auch den Helminthen eigene Keime zugesprochen werden. Diese sollen in das Blut gelangen und dann an einzelnen Stellen, wo sie passende Bedingungen finden, die dort gelegenen Stoffe zur Entwickelung von Würmern anregen. Deshalb heißen sie seminia und nicht germina117).
Vou einzelnen Formen unterschied man die "breiten" und "runden" Würmer. Wie wenig man aber überhaupt für eine nähere Kenntniß derselben vorbereitet war, beweist einmal Adrian Spigel, welcher die Frage ernsthaft ventilirte, ob der Bandwurm wirklich ein Thier sei118), und beweist auch G. H. Welsch, welcher die Comedonen für Thiere hält. Bei einer bestimmten Behandlungsart derselben sollen sie ihre Köpfe aus den Stellen der Haut hervorstrecken, wo sie sich finden, um dann auf einmal geköpft zu werden. Auch in Bezug auf den Gui- neawurm hält es Welsch für nöthig, alle Möglichkeiten weitschweifig durchzugehen, was das Gebilde etwa sein könnte, und gelangt dann zu dem Schlusse, daß es ein Thier sei, ohne es freilich je selbst gesehen und untersucht zu haben. Ebensowenig der Natur entsprechend ist die Abbildung des "Kopfes" des Bandwurms, welche der oben genannte Nic. Tulpius gibt119), wenngleich schon in der Anerkennung, daß in den bis zu seiner Zeit veröffentlichten Schilderungen des Thieres das- selbe nicht vollständig vorgelegen habe, eine Wendung zur bessern Ein- sicht in die Natur desselben ausgedrückt ist.
Die vorstehenden Bemerkungen zeigen, daß sich zwar die Zahl der bekannten und wenigstens zum Theil sorgfältiger beobachteten Thier- arten langsam und stetig vermehrte, daß aber die Ansichten weder über die allgemeine Systematik, noch über das Verhältniß der einzelnen Glieder größerer Gruppen zu einander sich in einer irgendwie bestimm-
117) Diese Ansicht spricht z. B. Georg Hieron. Welsch in seiner um- fangreichen Abhandlung De vena Medinensi (Augsburg 1674) aus. Er gibt darin eine neue Textesausgabe und Uebersetzung des betreffenden Abschnittes des Avi- cenna mit den ausführlichsten grammatischen, litterarischen und naturphilosophi- schen Anmerkungen. In einem zweiten Theil des Tractats bespricht er die Come- donen als vermes capillares infantum.
118)De lumbrico lato, Patavii, 1618. auch in seinen Opera. Tom. II. Amsterdam, 1645. p. 87.
119)Observationes medicae. Lugdun. 1652. p. 170.
Arbeiten über einzelne Claſſen und Formen.
auch den Helminthen eigene Keime zugeſprochen werden. Dieſe ſollen in das Blut gelangen und dann an einzelnen Stellen, wo ſie paſſende Bedingungen finden, die dort gelegenen Stoffe zur Entwickelung von Würmern anregen. Deshalb heißen ſie seminia und nicht germina117).
Vou einzelnen Formen unterſchied man die „breiten“ und „runden“ Würmer. Wie wenig man aber überhaupt für eine nähere Kenntniß derſelben vorbereitet war, beweiſt einmal Adrian Spigel, welcher die Frage ernſthaft ventilirte, ob der Bandwurm wirklich ein Thier ſei118), und beweiſt auch G. H. Welſch, welcher die Comedonen für Thiere hält. Bei einer beſtimmten Behandlungsart derſelben ſollen ſie ihre Köpfe aus den Stellen der Haut hervorſtrecken, wo ſie ſich finden, um dann auf einmal geköpft zu werden. Auch in Bezug auf den Gui- neawurm hält es Welſch für nöthig, alle Möglichkeiten weitſchweifig durchzugehen, was das Gebilde etwa ſein könnte, und gelangt dann zu dem Schluſſe, daß es ein Thier ſei, ohne es freilich je ſelbſt geſehen und unterſucht zu haben. Ebenſowenig der Natur entſprechend iſt die Abbildung des „Kopfes“ des Bandwurms, welche der oben genannte Nic. Tulpius gibt119), wenngleich ſchon in der Anerkennung, daß in den bis zu ſeiner Zeit veröffentlichten Schilderungen des Thieres daſ- ſelbe nicht vollſtändig vorgelegen habe, eine Wendung zur beſſern Ein- ſicht in die Natur deſſelben ausgedrückt iſt.
Die vorſtehenden Bemerkungen zeigen, daß ſich zwar die Zahl der bekannten und wenigſtens zum Theil ſorgfältiger beobachteten Thier- arten langſam und ſtetig vermehrte, daß aber die Anſichten weder über die allgemeine Syſtematik, noch über das Verhältniß der einzelnen Glieder größerer Gruppen zu einander ſich in einer irgendwie beſtimm-
117) Dieſe Anſicht ſpricht z. B. Georg Hieron. Welſch in ſeiner um- fangreichen Abhandlung De vena Medinensi (Augsburg 1674) aus. Er gibt darin eine neue Textesausgabe und Ueberſetzung des betreffenden Abſchnittes des Avi- cenna mit den ausführlichſten grammatiſchen, litterariſchen und naturphiloſophi- ſchen Anmerkungen. In einem zweiten Theil des Tractats beſpricht er die Come- donen als vermes capillares infantum.
118)De lumbrico lato, Patavii, 1618. auch in ſeinen Opera. Tom. II. Amsterdam, 1645. p. 87.
119)Observationes medicae. Lugdun. 1652. p. 170.
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in das Blut gelangen und dann an einzelnen Stellen, wo ſie paſſende
Bedingungen finden, die dort gelegenen Stoffe zur Entwickelung von
Würmern anregen. Deshalb heißen ſie seminia und nicht germina 117).
Vou einzelnen Formen unterſchied man die „breiten“ und „runden“
Würmer. Wie wenig man aber überhaupt für eine nähere Kenntniß
derſelben vorbereitet war, beweiſt einmal Adrian Spigel, welcher
die Frage ernſthaft ventilirte, ob der Bandwurm wirklich ein Thier
ſei 118), und beweiſt auch G. H. Welſch, welcher die Comedonen für
Thiere hält. Bei einer beſtimmten Behandlungsart derſelben ſollen ſie
ihre Köpfe aus den Stellen der Haut hervorſtrecken, wo ſie ſich finden,
um dann auf einmal geköpft zu werden. Auch in Bezug auf den Gui-
neawurm hält es Welſch für nöthig, alle Möglichkeiten weitſchweifig
durchzugehen, was das Gebilde etwa ſein könnte, und gelangt dann zu
dem Schluſſe, daß es ein Thier ſei, ohne es freilich je ſelbſt geſehen
und unterſucht zu haben. Ebenſowenig der Natur entſprechend iſt die
Abbildung des „Kopfes“ des Bandwurms, welche der oben genannte
Nic. Tulpius gibt 119), wenngleich ſchon in der Anerkennung, daß in
den bis zu ſeiner Zeit veröffentlichten Schilderungen des Thieres daſ-
ſelbe nicht vollſtändig vorgelegen habe, eine Wendung zur beſſern Ein-
ſicht in die Natur deſſelben ausgedrückt iſt.
Die vorſtehenden Bemerkungen zeigen, daß ſich zwar die Zahl der
bekannten und wenigſtens zum Theil ſorgfältiger beobachteten Thier-
arten langſam und ſtetig vermehrte, daß aber die Anſichten weder über
die allgemeine Syſtematik, noch über das Verhältniß der einzelnen
Glieder größerer Gruppen zu einander ſich in einer irgendwie beſtimm-
117) Dieſe Anſicht ſpricht z. B. Georg Hieron. Welſch in ſeiner um-
fangreichen Abhandlung De vena Medinensi (Augsburg 1674) aus. Er gibt darin
eine neue Textesausgabe und Ueberſetzung des betreffenden Abſchnittes des Avi-
cenna mit den ausführlichſten grammatiſchen, litterariſchen und naturphiloſophi-
ſchen Anmerkungen. In einem zweiten Theil des Tractats beſpricht er die Come-
donen als vermes capillares infantum.
118) De lumbrico lato, Patavii, 1618. auch in ſeinen Opera. Tom. II.
Amsterdam, 1645. p. 87.
119) Observationes medicae. Lugdun. 1652. p. 170.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 373. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/384>, abgerufen am 21.06.2024.
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