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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Das dreizehnte Jahrhundert.

Freilich dauerte es damit selbst noch eine geraume Zeit. Denn die
scharfe Sonderung der Stände hatte zur weiteren Folge, daß auch der
nun nicht mehr ausschließlich aus Geistlichen gebildete Gelehrtenstand
sich zünftig abzuschließen suchte. Die Gründung der Universitäten, d. h.
ursprünglich die Privilegirung gewisser Lehrer- und Schülergemeinden
war der nächste Schritt. An die Stelle des Dogmenzwangs, oder, da
derselbe bei dem allgemeinen Einfluß des Klerus nicht sofort zu besei-
tigen war, neben denselben trat nun der Schul- und Autoritätenzwang.
Es waren zwar weder die gelehrten Juristen in Bologna, welche durch
die Authentica Friedrich's I zur Bildung einer Universität privilegirt
wurden, noch die ärztlichen Lehrer in Salerno Geistliche178); an einer
freieren Entwickelung der Wissenschaft hinderte aber das strenge Fest-
halten an geschriebenen Autoritäten, welche in den den Lehren zu
Grunde gelegten "Summen" über die einzelnen Wissenszweige eine Be-
wegung nur in sehr engen, durch das Vorwalten der Dialektik in noch
schärfere Grenzen eingeschränkten Kreisen gestatteten.

Man könnte nun vielleicht meinen, daß das Bedürfniß nach expe-
rimenteller Grundlage wenigstens die so häufig mit der Entwickelung
der Naturwissenschaften in Beziehung gebrachten Aerzte veranlaßt oder
gedrängt hätte, in Bezug auf ihre Lehrweise einen Schritt weiter zu
gehn. Nach Allem aber, was hierüber bekannt worden ist, verstanden
die Aerzte der damaligen Zeit ebenso wenig sich der scholastischen Fesseln
zu entledigen, wie die Lehrer anderer Wissenschaften. Der Aufschwung,
welchen die Physik in dem für sein Zeitalter einzig dastehenden Roger
Baco
erhielt 179), entsprang andern Momenten, zum Theil wenigstens

178) wie bereits Meiners, Geschichte u. s. w. der hohen Schulen. 1. Bd.
1802. S. 7, histor. Vergleichung der Sitten u. s. w. des Mittelalters. Bd. 2. 1793.
S. 406. und Andere vor Häser (Geschichte der Medicin. 2. Aufl. S. 281) her-
vorgehoben haben.
179) Zur Charakterisirung der Kritik, welche etwa Roger Baco anwandte,
diene folgende Stelle aus der Schrift: De secretis operibus artis et naturae et
de nullitate magiae. Hamburg, 1518. p. 30: Et ideo homo potest facere
virtutem et speciem extra se quum sit nobilior aliis rebus corporalibus, et
praecipue propter dignitatem animae rationalis, et nihilominus exeunt spi-
ritus et calores ab eo sicut ab aliis animalibus. Et nos videmus, quod ali-
Das dreizehnte Jahrhundert.

Freilich dauerte es damit ſelbſt noch eine geraume Zeit. Denn die
ſcharfe Sonderung der Stände hatte zur weiteren Folge, daß auch der
nun nicht mehr ausſchließlich aus Geiſtlichen gebildete Gelehrtenſtand
ſich zünftig abzuſchließen ſuchte. Die Gründung der Univerſitäten, d. h.
urſprünglich die Privilegirung gewiſſer Lehrer- und Schülergemeinden
war der nächſte Schritt. An die Stelle des Dogmenzwangs, oder, da
derſelbe bei dem allgemeinen Einfluß des Klerus nicht ſofort zu beſei-
tigen war, neben denſelben trat nun der Schul- und Autoritätenzwang.
Es waren zwar weder die gelehrten Juriſten in Bologna, welche durch
die Authentica Friedrich's I zur Bildung einer Univerſität privilegirt
wurden, noch die ärztlichen Lehrer in Salerno Geiſtliche178); an einer
freieren Entwickelung der Wiſſenſchaft hinderte aber das ſtrenge Feſt-
halten an geſchriebenen Autoritäten, welche in den den Lehren zu
Grunde gelegten „Summen“ über die einzelnen Wiſſenszweige eine Be-
wegung nur in ſehr engen, durch das Vorwalten der Dialektik in noch
ſchärfere Grenzen eingeſchränkten Kreiſen geſtatteten.

Man könnte nun vielleicht meinen, daß das Bedürfniß nach expe-
rimenteller Grundlage wenigſtens die ſo häufig mit der Entwickelung
der Naturwiſſenſchaften in Beziehung gebrachten Aerzte veranlaßt oder
gedrängt hätte, in Bezug auf ihre Lehrweiſe einen Schritt weiter zu
gehn. Nach Allem aber, was hierüber bekannt worden iſt, verſtanden
die Aerzte der damaligen Zeit ebenſo wenig ſich der ſcholaſtiſchen Feſſeln
zu entledigen, wie die Lehrer anderer Wiſſenſchaften. Der Aufſchwung,
welchen die Phyſik in dem für ſein Zeitalter einzig daſtehenden Roger
Baco
erhielt 179), entſprang andern Momenten, zum Theil wenigſtens

178) wie bereits Meiners, Geſchichte u. ſ. w. der hohen Schulen. 1. Bd.
1802. S. 7, hiſtor. Vergleichung der Sitten u. ſ. w. des Mittelalters. Bd. 2. 1793.
S. 406. und Andere vor Häſer (Geſchichte der Medicin. 2. Aufl. S. 281) her-
vorgehoben haben.
179) Zur Charakteriſirung der Kritik, welche etwa Roger Baco anwandte,
diene folgende Stelle aus der Schrift: De secretis operibus artis et naturae et
de nullitate magiae. Hamburg, 1518. p. 30: Et ideo homo potest facere
virtutem et speciem extra se quum sit nobilior aliis rebus corporalibus, et
praecipue propter dignitatem animae rationalis, et nihilominus exeunt spi-
ritus et calores ab eo sicut ab aliis animalibus. Et nos videmus, quod ali-
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[203/0214] Das dreizehnte Jahrhundert. Freilich dauerte es damit ſelbſt noch eine geraume Zeit. Denn die ſcharfe Sonderung der Stände hatte zur weiteren Folge, daß auch der nun nicht mehr ausſchließlich aus Geiſtlichen gebildete Gelehrtenſtand ſich zünftig abzuſchließen ſuchte. Die Gründung der Univerſitäten, d. h. urſprünglich die Privilegirung gewiſſer Lehrer- und Schülergemeinden war der nächſte Schritt. An die Stelle des Dogmenzwangs, oder, da derſelbe bei dem allgemeinen Einfluß des Klerus nicht ſofort zu beſei- tigen war, neben denſelben trat nun der Schul- und Autoritätenzwang. Es waren zwar weder die gelehrten Juriſten in Bologna, welche durch die Authentica Friedrich's I zur Bildung einer Univerſität privilegirt wurden, noch die ärztlichen Lehrer in Salerno Geiſtliche 178); an einer freieren Entwickelung der Wiſſenſchaft hinderte aber das ſtrenge Feſt- halten an geſchriebenen Autoritäten, welche in den den Lehren zu Grunde gelegten „Summen“ über die einzelnen Wiſſenszweige eine Be- wegung nur in ſehr engen, durch das Vorwalten der Dialektik in noch ſchärfere Grenzen eingeſchränkten Kreiſen geſtatteten. Man könnte nun vielleicht meinen, daß das Bedürfniß nach expe- rimenteller Grundlage wenigſtens die ſo häufig mit der Entwickelung der Naturwiſſenſchaften in Beziehung gebrachten Aerzte veranlaßt oder gedrängt hätte, in Bezug auf ihre Lehrweiſe einen Schritt weiter zu gehn. Nach Allem aber, was hierüber bekannt worden iſt, verſtanden die Aerzte der damaligen Zeit ebenſo wenig ſich der ſcholaſtiſchen Feſſeln zu entledigen, wie die Lehrer anderer Wiſſenſchaften. Der Aufſchwung, welchen die Phyſik in dem für ſein Zeitalter einzig daſtehenden Roger Baco erhielt 179), entſprang andern Momenten, zum Theil wenigſtens 178) wie bereits Meiners, Geſchichte u. ſ. w. der hohen Schulen. 1. Bd. 1802. S. 7, hiſtor. Vergleichung der Sitten u. ſ. w. des Mittelalters. Bd. 2. 1793. S. 406. und Andere vor Häſer (Geſchichte der Medicin. 2. Aufl. S. 281) her- vorgehoben haben. 179) Zur Charakteriſirung der Kritik, welche etwa Roger Baco anwandte, diene folgende Stelle aus der Schrift: De secretis operibus artis et naturae et de nullitate magiae. Hamburg, 1518. p. 30: Et ideo homo potest facere virtutem et speciem extra se quum sit nobilior aliis rebus corporalibus, et praecipue propter dignitatem animae rationalis, et nihilominus exeunt spi- ritus et calores ab eo sicut ab aliis animalibus. Et nos videmus, quod ali-

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/214>, abgerufen am 27.11.2024.