Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

unter van Neck stattfand29). Was seine Originalfiguren betrifft, so er-
zählt er in der Vorrede zum ersten Bande der Ornithologie, daß er
über dreißig Jahre hindurch einen naturhistorischen Maler mit einem
Jahrgehalte von zweihundert Goldstücken besoldet und außerdem als
Zeichner den Lorenzo Bernini aus Florenz und Cornelius Swint aus
Frankfurt, als Holzschneider Christoph Coriolanus und dessen Neffen
aus Nürnberg beschäftigt habe. Die Holzschnitte sind allerdings als
Schnitte durchschnittlich gut, doch scheinen sie nicht mit der gleichen
Sorgfalt gedruckt zu sein wie die Gesner'schen.

Wenn nun in vergleichender Weise, mit Rücksicht auf Gesner,
nach der Bedeutung und Wirksamkeit der Aldrovandischen Schriften
gefragt werden soll, so läßt sich trotz der mancherlei offenbaren Mängel
denselben das Verdienst nicht absprechen, zuerst wenigstens den Versuch
in größerem Maße ausgeführt zu haben, das immer mehr wachsende
Material in irgend eine Art von Ordnung zu bringen. Daß Aldro-
vandi
dabei nur rein äußerliche Gesichtspunkte zu Grunde legte, daß er
den von Wotton wieder betretenen aristotelischen Weg nicht weiter zu ver-
folgen suchte, lag in der ungleichen Entwickelung der Kenntniß der äußeren
Form und des innern Baues. In einem gewissen Sinne machte sich hier
der später oft zu beobachtende Umstand geltend, daß die Menge neuer
Formen zunächst nur überhaupt untergebracht sein wollte, bis dann eine
kritische Durchsicht das Verwandte zusammenbringt, nicht Zusammen-
gehöriges scheidet. Wenn daher der innere Werth der beiden Compila-
toren des sechzehnten Jahrhunderts für den Fortgang der Wissenschaft
ein ungleicher war, so hat Aldrovandi jedenfalls als eine Art Comple-
ment zu Conrad Gesner in erfolgreicher Weise die Verbreitung eines
tieferen Interesses an Thiergeschichte fördern helfen.

Der letzte der drei Compilatoren der anbrechenden neuen Zeit,
welcher, ein Jahrhundert nach Gesner auftretend durch seine Samm-
lungen noch bis in Linne's Zeit Ansehen und Verbreitung genoß, war
Johannes Jonstonus. Sein eigentlicher Name war John John-

29) Das Citat findet sich im dritten Bande der Ornithologie
(Bologna, 1603)
S. 543: "ut in eadem navigatione legitur, nämlich in Hollandorum prima in
Indiam orientalem navigatione.
"

unter van Neck ſtattfand29). Was ſeine Originalfiguren betrifft, ſo er-
zählt er in der Vorrede zum erſten Bande der Ornithologie, daß er
über dreißig Jahre hindurch einen naturhiſtoriſchen Maler mit einem
Jahrgehalte von zweihundert Goldſtücken beſoldet und außerdem als
Zeichner den Lorenzo Bernini aus Florenz und Cornelius Swint aus
Frankfurt, als Holzſchneider Chriſtoph Coriolanus und deſſen Neffen
aus Nürnberg beſchäftigt habe. Die Holzſchnitte ſind allerdings als
Schnitte durchſchnittlich gut, doch ſcheinen ſie nicht mit der gleichen
Sorgfalt gedruckt zu ſein wie die Gesner'ſchen.

Wenn nun in vergleichender Weiſe, mit Rückſicht auf Gesner,
nach der Bedeutung und Wirkſamkeit der Aldrovandiſchen Schriften
gefragt werden ſoll, ſo läßt ſich trotz der mancherlei offenbaren Mängel
denſelben das Verdienſt nicht abſprechen, zuerſt wenigſtens den Verſuch
in größerem Maße ausgeführt zu haben, das immer mehr wachſende
Material in irgend eine Art von Ordnung zu bringen. Daß Aldro-
vandi
dabei nur rein äußerliche Geſichtspunkte zu Grunde legte, daß er
den von Wotton wieder betretenen ariſtoteliſchen Weg nicht weiter zu ver-
folgen ſuchte, lag in der ungleichen Entwickelung der Kenntniß der äußeren
Form und des innern Baues. In einem gewiſſen Sinne machte ſich hier
der ſpäter oft zu beobachtende Umſtand geltend, daß die Menge neuer
Formen zunächſt nur überhaupt untergebracht ſein wollte, bis dann eine
kritiſche Durchſicht das Verwandte zuſammenbringt, nicht Zuſammen-
gehöriges ſcheidet. Wenn daher der innere Werth der beiden Compila-
toren des ſechzehnten Jahrhunderts für den Fortgang der Wiſſenſchaft
ein ungleicher war, ſo hat Aldrovandi jedenfalls als eine Art Comple-
ment zu Conrad Gesner in erfolgreicher Weiſe die Verbreitung eines
tieferen Intereſſes an Thiergeſchichte fördern helfen.

Der letzte der drei Compilatoren der anbrechenden neuen Zeit,
welcher, ein Jahrhundert nach Gesner auftretend durch ſeine Samm-
lungen noch bis in Linné's Zeit Anſehen und Verbreitung genoß, war
Johannes Jonſtonus. Sein eigentlicher Name war John John-

29) Das Citat findet ſich im dritten Bande der Ornithologie
(Bologna, 1603)
S. 543: »ut in eadem navigatione legitur, nämlich in Hollandorum prima in
Indiam orientalem navigatione.
«
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0308" n="297"/><fw place="top" type="header"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117655872">Johannes Jon&#x017F;tonus</persName>.</fw><lb/>
unter <persName ref="http://d-nb.info/gnd/123890985">van Neck</persName> &#x017F;tattfand<note place="foot" n="29)">Das Citat findet &#x017F;ich im dritten Bande der Ornithologie<lb/>
(Bologna, 1603)<lb/>
S. 543: »<hi rendition="#aq">ut in eadem navigatione legitur,</hi> nämlich in <hi rendition="#aq">Hollandorum prima in<lb/>
Indiam orientalem navigatione.</hi>«</note>. Was &#x017F;eine Originalfiguren betrifft, &#x017F;o er-<lb/>
zählt er in der Vorrede zum er&#x017F;ten Bande der Ornithologie, daß er<lb/>
über dreißig Jahre hindurch einen naturhi&#x017F;tori&#x017F;chen Maler mit einem<lb/>
Jahrgehalte von zweihundert Gold&#x017F;tücken be&#x017F;oldet und außerdem als<lb/>
Zeichner den <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118509926">Lorenzo Bernini</persName> aus Florenz und <persName ref="nognd">Cornelius Swint</persName> aus<lb/>
Frankfurt, als Holz&#x017F;chneider <persName ref="http://d-nb.info/gnd/12910132X">Chri&#x017F;toph Coriolanus</persName> und de&#x017F;&#x017F;en Neffen<lb/>
aus Nürnberg be&#x017F;chäftigt habe. Die Holz&#x017F;chnitte &#x017F;ind allerdings als<lb/>
Schnitte durch&#x017F;chnittlich gut, doch &#x017F;cheinen &#x017F;ie nicht mit der gleichen<lb/>
Sorgfalt gedruckt zu &#x017F;ein wie die <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118694413">Gesner</persName>'&#x017F;chen.</p><lb/>
          <p>Wenn nun in vergleichender Wei&#x017F;e, mit Rück&#x017F;icht auf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118694413">Gesner</persName>,<lb/>
nach der Bedeutung und Wirk&#x017F;amkeit der <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118898825">Aldrovandi&#x017F;chen</persName> Schriften<lb/>
gefragt werden &#x017F;oll, &#x017F;o läßt &#x017F;ich trotz der mancherlei offenbaren Mängel<lb/>
den&#x017F;elben das Verdien&#x017F;t nicht ab&#x017F;prechen, zuer&#x017F;t wenig&#x017F;tens den Ver&#x017F;uch<lb/>
in größerem Maße ausgeführt zu haben, das immer mehr wach&#x017F;ende<lb/>
Material in irgend eine Art von Ordnung zu bringen. Daß <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118898825">Aldro-<lb/>
vandi</persName> dabei nur rein äußerliche Ge&#x017F;ichtspunkte zu Grunde legte, daß er<lb/>
den von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/141000627">Wotton</persName> wieder betretenen ari&#x017F;toteli&#x017F;chen Weg nicht weiter zu ver-<lb/>
folgen &#x017F;uchte, lag in der ungleichen Entwickelung der Kenntniß der äußeren<lb/>
Form und des innern Baues. In einem gewi&#x017F;&#x017F;en Sinne machte &#x017F;ich hier<lb/>
der &#x017F;päter oft zu beobachtende Um&#x017F;tand geltend, daß die Menge neuer<lb/>
Formen zunäch&#x017F;t nur überhaupt untergebracht &#x017F;ein wollte, bis dann eine<lb/>
kriti&#x017F;che Durch&#x017F;icht das Verwandte zu&#x017F;ammenbringt, nicht Zu&#x017F;ammen-<lb/>
gehöriges &#x017F;cheidet. Wenn daher der innere Werth der beiden Compila-<lb/>
toren des &#x017F;echzehnten Jahrhunderts für den Fortgang der Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft<lb/>
ein ungleicher war, &#x017F;o hat <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118898825">Aldrovandi</persName> jedenfalls als eine Art Comple-<lb/>
ment zu <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118694413">Conrad Gesner</persName> in erfolgreicher Wei&#x017F;e die Verbreitung eines<lb/>
tieferen Intere&#x017F;&#x017F;es an Thierge&#x017F;chichte fördern helfen.</p><lb/>
          <p>Der letzte der drei Compilatoren der anbrechenden neuen Zeit,<lb/>
welcher, ein Jahrhundert nach <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118694413">Gesner</persName> auftretend durch &#x017F;eine Samm-<lb/>
lungen noch bis in <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName>'s Zeit An&#x017F;ehen und Verbreitung genoß, war<lb/><hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117655872">Johannes Jon&#x017F;tonus</persName></hi>. Sein eigentlicher Name war <persName xml:id="n12a" ref="http://d-nb.info/gnd/117655872" next="#n12b">John John</persName>-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0308] Johannes Jonſtonus. unter van Neck ſtattfand 29). Was ſeine Originalfiguren betrifft, ſo er- zählt er in der Vorrede zum erſten Bande der Ornithologie, daß er über dreißig Jahre hindurch einen naturhiſtoriſchen Maler mit einem Jahrgehalte von zweihundert Goldſtücken beſoldet und außerdem als Zeichner den Lorenzo Bernini aus Florenz und Cornelius Swint aus Frankfurt, als Holzſchneider Chriſtoph Coriolanus und deſſen Neffen aus Nürnberg beſchäftigt habe. Die Holzſchnitte ſind allerdings als Schnitte durchſchnittlich gut, doch ſcheinen ſie nicht mit der gleichen Sorgfalt gedruckt zu ſein wie die Gesner'ſchen. Wenn nun in vergleichender Weiſe, mit Rückſicht auf Gesner, nach der Bedeutung und Wirkſamkeit der Aldrovandiſchen Schriften gefragt werden ſoll, ſo läßt ſich trotz der mancherlei offenbaren Mängel denſelben das Verdienſt nicht abſprechen, zuerſt wenigſtens den Verſuch in größerem Maße ausgeführt zu haben, das immer mehr wachſende Material in irgend eine Art von Ordnung zu bringen. Daß Aldro- vandi dabei nur rein äußerliche Geſichtspunkte zu Grunde legte, daß er den von Wotton wieder betretenen ariſtoteliſchen Weg nicht weiter zu ver- folgen ſuchte, lag in der ungleichen Entwickelung der Kenntniß der äußeren Form und des innern Baues. In einem gewiſſen Sinne machte ſich hier der ſpäter oft zu beobachtende Umſtand geltend, daß die Menge neuer Formen zunächſt nur überhaupt untergebracht ſein wollte, bis dann eine kritiſche Durchſicht das Verwandte zuſammenbringt, nicht Zuſammen- gehöriges ſcheidet. Wenn daher der innere Werth der beiden Compila- toren des ſechzehnten Jahrhunderts für den Fortgang der Wiſſenſchaft ein ungleicher war, ſo hat Aldrovandi jedenfalls als eine Art Comple- ment zu Conrad Gesner in erfolgreicher Weiſe die Verbreitung eines tieferen Intereſſes an Thiergeſchichte fördern helfen. Der letzte der drei Compilatoren der anbrechenden neuen Zeit, welcher, ein Jahrhundert nach Gesner auftretend durch ſeine Samm- lungen noch bis in Linné's Zeit Anſehen und Verbreitung genoß, war Johannes Jonſtonus. Sein eigentlicher Name war John John- 29) Das Citat findet ſich im dritten Bande der Ornithologie (Bologna, 1603) S. 543: »ut in eadem navigatione legitur, nämlich in Hollandorum prima in Indiam orientalem navigatione.«

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/308
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/308>, abgerufen am 15.08.2024.