falten. Dann weiter: "Soviel nun von den natürlichen Drachen. Der Hauptdrache ist der Teufel" u. s. f.
Von ungleich größerer wissenschaftlicher Tragweite als die in Vor- stehendem geschilderten Werke, deren Einfluß auf gemüthvolle Menschen gar nicht in Abrede gestellt werden soll, waren doch die Bemühungen, sich über das klar zu werden, was für Thierarten denn eigentlich die biblischen, (besonders die alttestamentlichen) Schriftsteller unter den verschiedenen in der Bibel vorkommenden Namen gemeint haben. Eine lebendige Tradition gab es nicht, welche die Bedeutung solcher Worte, wie Leviathan, Behemoth u. dergl. verständlich erhalten hätte, und die Uebersetzungen sowohl der siebzig Dolmetscher als Luthers giengen doch, wie schon früher beim Physiologus erwähnt werden mußte, häufig sehr auseinander. Die eine Uebersetzung sprach von Schildkröten, wo die andere nur Erdhaufen oder Altäre sehen zu können glaubte, die eine nahm ein Thier für die Hyäne, was die andere für einen sprenklichten Vogel hielt u. s. w. Ungemein natürlich war es da wohl, daß man das Bedürfniß zu fühlen anfieng, einmal gründlich zu untersuchen, was der Sinn der hebräischen Worte sei. Ziemlich reich ist hier die Litteratur über Einzelheiten. So haben in der vorliegenden Periode z. B. über das Einhorn, meist unter Anschluß an 5. Mose, 33, 17, wo das Horn des Einhorns schon von Tertullian als der Stamm des Kreuzes Christi aufgefaßt wurde, sowohl Zoologen als Philologen ge- schrieben, der ältere Kaspar Bartholin, dessen Sohn Thomas Bartholin, der Leipziger Professor Johann Christian Stol- bergk, der 1666 gestorbene Gröninger Professor Anton Deu- sing, endlich der oben schon genannte G. R. Kirchmaier. Es würde zu weit führen, hier diese Schriften im Einzelnen zu verfolgen, zumal eine ähnliche Reichhaltigkeit in Bezug auf Schriften über den Drachen, Basilisken u. a. zu verzeichnen wäre. So fleißig sich aber auch Einzelne mit dieser Aufgabe beschäftigt haben, wie z. B. Kirch- maier, dessen hierauf bezügliche Dissertationen gesammelt an das Sperling'sche Handbuch angehängt wurden, wie Johannes Bustaman- tinus, welcher ein umfangreiches Buch nur über die Reptilien der hei- ligen Schrift verfaßt hat, so wurden diese Bemühungen doch sämmt-
Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
falten. Dann weiter: „Soviel nun von den natürlichen Drachen. Der Hauptdrache iſt der Teufel“ u. ſ. f.
Von ungleich größerer wiſſenſchaftlicher Tragweite als die in Vor- ſtehendem geſchilderten Werke, deren Einfluß auf gemüthvolle Menſchen gar nicht in Abrede geſtellt werden ſoll, waren doch die Bemühungen, ſich über das klar zu werden, was für Thierarten denn eigentlich die bibliſchen, (beſonders die altteſtamentlichen) Schriftſteller unter den verſchiedenen in der Bibel vorkommenden Namen gemeint haben. Eine lebendige Tradition gab es nicht, welche die Bedeutung ſolcher Worte, wie Leviathan, Behemoth u. dergl. verſtändlich erhalten hätte, und die Ueberſetzungen ſowohl der ſiebzig Dolmetſcher als Luthers giengen doch, wie ſchon früher beim Phyſiologus erwähnt werden mußte, häufig ſehr auseinander. Die eine Ueberſetzung ſprach von Schildkröten, wo die andere nur Erdhaufen oder Altäre ſehen zu können glaubte, die eine nahm ein Thier für die Hyäne, was die andere für einen ſprenklichten Vogel hielt u. ſ. w. Ungemein natürlich war es da wohl, daß man das Bedürfniß zu fühlen anfieng, einmal gründlich zu unterſuchen, was der Sinn der hebräiſchen Worte ſei. Ziemlich reich iſt hier die Litteratur über Einzelheiten. So haben in der vorliegenden Periode z. B. über das Einhorn, meiſt unter Anſchluß an 5. Moſe, 33, 17, wo das Horn des Einhorns ſchon von Tertullian als der Stamm des Kreuzes Chriſti aufgefaßt wurde, ſowohl Zoologen als Philologen ge- ſchrieben, der ältere Kaspar Bartholin, deſſen Sohn Thomas Bartholin, der Leipziger Profeſſor Johann Chriſtian Stol- bergk, der 1666 geſtorbene Gröninger Profeſſor Anton Deu- ſing, endlich der oben ſchon genannte G. R. Kirchmaier. Es würde zu weit führen, hier dieſe Schriften im Einzelnen zu verfolgen, zumal eine ähnliche Reichhaltigkeit in Bezug auf Schriften über den Drachen, Baſilisken u. a. zu verzeichnen wäre. So fleißig ſich aber auch Einzelne mit dieſer Aufgabe beſchäftigt haben, wie z. B. Kirch- maier, deſſen hierauf bezügliche Diſſertationen geſammelt an das Sperling'ſche Handbuch angehängt wurden, wie Johannes Buſtaman- tinus, welcher ein umfangreiches Buch nur über die Reptilien der hei- ligen Schrift verfaßt hat, ſo wurden dieſe Bemühungen doch ſämmt-
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Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
falten. Dann weiter: „Soviel nun von den natürlichen Drachen.
Der Hauptdrache iſt der Teufel“ u. ſ. f.
Von ungleich größerer wiſſenſchaftlicher Tragweite als die in Vor-
ſtehendem geſchilderten Werke, deren Einfluß auf gemüthvolle Menſchen
gar nicht in Abrede geſtellt werden ſoll, waren doch die Bemühungen,
ſich über das klar zu werden, was für Thierarten denn eigentlich die
bibliſchen, (beſonders die altteſtamentlichen) Schriftſteller unter den
verſchiedenen in der Bibel vorkommenden Namen gemeint haben. Eine
lebendige Tradition gab es nicht, welche die Bedeutung ſolcher Worte,
wie Leviathan, Behemoth u. dergl. verſtändlich erhalten hätte, und die
Ueberſetzungen ſowohl der ſiebzig Dolmetſcher als Luthers giengen doch,
wie ſchon früher beim Phyſiologus erwähnt werden mußte, häufig ſehr
auseinander. Die eine Ueberſetzung ſprach von Schildkröten, wo die
andere nur Erdhaufen oder Altäre ſehen zu können glaubte, die eine
nahm ein Thier für die Hyäne, was die andere für einen ſprenklichten
Vogel hielt u. ſ. w. Ungemein natürlich war es da wohl, daß man
das Bedürfniß zu fühlen anfieng, einmal gründlich zu unterſuchen,
was der Sinn der hebräiſchen Worte ſei. Ziemlich reich iſt hier die
Litteratur über Einzelheiten. So haben in der vorliegenden Periode
z. B. über das Einhorn, meiſt unter Anſchluß an 5. Moſe, 33, 17,
wo das Horn des Einhorns ſchon von Tertullian als der Stamm des
Kreuzes Chriſti aufgefaßt wurde, ſowohl Zoologen als Philologen ge-
ſchrieben, der ältere Kaspar Bartholin, deſſen Sohn Thomas
Bartholin, der Leipziger Profeſſor Johann Chriſtian Stol-
bergk, der 1666 geſtorbene Gröninger Profeſſor Anton Deu-
ſing, endlich der oben ſchon genannte G. R. Kirchmaier. Es
würde zu weit führen, hier dieſe Schriften im Einzelnen zu verfolgen,
zumal eine ähnliche Reichhaltigkeit in Bezug auf Schriften über den
Drachen, Baſilisken u. a. zu verzeichnen wäre. So fleißig ſich aber
auch Einzelne mit dieſer Aufgabe beſchäftigt haben, wie z. B. Kirch-
maier, deſſen hierauf bezügliche Diſſertationen geſammelt an das
Sperling'ſche Handbuch angehängt wurden, wie Johannes Buſtaman-
tinus, welcher ein umfangreiches Buch nur über die Reptilien der hei-
ligen Schrift verfaßt hat, ſo wurden dieſe Bemühungen doch ſämmt-
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/325>, abgerufen am 22.11.2024.
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