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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der encyklopädischen Darstellungen.
einer Gesner übersandten Zeichnung eines im Juni 1558 aus Peru
nach Antwerpen gebrachten Exemplars; es heißt Allocamelus. Einige
wunderbare Fehler ziehn sich durch die ganze damalige Litteratur. So
erscheint der Skorpion z. B. zum Theil mit Flügeldecken, ganz so bei
Gesner wie bei Matthioli in dessen Commentar zu Dioscorides,
2. Buch. Doch kann hier nur im Allgemeinen auf die Entwickelung
der zoologischen Abbildungen hingewiesen werden, deren Verfolgung im
Einzelnen sehr erwünscht wäre22).

Leidet also nach Allem das Gesner'sche Werk sehr an den Män-
geln seiner Zeit, so ist es doch mit vollem Recht als eines derjenigen zu
bezeichnen, von welchen die Gründung der neueren Zoologie ausgieng.
Mehrere der ihm anhängenden Mängel wären vielleicht von Gesner
selbst beseitigt worden, hätte ihm das Geschick eine freiere, von äußern
Einflüssen unabhängigere Stellung gegönnt. Und wenn er auch von
seinen unmittelbaren Nachfolgern in scharfer Beobachtung und wohl
tieferer Auffassung überholt wurde, so hat er sich doch durch seinen un-
geheuern Fleiß, seine ausgedehnte Gelehrsamkeit, sowie durch sein glän-
zendes Sammlertalent den Anspruch gesichert, der erste deutsche Zoolog
genannt zu werden.

Nur wenige Jahre jünger war ein Mann, welcher mit ähnlichem
Talent und Sammlerfleiß den großen Vortheil einer unabhängigen
Stellung verband und diese sowie eine weit längere Lebensdauer dazu
benutzte, dem wissenschaftlichen Geiste seiner Vaterstadt und sich selbst
in einem gleich ausgedehnten und in mehreren Beziehungen noch tiefer
eingehenden Werke ein bleibendes Denkmal zu errichten. Ulisses
Aldrovandi
war am 11. September 1522 in Bologna gebo-

22) Außer A. Dürer, welcher viele Zeichnungen von Thieren gefertigt hat,
mögen hier nur noch die beiden Hoefnagel und besonders J. Amman erwähnt
werden (vergl. C. Becker, Jobst Amman, Zeichner und Formschneider u. s. w.
Nebst Zusätzen von R. Weigel. Leipzig, 1854. 8°). Er hat nicht bloß im Jagd-
buch, Reiterkunst, Gestüterei zahlreiche Thierabbildungen gegeben, sondern vorzüg-
lich eine ganze Sammlung solcher zu Hans Bockspergers, von G. Schaller
in Reime gebrachtem Thierbuch geliefert (1569, 1579, 1592). Sehr gute Thierbil-
der enthält auch der oben erwähnte Matthioli. welche aber nicht von Amman
sein können, da dieser zur Zeit ihrer Publication (1559) zu jung war.

Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen.
einer Gesner überſandten Zeichnung eines im Juni 1558 aus Peru
nach Antwerpen gebrachten Exemplars; es heißt Allocamelus. Einige
wunderbare Fehler ziehn ſich durch die ganze damalige Litteratur. So
erſcheint der Skorpion z. B. zum Theil mit Flügeldecken, ganz ſo bei
Gesner wie bei Matthioli in deſſen Commentar zu Dioscorides,
2. Buch. Doch kann hier nur im Allgemeinen auf die Entwickelung
der zoologiſchen Abbildungen hingewieſen werden, deren Verfolgung im
Einzelnen ſehr erwünſcht wäre22).

Leidet alſo nach Allem das Gesner'ſche Werk ſehr an den Män-
geln ſeiner Zeit, ſo iſt es doch mit vollem Recht als eines derjenigen zu
bezeichnen, von welchen die Gründung der neueren Zoologie ausgieng.
Mehrere der ihm anhängenden Mängel wären vielleicht von Gesner
ſelbſt beſeitigt worden, hätte ihm das Geſchick eine freiere, von äußern
Einflüſſen unabhängigere Stellung gegönnt. Und wenn er auch von
ſeinen unmittelbaren Nachfolgern in ſcharfer Beobachtung und wohl
tieferer Auffaſſung überholt wurde, ſo hat er ſich doch durch ſeinen un-
geheuern Fleiß, ſeine ausgedehnte Gelehrſamkeit, ſowie durch ſein glän-
zendes Sammlertalent den Anſpruch geſichert, der erſte deutſche Zoolog
genannt zu werden.

Nur wenige Jahre jünger war ein Mann, welcher mit ähnlichem
Talent und Sammlerfleiß den großen Vortheil einer unabhängigen
Stellung verband und dieſe ſowie eine weit längere Lebensdauer dazu
benutzte, dem wiſſenſchaftlichen Geiſte ſeiner Vaterſtadt und ſich ſelbſt
in einem gleich ausgedehnten und in mehreren Beziehungen noch tiefer
eingehenden Werke ein bleibendes Denkmal zu errichten. Uliſſes
Aldrovandi
war am 11. September 1522 in Bologna gebo-

22) Außer A. Dürer, welcher viele Zeichnungen von Thieren gefertigt hat,
mögen hier nur noch die beiden Hoefnagel und beſonders J. Amman erwähnt
werden (vergl. C. Becker, Jobſt Amman, Zeichner und Formſchneider u. ſ. w.
Nebſt Zuſätzen von R. Weigel. Leipzig, 1854. 8°). Er hat nicht bloß im Jagd-
buch, Reiterkunſt, Geſtüterei zahlreiche Thierabbildungen gegeben, ſondern vorzüg-
lich eine ganze Sammlung ſolcher zu Hans Bockspergers, von G. Schaller
in Reime gebrachtem Thierbuch geliefert (1569, 1579, 1592). Sehr gute Thierbil-
der enthält auch der oben erwähnte Matthioli. welche aber nicht von Amman
ſein können, da dieser zur Zeit ihrer Publication (1559) zu jung war.
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[288/0299] Periode der encyklopädiſchen Darſtellungen. einer Gesner überſandten Zeichnung eines im Juni 1558 aus Peru nach Antwerpen gebrachten Exemplars; es heißt Allocamelus. Einige wunderbare Fehler ziehn ſich durch die ganze damalige Litteratur. So erſcheint der Skorpion z. B. zum Theil mit Flügeldecken, ganz ſo bei Gesner wie bei Matthioli in deſſen Commentar zu Dioscorides, 2. Buch. Doch kann hier nur im Allgemeinen auf die Entwickelung der zoologiſchen Abbildungen hingewieſen werden, deren Verfolgung im Einzelnen ſehr erwünſcht wäre 22). Leidet alſo nach Allem das Gesner'ſche Werk ſehr an den Män- geln ſeiner Zeit, ſo iſt es doch mit vollem Recht als eines derjenigen zu bezeichnen, von welchen die Gründung der neueren Zoologie ausgieng. Mehrere der ihm anhängenden Mängel wären vielleicht von Gesner ſelbſt beſeitigt worden, hätte ihm das Geſchick eine freiere, von äußern Einflüſſen unabhängigere Stellung gegönnt. Und wenn er auch von ſeinen unmittelbaren Nachfolgern in ſcharfer Beobachtung und wohl tieferer Auffaſſung überholt wurde, ſo hat er ſich doch durch ſeinen un- geheuern Fleiß, ſeine ausgedehnte Gelehrſamkeit, ſowie durch ſein glän- zendes Sammlertalent den Anſpruch geſichert, der erſte deutſche Zoolog genannt zu werden. Nur wenige Jahre jünger war ein Mann, welcher mit ähnlichem Talent und Sammlerfleiß den großen Vortheil einer unabhängigen Stellung verband und dieſe ſowie eine weit längere Lebensdauer dazu benutzte, dem wiſſenſchaftlichen Geiſte ſeiner Vaterſtadt und ſich ſelbſt in einem gleich ausgedehnten und in mehreren Beziehungen noch tiefer eingehenden Werke ein bleibendes Denkmal zu errichten. Uliſſes Aldrovandi war am 11. September 1522 in Bologna gebo- 22) Außer A. Dürer, welcher viele Zeichnungen von Thieren gefertigt hat, mögen hier nur noch die beiden Hoefnagel und beſonders J. Amman erwähnt werden (vergl. C. Becker, Jobſt Amman, Zeichner und Formſchneider u. ſ. w. Nebſt Zuſätzen von R. Weigel. Leipzig, 1854. 8°). Er hat nicht bloß im Jagd- buch, Reiterkunſt, Geſtüterei zahlreiche Thierabbildungen gegeben, ſondern vorzüg- lich eine ganze Sammlung ſolcher zu Hans Bockspergers, von G. Schaller in Reime gebrachtem Thierbuch geliefert (1569, 1579, 1592). Sehr gute Thierbil- der enthält auch der oben erwähnte Matthioli. welche aber nicht von Amman ſein können, da dieser zur Zeit ihrer Publication (1559) zu jung war.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/299>, abgerufen am 22.11.2024.