Die bedeutendste Reise, welche im dreizehnten Jahrhundert aus- geführt wurde, ist die der Gebrüder Poli, von denen der eine, Marco Polo, siebenzehn Jahre lang (1275-1292) im Dienste des mongo- lischen Großkhans, Kubilai, verblieb und das ganze Innerasien vom Ostrande des schwarzen Meeres bis nach Peking und der Ostküste, und vom Altai bis nach Sumatra kennen lernte. Um einen Beleg über die Beschaffenheit der naturgeschichtlichen Belehrungen jener Zeit zu geben, mag hier eine kurze Uebersicht der wichtigsten zoologischen Mittheilun- gen Marco Polo's folgen172).
Was zunächst die Hausthiere betrifft, so hatte bereits Ruysbroeck der wilden, auf den Steppen der Tartarei in großen Heerden lebenden Pferde gedacht. Marco Polo rühmt die turkomanischen und persi- schen; im Usbekenlande finde sich eine edle Rasse, welche vom Buce- phalus abstammen soll. In der Stadt Schang-tu fand er einen großen Marstall mit zehntausend milchweißen Hengsten und Stuten. Die größten und schönsten Esel waren in Persien; sie sind schneller als die Kamele und werden daher häufiger zum Transport benutzt. Maulesel wurden in Turkomanien gezüchtet. Den Buckelochsen oder Zebu schildert Marco Polo als in Kamandu, einer unbekannten per- sischen Stadt gesehen. Den Grunzochsen oder Yak hatte bereits Ruys- broek aus dem Lande Tangut erwähnt. Marco Polo schildert ihn bei Erginul (Liang-tscheu) als an Größe dem Elefanten gleich, weiß und schwarz, an der Schulter mit drei Spannen langem Haar. Interessant ist es, daß er bereits einer Kreuzung des Yak mit dem gewöhnlichen Rinde gedenkt; die hieraus entspringenden Rinder sollen eine edle Rasse darstellen. Von Persien werden wiederum die großschwänzigen Schafe geschildert. Sie sollen so groß wie die Esel sein mit langen, dicken, bis zu 30 Pfund schweren Schwänzen. Im Lande Vokan sollen die großen Schafe bis zu drei bis sechs Spannen lange Hörner tragen. Von
172) Die Reisen des Venezianers Marco Polo im dreizehnten Jahrhundert. Zum ersten Male vollständig nach den besten Ausgaben deutsch mit einem Kom- mentar von Aug. Bürck. Leipzig, 1845. 80. italienisch in: Ramusio, Secondo Volume delle Navigationi et Viaggi. Venetia, 1574. Fol. Ich habe beide Aus- gaben benutzt.
Das dreizehnte Jahrhundert.
Die bedeutendſte Reiſe, welche im dreizehnten Jahrhundert aus- geführt wurde, iſt die der Gebrüder Poli, von denen der eine, Marco Polo, ſiebenzehn Jahre lang (1275-1292) im Dienſte des mongo- liſchen Großkhans, Kubilai, verblieb und das ganze Inneraſien vom Oſtrande des ſchwarzen Meeres bis nach Peking und der Oſtküſte, und vom Altai bis nach Sumatra kennen lernte. Um einen Beleg über die Beſchaffenheit der naturgeſchichtlichen Belehrungen jener Zeit zu geben, mag hier eine kurze Ueberſicht der wichtigſten zoologiſchen Mittheilun- gen Marco Polo's folgen172).
Was zunächſt die Hausthiere betrifft, ſo hatte bereits Ruysbroeck der wilden, auf den Steppen der Tartarei in großen Heerden lebenden Pferde gedacht. Marco Polo rühmt die turkomaniſchen und perſi- ſchen; im Usbekenlande finde ſich eine edle Raſſe, welche vom Buce- phalus abſtammen ſoll. In der Stadt Schang-tu fand er einen großen Marſtall mit zehntauſend milchweißen Hengſten und Stuten. Die größten und ſchönſten Eſel waren in Perſien; ſie ſind ſchneller als die Kamele und werden daher häufiger zum Transport benutzt. Mauleſel wurden in Turkomanien gezüchtet. Den Buckelochſen oder Zebu ſchildert Marco Polo als in Kamandu, einer unbekannten per- ſiſchen Stadt geſehen. Den Grunzochſen oder Yak hatte bereits Ruys- broek aus dem Lande Tangut erwähnt. Marco Polo ſchildert ihn bei Erginul (Liang-tſchéu) als an Größe dem Elefanten gleich, weiß und ſchwarz, an der Schulter mit drei Spannen langem Haar. Intereſſant iſt es, daß er bereits einer Kreuzung des Yak mit dem gewöhnlichen Rinde gedenkt; die hieraus entſpringenden Rinder ſollen eine edle Raſſe darſtellen. Von Perſien werden wiederum die großſchwänzigen Schafe geſchildert. Sie ſollen ſo groß wie die Eſel ſein mit langen, dicken, bis zu 30 Pfund ſchweren Schwänzen. Im Lande Vokan ſollen die großen Schafe bis zu drei bis ſechs Spannen lange Hörner tragen. Von
172) Die Reiſen des Venezianers Marco Polo im dreizehnten Jahrhundert. Zum erſten Male vollſtändig nach den beſten Ausgaben deutſch mit einem Kom- mentar von Aug. Bürck. Leipzig, 1845. 80. italieniſch in: Ramusio, Secondo Volume delle Navigationi et Viaggi. Venetia, 1574. Fol. Ich habe beide Aus- gaben benutzt.
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Polo, ſiebenzehn Jahre lang (1275-1292) im Dienſte des mongo-
liſchen Großkhans, Kubilai, verblieb und das ganze Inneraſien vom
Oſtrande des ſchwarzen Meeres bis nach Peking und der Oſtküſte, und
vom Altai bis nach Sumatra kennen lernte. Um einen Beleg über die
Beſchaffenheit der naturgeſchichtlichen Belehrungen jener Zeit zu geben,
mag hier eine kurze Ueberſicht der wichtigſten zoologiſchen Mittheilun-
gen Marco Polo's folgen 172).
Was zunächſt die Hausthiere betrifft, ſo hatte bereits Ruysbroeck
der wilden, auf den Steppen der Tartarei in großen Heerden lebenden
Pferde gedacht. Marco Polo rühmt die turkomaniſchen und perſi-
ſchen; im Usbekenlande finde ſich eine edle Raſſe, welche vom Buce-
phalus abſtammen ſoll. In der Stadt Schang-tu fand er einen großen
Marſtall mit zehntauſend milchweißen Hengſten und Stuten. Die
größten und ſchönſten Eſel waren in Perſien; ſie ſind ſchneller als
die Kamele und werden daher häufiger zum Transport benutzt.
Mauleſel wurden in Turkomanien gezüchtet. Den Buckelochſen oder
Zebu ſchildert Marco Polo als in Kamandu, einer unbekannten per-
ſiſchen Stadt geſehen. Den Grunzochſen oder Yak hatte bereits Ruys-
broek aus dem Lande Tangut erwähnt. Marco Polo ſchildert ihn bei
Erginul (Liang-tſchéu) als an Größe dem Elefanten gleich, weiß und
ſchwarz, an der Schulter mit drei Spannen langem Haar. Intereſſant
iſt es, daß er bereits einer Kreuzung des Yak mit dem gewöhnlichen
Rinde gedenkt; die hieraus entſpringenden Rinder ſollen eine edle Raſſe
darſtellen. Von Perſien werden wiederum die großſchwänzigen Schafe
geſchildert. Sie ſollen ſo groß wie die Eſel ſein mit langen, dicken, bis
zu 30 Pfund ſchweren Schwänzen. Im Lande Vokan ſollen die großen
Schafe bis zu drei bis ſechs Spannen lange Hörner tragen. Von
172) Die Reiſen des Venezianers Marco Polo im dreizehnten Jahrhundert.
Zum erſten Male vollſtändig nach den beſten Ausgaben deutſch mit einem Kom-
mentar von Aug. Bürck. Leipzig, 1845. 80. italieniſch in: Ramusio, Secondo
Volume delle Navigationi et Viaggi. Venetia, 1574. Fol. Ich habe beide Aus-
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/208>, abgerufen am 23.11.2024.
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