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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der encyklopädischen Darstellungen.
den Gebrauch aller seiner unmittelbaren Vorgänger die Vierfüßer zwar
als "Gangthiere mit Kopf, Hals, Rücken, Bauch und vier Beinen" de-
finirt, das Verhältniß ihrer Fortpflanzung aber ganz vernachlässigt
und Eidechse, Salamander, Frosch zwischen die andern Vierfüßer hin-
einstellt. Und die Diagnosen, selbst wenn man die Präcepte, welche die
einzelnen Thiere charakterisiren sollen, so nennen darf, sind ohne Rück-
sicht auf Merkmale entworfen, welche einigermaßen sicher und von der
Körperbeschaffenheit, auch ohne anatomische Untersuchungen zu fordern
oder vorauszusetzen, ableitbar wären. Bei den Vierfüßern wird häufig
(bei den Vögeln ausnahmslos) die Art der Laute, welche die Thiere
äußern, bezeichnet. So heißt es beim Wolfe, er sei ein vierfüßiges Thier,
welches heule, sehr räuberisch, sehr gefräßig und den Schafen sehr
feindselig sei; vom Hunde, er sei ein vierfüßiges Thier, welches belle,
gescheidt, wachsam sei und seinem Herrn wunderbar schmeichle. Die
einzelnen Arten werden auch hier der Größe nach abgehandelt und kom-
men daher bei den kleineren Arten Katze, Hase, Eichhörnchen, Wiesel
ohne Rücksicht auf etwaige Verwandtschaft durcheinander; ja es werden
sogar ihrer Größe entsprechend wie erwähnt Eidechse und Frosch vor
dem Maulwurf und der Maus besprochen. Das Gleiche gilt auch für
die Vögel im Allgemeinen38). Wie bei Früheren beginnen zwar auch
bei Sperling der Adler, Habicht, Geier, dann folgt der Strauß, Kra-
nich, Storch, Reiher; auch der Schwan und die Gans stehn noch neben
einander; aber auf die letztere folgt der Pfau, der Truthahn, der Hahn
und dann erst kommt die Ente an die Reihe. Die Fische charakterisirt
der Verfasser als schwimmende Thiere mit Kiemen, Flossen, Schuppen,
Gräten und einer Blase im Bauche (also der Schwimmblase). Doch
ist er hier nicht consequent. Denn im nächsten Kapitel werden die
Wasserthiere abgehandelt, und da heißt es: der Wal ist der größte im
Meere lebende Fisch, mit Lungen und lebendige Junge gebärend. Dazu
gehört der Delphin, der Walfisch, die "phocaena orca etc." Beim Lachs
welcher im folgenden Kapitel geschildert wird, gedenkt er nun des oben

38) Die Aquila heißt avis clangens,
accipiter
ist avis pipans, vultur pul-
pans,
der Strauß lugens, der Kranich gruens, der Storch glottorans, die Reiher
wieder clangens u. s. w.

Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
den Gebrauch aller ſeiner unmittelbaren Vorgänger die Vierfüßer zwar
als „Gangthiere mit Kopf, Hals, Rücken, Bauch und vier Beinen“ de-
finirt, das Verhältniß ihrer Fortpflanzung aber ganz vernachläſſigt
und Eidechſe, Salamander, Froſch zwiſchen die andern Vierfüßer hin-
einſtellt. Und die Diagnoſen, ſelbſt wenn man die Präcepte, welche die
einzelnen Thiere charakteriſiren ſollen, ſo nennen darf, ſind ohne Rück-
ſicht auf Merkmale entworfen, welche einigermaßen ſicher und von der
Körperbeſchaffenheit, auch ohne anatomiſche Unterſuchungen zu fordern
oder vorauszuſetzen, ableitbar wären. Bei den Vierfüßern wird häufig
(bei den Vögeln ausnahmslos) die Art der Laute, welche die Thiere
äußern, bezeichnet. So heißt es beim Wolfe, er ſei ein vierfüßiges Thier,
welches heule, ſehr räuberiſch, ſehr gefräßig und den Schafen ſehr
feindſelig ſei; vom Hunde, er ſei ein vierfüßiges Thier, welches belle,
geſcheidt, wachſam ſei und ſeinem Herrn wunderbar ſchmeichle. Die
einzelnen Arten werden auch hier der Größe nach abgehandelt und kom-
men daher bei den kleineren Arten Katze, Haſe, Eichhörnchen, Wieſel
ohne Rückſicht auf etwaige Verwandtſchaft durcheinander; ja es werden
ſogar ihrer Größe entſprechend wie erwähnt Eidechſe und Froſch vor
dem Maulwurf und der Maus beſprochen. Das Gleiche gilt auch für
die Vögel im Allgemeinen38). Wie bei Früheren beginnen zwar auch
bei Sperling der Adler, Habicht, Geier, dann folgt der Strauß, Kra-
nich, Storch, Reiher; auch der Schwan und die Gans ſtehn noch neben
einander; aber auf die letztere folgt der Pfau, der Truthahn, der Hahn
und dann erſt kommt die Ente an die Reihe. Die Fiſche charakteriſirt
der Verfaſſer als ſchwimmende Thiere mit Kiemen, Floſſen, Schuppen,
Gräten und einer Blaſe im Bauche (alſo der Schwimmblaſe). Doch
iſt er hier nicht conſequent. Denn im nächſten Kapitel werden die
Waſſerthiere abgehandelt, und da heißt es: der Wal iſt der größte im
Meere lebende Fiſch, mit Lungen und lebendige Junge gebärend. Dazu
gehört der Delphin, der Walfiſch, die »phocaena orca etc.« Beim Lachs
welcher im folgenden Kapitel geſchildert wird, gedenkt er nun des oben

38) Die Aquila heißt avis clangens,
accipiter
iſt avis pipans, vultur pul-
pans,
der Strauß lugens, der Kranich gruens, der Storch glottorans, die Reiher
wieder clangens u. ſ. w.
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[308/0319] Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. den Gebrauch aller ſeiner unmittelbaren Vorgänger die Vierfüßer zwar als „Gangthiere mit Kopf, Hals, Rücken, Bauch und vier Beinen“ de- finirt, das Verhältniß ihrer Fortpflanzung aber ganz vernachläſſigt und Eidechſe, Salamander, Froſch zwiſchen die andern Vierfüßer hin- einſtellt. Und die Diagnoſen, ſelbſt wenn man die Präcepte, welche die einzelnen Thiere charakteriſiren ſollen, ſo nennen darf, ſind ohne Rück- ſicht auf Merkmale entworfen, welche einigermaßen ſicher und von der Körperbeſchaffenheit, auch ohne anatomiſche Unterſuchungen zu fordern oder vorauszuſetzen, ableitbar wären. Bei den Vierfüßern wird häufig (bei den Vögeln ausnahmslos) die Art der Laute, welche die Thiere äußern, bezeichnet. So heißt es beim Wolfe, er ſei ein vierfüßiges Thier, welches heule, ſehr räuberiſch, ſehr gefräßig und den Schafen ſehr feindſelig ſei; vom Hunde, er ſei ein vierfüßiges Thier, welches belle, geſcheidt, wachſam ſei und ſeinem Herrn wunderbar ſchmeichle. Die einzelnen Arten werden auch hier der Größe nach abgehandelt und kom- men daher bei den kleineren Arten Katze, Haſe, Eichhörnchen, Wieſel ohne Rückſicht auf etwaige Verwandtſchaft durcheinander; ja es werden ſogar ihrer Größe entſprechend wie erwähnt Eidechſe und Froſch vor dem Maulwurf und der Maus beſprochen. Das Gleiche gilt auch für die Vögel im Allgemeinen 38). Wie bei Früheren beginnen zwar auch bei Sperling der Adler, Habicht, Geier, dann folgt der Strauß, Kra- nich, Storch, Reiher; auch der Schwan und die Gans ſtehn noch neben einander; aber auf die letztere folgt der Pfau, der Truthahn, der Hahn und dann erſt kommt die Ente an die Reihe. Die Fiſche charakteriſirt der Verfaſſer als ſchwimmende Thiere mit Kiemen, Floſſen, Schuppen, Gräten und einer Blaſe im Bauche (alſo der Schwimmblaſe). Doch iſt er hier nicht conſequent. Denn im nächſten Kapitel werden die Waſſerthiere abgehandelt, und da heißt es: der Wal iſt der größte im Meere lebende Fiſch, mit Lungen und lebendige Junge gebärend. Dazu gehört der Delphin, der Walfiſch, die »phocaena orca etc.« Beim Lachs welcher im folgenden Kapitel geſchildert wird, gedenkt er nun des oben 38) Die Aquila heißt avis clangens, accipiter iſt avis pipans, vultur pul- pans, der Strauß lugens, der Kranich gruens, der Storch glottorans, die Reiher wieder clangens u. ſ. w.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/319>, abgerufen am 04.06.2024.