und einzelne Schilderungen (so z. B. die des Schlachtrosses im Buche Hiob, 39, 19-25) gehören zu den poetischsten und lebendigsten Stücken morgenländischer Dichtung, die auf uns gekommen sind.
In ähnlicher Weise enthält die Schrift des ältesten indischen Lexi- kographen, des Amarakosha, wo man dem Charakter der übrigen in- dischen Litteratur nach noch am ehesten Andeutungen einer wissenschaft- lichen Behandlungsweise des Gegenstandes begegnen zu können ver- muthen möchte, eine Aufzählung von Thiernamen in gewissen Gruppen, welche indessen nicht nach Eigenthümlichkeiten der Thiere selbst, sondern nach ihren verschiedenen Beziehungen zum Menschen bestimmt sind, also ebensowenig wie die Thiergruppen der Bibel einer Eintheilung des Thierreichs im Sinne eines Systems entsprechen. Unmittelbar hinter den Nahrungsmitteln führt Amara-sinha als Hausthiere das Rind, das Kamel, die Ziege, das Schaf, den Esel auf; dann unter den Werkzeugen des Krieges den Elefanten und das Pferd. Dann folgen wilde Thiere, unter welchen das Schwein, der Büffel und der Yak (dessen Schweif seit uralter Zeit im Gebrauche war), die Katze und die Taube neben Löwe, Tiger, Panther, Hyäne stehen. Der Hund wird beim Jäger erwähnt. Den Beschluß bilden Luxusthiere, Affen, Pfauen, Papageyen, der Kokila u. a.25). Im Uebrigen verdiente wohl auch die indische Litteratur, soweit die ungemein schwierige Chronologie es ge- stattet, in Bezug auf eine Geschichte der Thiere einmal sorgfältig durch- gearbeitet zu werden. Um hier nur beiläufig an Einzelnes zu erinnern: es ergibt sich, daß z. B. die Bekanntschaft mit dem Lack-Insecte und der Perlmuschel sehr alt ist, daß man den Byssus der Steckmuschel schon sehr früh zu Geweben verwendete; u. a.26).
Endlich ist wenigstens einer hinweisenden Erwähnung nicht ganz unwerth, daß uns in den ägyptischen und asiatischen Bildwerken die ältesten bildlichen Darstellungen von Thieren begegnen, welche freilich ohne irgend welche zoologische Nebengedanken ganz andern Zwecken zu
25) Vgl. Amarakosha, publie par A. Loiseleur-Deslongchamps. Paris, 1839. P. 1. und Lassen, Indische Alterthumskunde 1. Bd. 2. Aufl. S. 348, 367, 368.
und einzelne Schilderungen (ſo z. B. die des Schlachtroſſes im Buche Hiob, 39, 19-25) gehören zu den poetiſchſten und lebendigſten Stücken morgenländiſcher Dichtung, die auf uns gekommen ſind.
In ähnlicher Weiſe enthält die Schrift des älteſten indiſchen Lexi- kographen, des Amarakoſha, wo man dem Charakter der übrigen in- diſchen Litteratur nach noch am eheſten Andeutungen einer wiſſenſchaft- lichen Behandlungsweiſe des Gegenſtandes begegnen zu können ver- muthen möchte, eine Aufzählung von Thiernamen in gewiſſen Gruppen, welche indeſſen nicht nach Eigenthümlichkeiten der Thiere ſelbſt, ſondern nach ihren verſchiedenen Beziehungen zum Menſchen beſtimmt ſind, alſo ebenſowenig wie die Thiergruppen der Bibel einer Eintheilung des Thierreichs im Sinne eines Syſtems entſprechen. Unmittelbar hinter den Nahrungsmitteln führt Amara-ſinha als Hausthiere das Rind, das Kamel, die Ziege, das Schaf, den Eſel auf; dann unter den Werkzeugen des Krieges den Elefanten und das Pferd. Dann folgen wilde Thiere, unter welchen das Schwein, der Büffel und der Yak (deſſen Schweif ſeit uralter Zeit im Gebrauche war), die Katze und die Taube neben Löwe, Tiger, Panther, Hyäne ſtehen. Der Hund wird beim Jäger erwähnt. Den Beſchluß bilden Luxusthiere, Affen, Pfauen, Papageyen, der Kokila u. a.25). Im Uebrigen verdiente wohl auch die indiſche Litteratur, ſoweit die ungemein ſchwierige Chronologie es ge- ſtattet, in Bezug auf eine Geſchichte der Thiere einmal ſorgfältig durch- gearbeitet zu werden. Um hier nur beiläufig an Einzelnes zu erinnern: es ergibt ſich, daß z. B. die Bekanntſchaft mit dem Lack-Inſecte und der Perlmuſchel ſehr alt iſt, daß man den Byſſus der Steckmuſchel ſchon ſehr früh zu Geweben verwendete; u. a.26).
Endlich iſt wenigſtens einer hinweiſenden Erwähnung nicht ganz unwerth, daß uns in den ägyptiſchen und aſiatiſchen Bildwerken die älteſten bildlichen Darſtellungen von Thieren begegnen, welche freilich ohne irgend welche zoologiſche Nebengedanken ganz andern Zwecken zu
25) Vgl. Amarakosha, publié par A. Loiseleur-Deslongchamps. Paris, 1839. P. 1. und Laſſen, Indiſche Alterthumskunde 1. Bd. 2. Aufl. S. 348, 367, 368.
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4. Schriftquellen der vorclaſſiſchen Zeit.
und einzelne Schilderungen (ſo z. B. die des Schlachtroſſes im Buche
Hiob, 39, 19-25) gehören zu den poetiſchſten und lebendigſten Stücken
morgenländiſcher Dichtung, die auf uns gekommen ſind.
In ähnlicher Weiſe enthält die Schrift des älteſten indiſchen Lexi-
kographen, des Amarakoſha, wo man dem Charakter der übrigen in-
diſchen Litteratur nach noch am eheſten Andeutungen einer wiſſenſchaft-
lichen Behandlungsweiſe des Gegenſtandes begegnen zu können ver-
muthen möchte, eine Aufzählung von Thiernamen in gewiſſen Gruppen,
welche indeſſen nicht nach Eigenthümlichkeiten der Thiere ſelbſt, ſondern
nach ihren verſchiedenen Beziehungen zum Menſchen beſtimmt ſind,
alſo ebenſowenig wie die Thiergruppen der Bibel einer Eintheilung des
Thierreichs im Sinne eines Syſtems entſprechen. Unmittelbar hinter
den Nahrungsmitteln führt Amara-ſinha als Hausthiere das Rind,
das Kamel, die Ziege, das Schaf, den Eſel auf; dann unter den
Werkzeugen des Krieges den Elefanten und das Pferd. Dann folgen
wilde Thiere, unter welchen das Schwein, der Büffel und der Yak
(deſſen Schweif ſeit uralter Zeit im Gebrauche war), die Katze und die
Taube neben Löwe, Tiger, Panther, Hyäne ſtehen. Der Hund wird
beim Jäger erwähnt. Den Beſchluß bilden Luxusthiere, Affen, Pfauen,
Papageyen, der Kokila u. a. 25). Im Uebrigen verdiente wohl auch die
indiſche Litteratur, ſoweit die ungemein ſchwierige Chronologie es ge-
ſtattet, in Bezug auf eine Geſchichte der Thiere einmal ſorgfältig durch-
gearbeitet zu werden. Um hier nur beiläufig an Einzelnes zu erinnern:
es ergibt ſich, daß z. B. die Bekanntſchaft mit dem Lack-Inſecte und
der Perlmuſchel ſehr alt iſt, daß man den Byſſus der Steckmuſchel
ſchon ſehr früh zu Geweben verwendete; u. a. 26).
Endlich iſt wenigſtens einer hinweiſenden Erwähnung nicht ganz
unwerth, daß uns in den ägyptiſchen und aſiatiſchen Bildwerken die
älteſten bildlichen Darſtellungen von Thieren begegnen, welche freilich
ohne irgend welche zoologiſche Nebengedanken ganz andern Zwecken zu
25) Vgl. Amarakosha, publié par A. Loiseleur-Deslongchamps. Paris,
1839. P. 1. und Laſſen, Indiſche Alterthumskunde 1. Bd. 2. Aufl. S. 348,
367, 368.
26) Laſſen, a. a. O. 3. Bd. S. 46 u. a. O.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/36>, abgerufen am 28.01.2025.
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