stufen der Ausbil-
dung stets unterscheiden müsse. Diesen wichtigen, die Entwickelung der
thierischen Morphologie wesentlich fördernden Satz gründet von Baer
auf folgende, die Bedeutung der Typen eigentlich zum erstenmale scharf
präcisirende Betrachtungen. Alle Verrichtungen des vollkommnen
thierischen Körpers geben zusammen das Leben. Aber die gleichförmige
Gallertsubstanz eines niedersten Thieres lebt gleichfalls in derselben
Fülle der Verrichtungen; dieselben gehen an ihr sämmtlich gleichsam
gemeinschaftlich vor sich. Die erhöhte Entwickelung des thierischen
Körpers besteht nun in der größeren Scheidung und mehr entwickelten
Selbständigkeit dieser Verrichtungen, mit welcher auch eine größere
Differenzirung des Körpers in organische Systeme und dieser Systeme
in einzelne mehr individualisirte Abschnitte verbunden ist. Die Art und
Weise, wie diese Organe des thierischen Körpers unter einander ver-
bunden sind, ist von jener Entwickelung völlig unabhängig, und diese
Art der Verbindung der einzelnen Theile ist das, was wir Typus
nennen. "Jeder Typus kann in höheren und niederen Stufen sich
offenbaren; denn Typus und Entwickelungsstufe zugleich determiniren
erst die einzelne Form. Das gibt also Entwickelungsstufen für jeden
Typus, die hier und da allerdings ziemliche Reihen bilden, doch nicht
in ununterbrochener Folge der Entwickelung und nie durch alle Stufen

das gegenseitige Verhältniß der verschiedenen bleibenden Thierformen, in seinem
Werke Ueber Entwickelungsgeschichte der Thiere. Bd. 1. 1828. S. 206.

Typenlehre. v. Baer.
erwähnen iſt. Er rügt mit Recht an der Art, wie Cuvier die Aufſtel-
lung der Typen begründet, daß er von den gegliederten Thieren und
den Mollusken (man kann hinzufügen von den Wirbelthieren) außer
dem Typus ihrer Organiſation auch einen gewiſſen Grad der Ausbil-
dung verlangt, eine Forderung, die man nur an die einzelnen Claſſen
machen ſollte.“ Sehr richtig fügt er hinzu: „die Folge davon iſt, daß
alle niedrig organiſirten Thiere der ſtrahligen Form anheim fallen, ob-
gleich viele keineswegs ſtrahlig gebaut ſind.“ von Baer ſtellt nun die
ſeitdem immer allgemeiner anerkannte und in der neuſten Zeit eine
noch größere Bedeutung erhaltende Forderung, daß man die verſchie-
denen Organiſationstypen von den verſchiedenen Stufen der Ausbil-
dung ſtets unterſcheiden müſſe. Dieſen wichtigen, die Entwickelung der
thieriſchen Morphologie weſentlich fördernden Satz gründet von Baer
auf folgende, die Bedeutung der Typen eigentlich zum erſtenmale ſcharf
präciſirende Betrachtungen. Alle Verrichtungen des vollkommnen
thieriſchen Körpers geben zuſammen das Leben. Aber die gleichförmige
Gallertſubſtanz eines niederſten Thieres lebt gleichfalls in derſelben
Fülle der Verrichtungen; dieſelben gehen an ihr ſämmtlich gleichſam
gemeinſchaftlich vor ſich. Die erhöhte Entwickelung des thieriſchen
Körpers beſteht nun in der größeren Scheidung und mehr entwickelten
Selbſtändigkeit dieſer Verrichtungen, mit welcher auch eine größere
Differenzirung des Körpers in organiſche Syſteme und dieſer Syſteme
in einzelne mehr individualiſirte Abſchnitte verbunden iſt. Die Art und
Weiſe, wie dieſe Organe des thieriſchen Körpers unter einander ver-
bunden ſind, iſt von jener Entwickelung völlig unabhängig, und dieſe
Art der Verbindung der einzelnen Theile iſt das, was wir Typus
nennen. „Jeder Typus kann in höheren und niederen Stufen ſich
offenbaren; denn Typus und Entwickelungsſtufe zugleich determiniren
erſt die einzelne Form. Das gibt alſo Entwickelungsſtufen für jeden
Typus, die hier und da allerdings ziemliche Reihen bilden, doch nicht
in ununterbrochener Folge der Entwickelung und nie durch alle Stufen

das gegenſeitige Verhältniß der verſchiedenen bleibenden Thierformen, in ſeinem
Werke Ueber Entwickelungsgeſchichte der Thiere. Bd. 1. 1828. S. 206.
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[617/0628] Typenlehre. v. Baer. erwähnen iſt. Er rügt mit Recht an der Art, wie Cuvier die Aufſtel- lung der Typen begründet, daß er von den gegliederten Thieren und den Mollusken (man kann hinzufügen von den Wirbelthieren) außer dem Typus ihrer Organiſation auch einen gewiſſen Grad der Ausbil- dung verlangt, eine Forderung, die man nur an die einzelnen Claſſen machen ſollte.“ Sehr richtig fügt er hinzu: „die Folge davon iſt, daß alle niedrig organiſirten Thiere der ſtrahligen Form anheim fallen, ob- gleich viele keineswegs ſtrahlig gebaut ſind.“ von Baer ſtellt nun die ſeitdem immer allgemeiner anerkannte und in der neuſten Zeit eine noch größere Bedeutung erhaltende Forderung, daß man die verſchie- denen Organiſationstypen von den verſchiedenen Stufen der Ausbil- dung ſtets unterſcheiden müſſe. Dieſen wichtigen, die Entwickelung der thieriſchen Morphologie weſentlich fördernden Satz gründet von Baer auf folgende, die Bedeutung der Typen eigentlich zum erſtenmale ſcharf präciſirende Betrachtungen. Alle Verrichtungen des vollkommnen thieriſchen Körpers geben zuſammen das Leben. Aber die gleichförmige Gallertſubſtanz eines niederſten Thieres lebt gleichfalls in derſelben Fülle der Verrichtungen; dieſelben gehen an ihr ſämmtlich gleichſam gemeinſchaftlich vor ſich. Die erhöhte Entwickelung des thieriſchen Körpers beſteht nun in der größeren Scheidung und mehr entwickelten Selbſtändigkeit dieſer Verrichtungen, mit welcher auch eine größere Differenzirung des Körpers in organiſche Syſteme und dieſer Syſteme in einzelne mehr individualiſirte Abſchnitte verbunden iſt. Die Art und Weiſe, wie dieſe Organe des thieriſchen Körpers unter einander ver- bunden ſind, iſt von jener Entwickelung völlig unabhängig, und dieſe Art der Verbindung der einzelnen Theile iſt das, was wir Typus nennen. „Jeder Typus kann in höheren und niederen Stufen ſich offenbaren; denn Typus und Entwickelungsſtufe zugleich determiniren erſt die einzelne Form. Das gibt alſo Entwickelungsſtufen für jeden Typus, die hier und da allerdings ziemliche Reihen bilden, doch nicht in ununterbrochener Folge der Entwickelung und nie durch alle Stufen 23) 23) das gegenſeitige Verhältniß der verſchiedenen bleibenden Thierformen, in ſeinem Werke Ueber Entwickelungsgeſchichte der Thiere. Bd. 1. 1828. S. 206.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 617. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/628>, abgerufen am 22.11.2024.