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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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dern mehr an die allgemeine Bekanntschaft mit den einzelnen Formen
anknüpfend; ausführlicher ist dagegen die medicinische Verwendbarkeit
besprochen. Den Säugethieren, unter welchen Löwe, Elefant und Kamel
die einzigen außereuropäischen sind, werden dann Frosch, Kröte, Kro-
kodil, Skink, Schlangen verschiedener Art, Basilisk, Drachen, Spinne,
Seidenwurm, Ameise, Regenwurm, Assel, Schnecke und Raupe ange-
reiht. Von irgend einer wissenschaftlichen Anordnung oder auch nur
einem Versuch zu einer solchen ist also hier ebensowenig die Rede, wie
bei den nun folgenden fliegenden Thieren, deren Schilderung mit einer
Besprechung der Eigenschaften der Eier beginnt. Auch wird die Auf-
zählung mit bekannten Formen eröffnet und schließt mit Bienen,
Wespen und einigen Käfern. In ähnlicher Weise werden dann die
Wasserthiere behandelt, wo Krebs, Tintenfische, Walthiere und Mu-
scheln zwischen die Fische eingeschoben sind. Den Schluß des Ganzen
macht eine Schilderung der wunderbaren Kraft der Remora, die größ-
ten Schiffe wie ein Magnet festzuhalten, an welcher er nicht zu zwei-
feln scheint. Die meisten Thiere sind durch Holzschnitte dargestellt,
welche freilich sehr verkleinert, im Ganzen aber doch naturgemäß sind,
wenigstens im Vergleich mit den früheren monströsen Zeichnungen.
Wenn ihm Cuvier vorwirft, Zeichnungen bei Mangel einer natürli-
chen Vorlage erfunden zu haben, so verdient er doch diesen Vorwurf
nicht. Die Figur des Salamanders ist gar nicht übel; und die Abbil-
dungen des Phoenix, der Drachen, des Basilisken waren hergebrachte
Vorstellungen, welche er nicht erst, um eine Lücke zu decken, zu erfinden
brauchte. Sicher ist aber, daß man Lonicer nicht zu den Beobachtern
rechnen kann. Seine Citate bewegen sich in einem sehr engen Kreise
einiger klassischer und späterer Aerzte. Nicht unbrauchbar dürften in
einer gewissen Richtung die mitgetheilten Trivialnamen der Thiere sein.

Es würde sich kaum verlohnt haben, einen Autor wie Lonicer hier
anzuführen, welcher zur eigentlichen Förderung der wissenschaftlichen
Thierkunde nichts beigetragen hat. Doch spricht die große und nachhal-
tige Verbreitung seines Werkes selbst bis in verhältnißmäßig neuere
Zeiten für den eigenthümlichen Geist des größern Gelehrten-Publikums
vergangner Jahrhunderte, welches sich mit derartigen Schriften befrie-

V. Carus, Gesch. d. Zool. 18

dern mehr an die allgemeine Bekanntſchaft mit den einzelnen Formen
anknüpfend; ausführlicher iſt dagegen die mediciniſche Verwendbarkeit
beſprochen. Den Säugethieren, unter welchen Löwe, Elefant und Kamel
die einzigen außereuropäiſchen ſind, werden dann Froſch, Kröte, Kro-
kodil, Skink, Schlangen verſchiedener Art, Baſilisk, Drachen, Spinne,
Seidenwurm, Ameiſe, Regenwurm, Aſſel, Schnecke und Raupe ange-
reiht. Von irgend einer wiſſenſchaftlichen Anordnung oder auch nur
einem Verſuch zu einer ſolchen iſt alſo hier ebenſowenig die Rede, wie
bei den nun folgenden fliegenden Thieren, deren Schilderung mit einer
Beſprechung der Eigenſchaften der Eier beginnt. Auch wird die Auf-
zählung mit bekannten Formen eröffnet und ſchließt mit Bienen,
Wespen und einigen Käfern. In ähnlicher Weiſe werden dann die
Waſſerthiere behandelt, wo Krebs, Tintenfiſche, Walthiere und Mu-
ſcheln zwiſchen die Fiſche eingeſchoben ſind. Den Schluß des Ganzen
macht eine Schilderung der wunderbaren Kraft der Remora, die größ-
ten Schiffe wie ein Magnet feſtzuhalten, an welcher er nicht zu zwei-
feln ſcheint. Die meiſten Thiere ſind durch Holzſchnitte dargeſtellt,
welche freilich ſehr verkleinert, im Ganzen aber doch naturgemäß ſind,
wenigſtens im Vergleich mit den früheren monſtröſen Zeichnungen.
Wenn ihm Cuvier vorwirft, Zeichnungen bei Mangel einer natürli-
chen Vorlage erfunden zu haben, ſo verdient er doch dieſen Vorwurf
nicht. Die Figur des Salamanders iſt gar nicht übel; und die Abbil-
dungen des Phoenix, der Drachen, des Baſilisken waren hergebrachte
Vorſtellungen, welche er nicht erſt, um eine Lücke zu decken, zu erfinden
brauchte. Sicher iſt aber, daß man Lonicer nicht zu den Beobachtern
rechnen kann. Seine Citate bewegen ſich in einem ſehr engen Kreiſe
einiger klaſſiſcher und ſpäterer Aerzte. Nicht unbrauchbar dürften in
einer gewiſſen Richtung die mitgetheilten Trivialnamen der Thiere ſein.

Es würde ſich kaum verlohnt haben, einen Autor wie Lonicer hier
anzuführen, welcher zur eigentlichen Förderung der wiſſenſchaftlichen
Thierkunde nichts beigetragen hat. Doch ſpricht die große und nachhal-
tige Verbreitung ſeines Werkes ſelbſt bis in verhältnißmäßig neuere
Zeiten für den eigenthümlichen Geiſt des größern Gelehrten-Publikums
vergangner Jahrhunderte, welches ſich mit derartigen Schriften befrie-

V. Carus, Geſch. d. Zool. 18
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[273/0284] Adam Lonicer. dern mehr an die allgemeine Bekanntſchaft mit den einzelnen Formen anknüpfend; ausführlicher iſt dagegen die mediciniſche Verwendbarkeit beſprochen. Den Säugethieren, unter welchen Löwe, Elefant und Kamel die einzigen außereuropäiſchen ſind, werden dann Froſch, Kröte, Kro- kodil, Skink, Schlangen verſchiedener Art, Baſilisk, Drachen, Spinne, Seidenwurm, Ameiſe, Regenwurm, Aſſel, Schnecke und Raupe ange- reiht. Von irgend einer wiſſenſchaftlichen Anordnung oder auch nur einem Verſuch zu einer ſolchen iſt alſo hier ebenſowenig die Rede, wie bei den nun folgenden fliegenden Thieren, deren Schilderung mit einer Beſprechung der Eigenſchaften der Eier beginnt. Auch wird die Auf- zählung mit bekannten Formen eröffnet und ſchließt mit Bienen, Wespen und einigen Käfern. In ähnlicher Weiſe werden dann die Waſſerthiere behandelt, wo Krebs, Tintenfiſche, Walthiere und Mu- ſcheln zwiſchen die Fiſche eingeſchoben ſind. Den Schluß des Ganzen macht eine Schilderung der wunderbaren Kraft der Remora, die größ- ten Schiffe wie ein Magnet feſtzuhalten, an welcher er nicht zu zwei- feln ſcheint. Die meiſten Thiere ſind durch Holzſchnitte dargeſtellt, welche freilich ſehr verkleinert, im Ganzen aber doch naturgemäß ſind, wenigſtens im Vergleich mit den früheren monſtröſen Zeichnungen. Wenn ihm Cuvier vorwirft, Zeichnungen bei Mangel einer natürli- chen Vorlage erfunden zu haben, ſo verdient er doch dieſen Vorwurf nicht. Die Figur des Salamanders iſt gar nicht übel; und die Abbil- dungen des Phoenix, der Drachen, des Baſilisken waren hergebrachte Vorſtellungen, welche er nicht erſt, um eine Lücke zu decken, zu erfinden brauchte. Sicher iſt aber, daß man Lonicer nicht zu den Beobachtern rechnen kann. Seine Citate bewegen ſich in einem ſehr engen Kreiſe einiger klaſſiſcher und ſpäterer Aerzte. Nicht unbrauchbar dürften in einer gewiſſen Richtung die mitgetheilten Trivialnamen der Thiere ſein. Es würde ſich kaum verlohnt haben, einen Autor wie Lonicer hier anzuführen, welcher zur eigentlichen Förderung der wiſſenſchaftlichen Thierkunde nichts beigetragen hat. Doch ſpricht die große und nachhal- tige Verbreitung ſeines Werkes ſelbſt bis in verhältnißmäßig neuere Zeiten für den eigenthümlichen Geiſt des größern Gelehrten-Publikums vergangner Jahrhunderte, welches ſich mit derartigen Schriften befrie- V. Carus, Geſch. d. Zool. 18

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/284>, abgerufen am 22.11.2024.