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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der encyklopädischen Darstellungen.
Anatomie der Thiere verdankt, hängt aber nicht mit dem Eintreten
jener neuen Formen in die Reihe der nun besprochenen Thierarten zu-
sammen, sondern beruht auf einer eingehenderen Untersuchung alter be-
kannter Thiere. Es wurde oben erwähnt, daß die Entdeckungsreisen
vorwiegend aus einem andern Beweggrunde unternommen wurden,
als um die Naturkenntniß zu bereichern. Durch die Schilderungen der
meisten dieser Reisen geht auch in den naturhistorischen Kapiteln ein
anderer Zug, als das Interesse, wichtige zoologische Aufschlüsse zu ge-
ben. War die Reiselust vorzüglich durch die Aussicht auf Entdeckung
von Goldländern angeregt und wach gehalten worden, so ließ die Hoff-
nung, durch neue Pflanzen- und Thierformen den Heilmittelschatz zu
bereichern, die der belebten Natur gewidmete Aufmerksamkeit nicht er-
müden. Wenn daher auf den Titeln meist von einer "Naturgeschichte"
die Rede ist, so bezieht sich dieser Ausdruck doch fast ausschließlich auf
eine medicinische Geschichte der betreffenden Länder. Zuweilen sagte
man dies geradezu heraus. So druckte Clusius in den Exotica eine
Schrift von Nicolas Monardes ab über die aus der neuen Welt herge-
brachten einfachen Heilmittel; und Wilhelm Piso spricht sich in der
Einleitung zu dem den Thieren gewidmeten Buche seines Werkes über
Brasilien dahin aus, daß er (sich offenbar auf die Hippokratischen An-
sichten von Wasser, Luft und Ortslage beziehend) "Fische, Vögel und
Thiere beschreiben wolle, welche zum Nutzen des Menschen verwendet
werden, und zwar nicht sowohl zum Vergnügen oder zur Bewunderung
des Lesers, als vielmehr zum Vortheil der Kranken und Aerzte". Es
ist Sache der speciellen Thiergeschichte, bei jeder Art die Geschichte ihrer
Entdeckung und ihres allmählich genaueren Bekanntwerdens zu ver-
zeichnen, ebenso wie die Erweiterung der faunistischen Kenntniß von
einzelnen Ländern der Beschreibung dieser angehört. Es kann aber
auch hier nicht umgangen werden, wenigstens auf Einzelnes hinzu-
weisen.

Von den Bereicherungen, welche die specielle Thierkenntniß erfuhr,
waren die merkwürdigsten jedenfalls die bis dahin nicht einmal durch
Fabeln in poetischer Form bekannt gewordenen Thiere der neuen Welt.
Hier waren es aber nicht die Entdecker und Eroberer, welche Naturpro-

Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
Anatomie der Thiere verdankt, hängt aber nicht mit dem Eintreten
jener neuen Formen in die Reihe der nun beſprochenen Thierarten zu-
ſammen, ſondern beruht auf einer eingehenderen Unterſuchung alter be-
kannter Thiere. Es wurde oben erwähnt, daß die Entdeckungsreiſen
vorwiegend aus einem andern Beweggrunde unternommen wurden,
als um die Naturkenntniß zu bereichern. Durch die Schilderungen der
meiſten dieſer Reiſen geht auch in den naturhiſtoriſchen Kapiteln ein
anderer Zug, als das Intereſſe, wichtige zoologiſche Aufſchlüſſe zu ge-
ben. War die Reiſeluſt vorzüglich durch die Ausſicht auf Entdeckung
von Goldländern angeregt und wach gehalten worden, ſo ließ die Hoff-
nung, durch neue Pflanzen- und Thierformen den Heilmittelſchatz zu
bereichern, die der belebten Natur gewidmete Aufmerkſamkeit nicht er-
müden. Wenn daher auf den Titeln meiſt von einer „Naturgeſchichte“
die Rede iſt, ſo bezieht ſich dieſer Ausdruck doch faſt ausſchließlich auf
eine mediciniſche Geſchichte der betreffenden Länder. Zuweilen ſagte
man dies geradezu heraus. So druckte Cluſius in den Exotica eine
Schrift von Nicolas Monardes ab über die aus der neuen Welt herge-
brachten einfachen Heilmittel; und Wilhelm Piſo ſpricht ſich in der
Einleitung zu dem den Thieren gewidmeten Buche ſeines Werkes über
Braſilien dahin aus, daß er (ſich offenbar auf die Hippokratiſchen An-
ſichten von Waſſer, Luft und Ortslage beziehend) „Fiſche, Vögel und
Thiere beſchreiben wolle, welche zum Nutzen des Menſchen verwendet
werden, und zwar nicht ſowohl zum Vergnügen oder zur Bewunderung
des Leſers, als vielmehr zum Vortheil der Kranken und Aerzte“. Es
iſt Sache der ſpeciellen Thiergeſchichte, bei jeder Art die Geſchichte ihrer
Entdeckung und ihres allmählich genaueren Bekanntwerdens zu ver-
zeichnen, ebenſo wie die Erweiterung der fauniſtiſchen Kenntniß von
einzelnen Ländern der Beſchreibung dieſer angehört. Es kann aber
auch hier nicht umgangen werden, wenigſtens auf Einzelnes hinzu-
weiſen.

Von den Bereicherungen, welche die ſpecielle Thierkenntniß erfuhr,
waren die merkwürdigſten jedenfalls die bis dahin nicht einmal durch
Fabeln in poetiſcher Form bekannt gewordenen Thiere der neuen Welt.
Hier waren es aber nicht die Entdecker und Eroberer, welche Naturpro-

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[322/0333] Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. Anatomie der Thiere verdankt, hängt aber nicht mit dem Eintreten jener neuen Formen in die Reihe der nun beſprochenen Thierarten zu- ſammen, ſondern beruht auf einer eingehenderen Unterſuchung alter be- kannter Thiere. Es wurde oben erwähnt, daß die Entdeckungsreiſen vorwiegend aus einem andern Beweggrunde unternommen wurden, als um die Naturkenntniß zu bereichern. Durch die Schilderungen der meiſten dieſer Reiſen geht auch in den naturhiſtoriſchen Kapiteln ein anderer Zug, als das Intereſſe, wichtige zoologiſche Aufſchlüſſe zu ge- ben. War die Reiſeluſt vorzüglich durch die Ausſicht auf Entdeckung von Goldländern angeregt und wach gehalten worden, ſo ließ die Hoff- nung, durch neue Pflanzen- und Thierformen den Heilmittelſchatz zu bereichern, die der belebten Natur gewidmete Aufmerkſamkeit nicht er- müden. Wenn daher auf den Titeln meiſt von einer „Naturgeſchichte“ die Rede iſt, ſo bezieht ſich dieſer Ausdruck doch faſt ausſchließlich auf eine mediciniſche Geſchichte der betreffenden Länder. Zuweilen ſagte man dies geradezu heraus. So druckte Cluſius in den Exotica eine Schrift von Nicolas Monardes ab über die aus der neuen Welt herge- brachten einfachen Heilmittel; und Wilhelm Piſo ſpricht ſich in der Einleitung zu dem den Thieren gewidmeten Buche ſeines Werkes über Braſilien dahin aus, daß er (ſich offenbar auf die Hippokratiſchen An- ſichten von Waſſer, Luft und Ortslage beziehend) „Fiſche, Vögel und Thiere beſchreiben wolle, welche zum Nutzen des Menſchen verwendet werden, und zwar nicht ſowohl zum Vergnügen oder zur Bewunderung des Leſers, als vielmehr zum Vortheil der Kranken und Aerzte“. Es iſt Sache der ſpeciellen Thiergeſchichte, bei jeder Art die Geſchichte ihrer Entdeckung und ihres allmählich genaueren Bekanntwerdens zu ver- zeichnen, ebenſo wie die Erweiterung der fauniſtiſchen Kenntniß von einzelnen Ländern der Beſchreibung dieſer angehört. Es kann aber auch hier nicht umgangen werden, wenigſtens auf Einzelnes hinzu- weiſen. Von den Bereicherungen, welche die ſpecielle Thierkenntniß erfuhr, waren die merkwürdigſten jedenfalls die bis dahin nicht einmal durch Fabeln in poetiſcher Form bekannt gewordenen Thiere der neuen Welt. Hier waren es aber nicht die Entdecker und Eroberer, welche Naturpro-

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 322. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/333>, abgerufen am 23.11.2024.