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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Fortschritte der Systematik und der Kenntniß einzelner Classen.
rung und der Systematik gewidmeten Leistungen machte aber auch die
Anatomie der Fische Fortschritte. Verglichen mit den anatomischen
Notizen, welche die mehr auf Ausbau des Systems gerichteten Arbeiten
enthielten, aber ebenso auch mit Gouan's ausführlicherer Arbeit ist die
Anatomie und Physiologie der Fische von Alexander Monro (geb.
1733, gest. 1817, Sohn des S. 451 genannten Anatomen) als wich-
tiges, sowohl das bis dahin Gefundene sammelndes, als auch auf
selb-
ständigen Untersuchungen beruhendes Werk zu nennen. Es erschien
1785 und in deutscher von J. G. Schneider besorgter und mit Zu-
sätzen von P. Camper bereicherter Uebersetzung 1787. Es sind hier
die älteren Arbeiten von Duvernoy, Lorenzini, Koelreuter u. A. ebenso
wie die Untersuchungen Neuerer, wie Hewson, J. Hunter, in der Ueber-
setzung auch Vicq d'Azyr's, benutzt. Doch finden nicht alle Systeme
gleiche Berücksichtigung; so sind die Kapitel über das Nervensystem,
die Generationsorgane äußerst kurz, und das Skelet und Muskelsystem
sind gar nicht erwähnt. Sehr gut für ihre Zeit ist die angehängte Ana-
tomie eines Seeigels, wogegen die eines Tintenfisches zurücktritt.
Die
Art der bildlichen Darstellung der anatomischen Verhältnisse offenbart
gleichfalls entschiedene Fortschritte. Von Bedeutung ist endlich die Ar-
beit Filippo Cavolini's (1756, gest. 1810) über die Erzeugung
der Fische (u. Krebse), worin er die Befruchtung der Eier außerhalb des
Körpers der Mutter nachweist und mehrere embryologische Mittheilun-
gen macht.

Auch die Gruppe der Mollusken fand erst gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts Bearbeiter, welche die Linne'sche Abtheilung
gleichen Namens richtiger zu erfassen begannen. Pallas' Andeutung
über die Verwandtschaftsverhältnisse mehrerer hierher gehöriger Formen,
welche oben erwähnt wurde, ebenso O. F. Müller's darauf bezügliche
Bemerkungen verhallten ungehört und wurden erst später gewürdigt.
Indessen hatte schon vorher Michael Adanson (geb. 1727, gest.
1806) einen naturgemäßern Standpunkt eingenommen als Linne, in-
sofern er bei seinen Beschreibungen (Reise nach dem Senegal, 1757)
nicht bloß die Schalen, sondern besonders auch das Thier und dessen
sichtbare äußeren Theile sorgfältig berücksichtigte. Er hat allerdings

Fortſchritte der Syſtematik und der Kenntniß einzelner Claſſen.
rung und der Syſtematik gewidmeten Leiſtungen machte aber auch die
Anatomie der Fiſche Fortſchritte. Verglichen mit den anatomiſchen
Notizen, welche die mehr auf Ausbau des Syſtems gerichteten Arbeiten
enthielten, aber ebenſo auch mit Gouan's ausführlicherer Arbeit iſt die
Anatomie und Phyſiologie der Fiſche von Alexander Monro (geb.
1733, geſt. 1817, Sohn des S. 451 genannten Anatomen) als wich-
tiges, ſowohl das bis dahin Gefundene ſammelndes, als auch auf
ſelb-
ſtändigen Unterſuchungen beruhendes Werk zu nennen. Es erſchien
1785 und in deutſcher von J. G. Schneider beſorgter und mit Zu-
ſätzen von P. Camper bereicherter Ueberſetzung 1787. Es ſind hier
die älteren Arbeiten von Duvernoy, Lorenzini, Koelreuter u. A. ebenſo
wie die Unterſuchungen Neuerer, wie Hewſon, J. Hunter, in der Ueber-
ſetzung auch Vicq d'Azyr's, benutzt. Doch finden nicht alle Syſteme
gleiche Berückſichtigung; ſo ſind die Kapitel über das Nervenſyſtem,
die Generationsorgane äußerſt kurz, und das Skelet und Muskelſyſtem
ſind gar nicht erwähnt. Sehr gut für ihre Zeit iſt die angehängte Ana-
tomie eines Seeigels, wogegen die eines Tintenfiſches zurücktritt.
Die
Art der bildlichen Darſtellung der anatomiſchen Verhältniſſe offenbart
gleichfalls entſchiedene Fortſchritte. Von Bedeutung iſt endlich die Ar-
beit Filippo Cavolini's (1756, geſt. 1810) über die Erzeugung
der Fiſche (u. Krebſe), worin er die Befruchtung der Eier außerhalb des
Körpers der Mutter nachweiſt und mehrere embryologiſche Mittheilun-
gen macht.

Auch die Gruppe der Mollusken fand erſt gegen Ende des
vorigen Jahrhunderts Bearbeiter, welche die Linné'ſche Abtheilung
gleichen Namens richtiger zu erfaſſen begannen. Pallas' Andeutung
über die Verwandtſchaftsverhältniſſe mehrerer hierher gehöriger Formen,
welche oben erwähnt wurde, ebenſo O. F. Müller's darauf bezügliche
Bemerkungen verhallten ungehört und wurden erſt ſpäter gewürdigt.
Indeſſen hatte ſchon vorher Michael Adanſon (geb. 1727, geſt.
1806) einen naturgemäßern Standpunkt eingenommen als Linné, in-
ſofern er bei ſeinen Beſchreibungen (Reiſe nach dem Senegal, 1757)
nicht bloß die Schalen, ſondern beſonders auch das Thier und deſſen
ſichtbare äußeren Theile ſorgfältig berückſichtigte. Er hat allerdings

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[555/0566] Fortſchritte der Syſtematik und der Kenntniß einzelner Claſſen. rung und der Syſtematik gewidmeten Leiſtungen machte aber auch die Anatomie der Fiſche Fortſchritte. Verglichen mit den anatomiſchen Notizen, welche die mehr auf Ausbau des Syſtems gerichteten Arbeiten enthielten, aber ebenſo auch mit Gouan's ausführlicherer Arbeit iſt die Anatomie und Phyſiologie der Fiſche von Alexander Monro (geb. 1733, geſt. 1817, Sohn des S. 451 genannten Anatomen) als wich- tiges, ſowohl das bis dahin Gefundene ſammelndes, als auch auf ſelb- ſtändigen Unterſuchungen beruhendes Werk zu nennen. Es erſchien 1785 und in deutſcher von J. G. Schneider beſorgter und mit Zu- ſätzen von P. Camper bereicherter Ueberſetzung 1787. Es ſind hier die älteren Arbeiten von Duvernoy, Lorenzini, Koelreuter u. A. ebenſo wie die Unterſuchungen Neuerer, wie Hewſon, J. Hunter, in der Ueber- ſetzung auch Vicq d'Azyr's, benutzt. Doch finden nicht alle Syſteme gleiche Berückſichtigung; ſo ſind die Kapitel über das Nervenſyſtem, die Generationsorgane äußerſt kurz, und das Skelet und Muskelſyſtem ſind gar nicht erwähnt. Sehr gut für ihre Zeit iſt die angehängte Ana- tomie eines Seeigels, wogegen die eines Tintenfiſches zurücktritt. Die Art der bildlichen Darſtellung der anatomiſchen Verhältniſſe offenbart gleichfalls entſchiedene Fortſchritte. Von Bedeutung iſt endlich die Ar- beit Filippo Cavolini's (1756, geſt. 1810) über die Erzeugung der Fiſche (u. Krebſe), worin er die Befruchtung der Eier außerhalb des Körpers der Mutter nachweiſt und mehrere embryologiſche Mittheilun- gen macht. Auch die Gruppe der Mollusken fand erſt gegen Ende des vorigen Jahrhunderts Bearbeiter, welche die Linné'ſche Abtheilung gleichen Namens richtiger zu erfaſſen begannen. Pallas' Andeutung über die Verwandtſchaftsverhältniſſe mehrerer hierher gehöriger Formen, welche oben erwähnt wurde, ebenſo O. F. Müller's darauf bezügliche Bemerkungen verhallten ungehört und wurden erſt ſpäter gewürdigt. Indeſſen hatte ſchon vorher Michael Adanſon (geb. 1727, geſt. 1806) einen naturgemäßern Standpunkt eingenommen als Linné, in- ſofern er bei ſeinen Beſchreibungen (Reiſe nach dem Senegal, 1757) nicht bloß die Schalen, ſondern beſonders auch das Thier und deſſen ſichtbare äußeren Theile ſorgfältig berückſichtigte. Er hat allerdings

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 555. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/566>, abgerufen am 17.09.2024.