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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Die Zoologie des Mittelalters.
nicht entschieden216). Hängt hiermit etwa das gleichfalls unbekannte
"Buch von sechzig Thieren zusammen, welches Albert beim Thier Akabo
und beim Hunde citirt217)? Es ist nach dem Erwähnten natürlich, daß
die Thiernamen mit Ausnahme der bekanntesten in einem ebenso ver-
stümmelten und kaum wiederzuerkennenden Aufzuge erscheinen, wie es
bei Thomas der Fall ist, und zwar erscheinen diese Thiere nicht etwa
nur jetzt fremdartig und unbekannt, sondern es ist ganz sicher, daß sich
Albert selbst von ihnen kein Bild gemacht, sondern nur zusammenge-
schrieben hat, was ihm vorlag, wie denn überhaupt von einer Original-
arbeit im heutigen Sinne bei seiner Schrift über die Thiere nicht die
Rede sein kann. Nur der allgemeine Theil macht in den Stellen, wo
Albert neben die Ansichten des Aristoteles seine eigene hinstellt, eine
Ausnahme hiervon, und man kann wohl in jenen Zuthaten selbständige
Leistungen anerkennen.

Handelt es sich nun darum, Albert's ganze Auffassung und wis-
senschaftliche Richtung, soweit dieselbe die Thiere betrifft, näher zu cha-
rakterisiren, so darf man nicht vergessen, daß er Geistlicher und Scho-
lastiker war218). Als solcher hatte auch er zunächst die Aufgabe, die
Summe des antiken Wissens, wie es ihm in zwei verschiedenen Auf-
fassungen überliefert worden war, in ein System zu bringen. Dasselbe
bot zwar durch die naturgemäß fast zu vorwaltend ausgebildete Dialektik

216) Der Name sieht semitisch aus, auch nennt ihn (was allerdings kein Be-
weis ist) Bartholomaeus Anglicus, der ihn citirt, chaldeus. Manche Thiernamen,
wie die Fische abren, fastem, der leviathan, die Bezeichnung des im Physiologus
Peridexion genannten Baumes als arbor zilanim sprechen für einen Semiten. Ob
der Name einem Schriftsteller angehört oder der Titel eines Buches ist, selbst ob er
Jorach oder Jorath heißt, sind alles noch unbeantwortete Fragen. Bei Thomas
kommt er nicht vor, wohl aber bei dessen Uebersetzer Conrad von Megenberg und
zwar bei der Amphisbaena, demselben Thiere, bei welchem ihn auch noch einmal
der Ortus sanitatis citirt. Bei Vincenz erscheint er sehr oft. Aldrovandi führt ihn
zuletzt (beim Onager) an; Gesner erwähnt, daß Albertus ihn citire.
217) Akabo, ut in libro sexaginta animalium dicitur, animal est mul-
tum valens medicinae. -- Dicitur autem in libro sexaginta animalium, quod
caro canis calida est et sicca.
218) Ich verweise hier wieder auf die Darstellung in Ritter's Christlicher
Philosophie. 1. Bd.

Die Zoologie des Mittelalters.
nicht entſchieden216). Hängt hiermit etwa das gleichfalls unbekannte
„Buch von ſechzig Thieren zuſammen, welches Albert beim Thier Akabo
und beim Hunde citirt217)? Es iſt nach dem Erwähnten natürlich, daß
die Thiernamen mit Ausnahme der bekannteſten in einem ebenſo ver-
ſtümmelten und kaum wiederzuerkennenden Aufzuge erſcheinen, wie es
bei Thomas der Fall iſt, und zwar erſcheinen dieſe Thiere nicht etwa
nur jetzt fremdartig und unbekannt, ſondern es iſt ganz ſicher, daß ſich
Albert ſelbſt von ihnen kein Bild gemacht, ſondern nur zuſammenge-
ſchrieben hat, was ihm vorlag, wie denn überhaupt von einer Original-
arbeit im heutigen Sinne bei ſeiner Schrift über die Thiere nicht die
Rede ſein kann. Nur der allgemeine Theil macht in den Stellen, wo
Albert neben die Anſichten des Ariſtoteles ſeine eigene hinſtellt, eine
Ausnahme hiervon, und man kann wohl in jenen Zuthaten ſelbſtändige
Leiſtungen anerkennen.

Handelt es ſich nun darum, Albert's ganze Auffaſſung und wiſ-
ſenſchaftliche Richtung, ſoweit dieſelbe die Thiere betrifft, näher zu cha-
rakteriſiren, ſo darf man nicht vergeſſen, daß er Geiſtlicher und Scho-
laſtiker war218). Als ſolcher hatte auch er zunächſt die Aufgabe, die
Summe des antiken Wiſſens, wie es ihm in zwei verſchiedenen Auf-
faſſungen überliefert worden war, in ein Syſtem zu bringen. Daſſelbe
bot zwar durch die naturgemäß faſt zu vorwaltend ausgebildete Dialektik

216) Der Name ſieht ſemitiſch aus, auch nennt ihn (was allerdings kein Be-
weis iſt) Bartholomaeus Anglicus, der ihn citirt, chaldeus. Manche Thiernamen,
wie die Fiſche abren, fastem, der leviathan, die Bezeichnung des im Phyſiologus
Peridexion genannten Baumes als arbor zilanim ſprechen für einen Semiten. Ob
der Name einem Schriftſteller angehört oder der Titel eines Buches iſt, ſelbſt ob er
Jorach oder Jorath heißt, ſind alles noch unbeantwortete Fragen. Bei Thomas
kommt er nicht vor, wohl aber bei deſſen Ueberſetzer Conrad von Megenberg und
zwar bei der Amphisbaena, demſelben Thiere, bei welchem ihn auch noch einmal
der Ortus sanitatis citirt. Bei Vincenz erſcheint er ſehr oft. Aldrovandi führt ihn
zuletzt (beim Onager) an; Gesner erwähnt, daß Albertus ihn citire.
217) Ákabo, ut in libro sexaginta animalium dicitur, animal est mul-
tum valens medicinae. — Dicitur autem in libro sexaginta animalium, quod
caro canis calida est et sicca.
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[228/0239] Die Zoologie des Mittelalters. nicht entſchieden 216). Hängt hiermit etwa das gleichfalls unbekannte „Buch von ſechzig Thieren zuſammen, welches Albert beim Thier Akabo und beim Hunde citirt 217)? Es iſt nach dem Erwähnten natürlich, daß die Thiernamen mit Ausnahme der bekannteſten in einem ebenſo ver- ſtümmelten und kaum wiederzuerkennenden Aufzuge erſcheinen, wie es bei Thomas der Fall iſt, und zwar erſcheinen dieſe Thiere nicht etwa nur jetzt fremdartig und unbekannt, ſondern es iſt ganz ſicher, daß ſich Albert ſelbſt von ihnen kein Bild gemacht, ſondern nur zuſammenge- ſchrieben hat, was ihm vorlag, wie denn überhaupt von einer Original- arbeit im heutigen Sinne bei ſeiner Schrift über die Thiere nicht die Rede ſein kann. Nur der allgemeine Theil macht in den Stellen, wo Albert neben die Anſichten des Ariſtoteles ſeine eigene hinſtellt, eine Ausnahme hiervon, und man kann wohl in jenen Zuthaten ſelbſtändige Leiſtungen anerkennen. Handelt es ſich nun darum, Albert's ganze Auffaſſung und wiſ- ſenſchaftliche Richtung, ſoweit dieſelbe die Thiere betrifft, näher zu cha- rakteriſiren, ſo darf man nicht vergeſſen, daß er Geiſtlicher und Scho- laſtiker war 218). Als ſolcher hatte auch er zunächſt die Aufgabe, die Summe des antiken Wiſſens, wie es ihm in zwei verſchiedenen Auf- faſſungen überliefert worden war, in ein Syſtem zu bringen. Daſſelbe bot zwar durch die naturgemäß faſt zu vorwaltend ausgebildete Dialektik 216) Der Name ſieht ſemitiſch aus, auch nennt ihn (was allerdings kein Be- weis iſt) Bartholomaeus Anglicus, der ihn citirt, chaldeus. Manche Thiernamen, wie die Fiſche abren, fastem, der leviathan, die Bezeichnung des im Phyſiologus Peridexion genannten Baumes als arbor zilanim ſprechen für einen Semiten. Ob der Name einem Schriftſteller angehört oder der Titel eines Buches iſt, ſelbſt ob er Jorach oder Jorath heißt, ſind alles noch unbeantwortete Fragen. Bei Thomas kommt er nicht vor, wohl aber bei deſſen Ueberſetzer Conrad von Megenberg und zwar bei der Amphisbaena, demſelben Thiere, bei welchem ihn auch noch einmal der Ortus sanitatis citirt. Bei Vincenz erſcheint er ſehr oft. Aldrovandi führt ihn zuletzt (beim Onager) an; Gesner erwähnt, daß Albertus ihn citire. 217) Ákabo, ut in libro sexaginta animalium dicitur, animal est mul- tum valens medicinae. — Dicitur autem in libro sexaginta animalium, quod caro canis calida est et sicca. 218) Ich verweiſe hier wieder auf die Darſtellung in Ritter's Chriſtlicher Philoſophie. 1. Bd.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/239>, abgerufen am 16.05.2024.