prägnanten Bezeichnung seines philosophischen Gehaltes, die Erfor- schung der Natur, als auf sinnlicher Erfahrung beruhend, der welt- lichen Wissenschaft überlieferte und durch dieses Losmachen von den Fesseln des Dogmenzwangs der neuen Zeit die Bahn brach.
Frägt man nun aber, von wem die Neuerungen, in früherer Zeit wenigstens die Anregungen zu lebhafterem geistigem Kampfe ausgiengen, so waren es allerdings im Anfange noch Benediktiner, wenn man nur auf Lanfranc und Anselm, die Gründer der Scholastik blickt. Doch gieng die Fortführung der Bewegung bald in andere Hände über. Die, wie schon oben erwähnt, des Lehramts nicht mehr pflegenden Genossen Benedikt's trieben die weniger aufregende Geschichtschreibung und über- ließen den eigentlichen Tummelplatz der Geister anderen Orden. Und hier tritt nun die Bedeutung der beiden Bettelorden hervor. Die Päbste waren doch des ewigen Schleuderns von Bannstrahlen gegen anders Denkende müde geworden und begrüßten in den neu entstehen- den, freilich im Grunde durch Opposition gegen päbstliches Unwesen veranlaßten Orden wirksame Helfer bei der Arbeit, den Ketzereien zu steuern. Schon seit dem elften Jahrhundert war einzeln und zusam- menhanglos, aber mitunter äußerst heftig gegen das prunkhafte äußer- liche und weltliche Leben der Geistlichkeit und der Päbste selbst, sowie gegen den starren Dogmenzwang der Kirche angekämpft worden. Be- denklich wurden die Bewegungen zu Ende des zwölften und Anfang des dreizehnten Jahrhunderts. Es ergriff daher InnocenzIII das sich ihm in Franciscus und Dominicus bietende Mittel, durch Anerkennung des Princips der Armuth und aufopfernden Entsagung nicht bloß den haupt- sächlichsten Klagen gegen seine Kleriker gerecht zu werden, sondern durch die sich den bürgerlichen Verhältnissen viel leichter und schneller anbe- quemenden Bettelmönche direct in Lehre und Predigt auf das Volk wirken zu können. Die schnelle Verbreitung beider Orden, die zuweilen fast häretische Stellung der Franziskaner, die Betheiligung der Domi- nikaner an der Schürung der wahnsinnigen Ketzervertilgungen, der greulichen Albigenserkriege, die ihnen bald überlassene Inquisition mit allen den schaudervollen Ungeheuerlichkeiten, welche die Unterordnung der weltlichen Executive unter das geistliche Gericht mit sich brachte,
Die Zoologie des Mittelalters.
prägnanten Bezeichnung ſeines philoſophiſchen Gehaltes, die Erfor- ſchung der Natur, als auf ſinnlicher Erfahrung beruhend, der welt- lichen Wiſſenſchaft überlieferte und durch dieſes Losmachen von den Feſſeln des Dogmenzwangs der neuen Zeit die Bahn brach.
Frägt man nun aber, von wem die Neuerungen, in früherer Zeit wenigſtens die Anregungen zu lebhafterem geiſtigem Kampfe ausgiengen, ſo waren es allerdings im Anfange noch Benediktiner, wenn man nur auf Lanfranc und Anſelm, die Gründer der Scholaſtik blickt. Doch gieng die Fortführung der Bewegung bald in andere Hände über. Die, wie ſchon oben erwähnt, des Lehramts nicht mehr pflegenden Genoſſen Benedikt's trieben die weniger aufregende Geſchichtſchreibung und über- ließen den eigentlichen Tummelplatz der Geiſter anderen Orden. Und hier tritt nun die Bedeutung der beiden Bettelorden hervor. Die Päbſte waren doch des ewigen Schleuderns von Bannſtrahlen gegen anders Denkende müde geworden und begrüßten in den neu entſtehen- den, freilich im Grunde durch Oppoſition gegen päbſtliches Unweſen veranlaßten Orden wirkſame Helfer bei der Arbeit, den Ketzereien zu ſteuern. Schon ſeit dem elften Jahrhundert war einzeln und zuſam- menhanglos, aber mitunter äußerſt heftig gegen das prunkhafte äußer- liche und weltliche Leben der Geiſtlichkeit und der Päbſte ſelbſt, ſowie gegen den ſtarren Dogmenzwang der Kirche angekämpft worden. Be- denklich wurden die Bewegungen zu Ende des zwölften und Anfang des dreizehnten Jahrhunderts. Es ergriff daher InnocenzIII das ſich ihm in Franciscus und Dominicus bietende Mittel, durch Anerkennung des Princips der Armuth und aufopfernden Entſagung nicht bloß den haupt- ſächlichſten Klagen gegen ſeine Kleriker gerecht zu werden, ſondern durch die ſich den bürgerlichen Verhältniſſen viel leichter und ſchneller anbe- quemenden Bettelmönche direct in Lehre und Predigt auf das Volk wirken zu können. Die ſchnelle Verbreitung beider Orden, die zuweilen faſt häretiſche Stellung der Franziskaner, die Betheiligung der Domi- nikaner an der Schürung der wahnſinnigen Ketzervertilgungen, der greulichen Albigenſerkriege, die ihnen bald überlaſſene Inquiſition mit allen den ſchaudervollen Ungeheuerlichkeiten, welche die Unterordnung der weltlichen Executive unter das geiſtliche Gericht mit ſich brachte,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0161"n="150"/><fwplace="top"type="header">Die Zoologie des Mittelalters.</fw><lb/>
prägnanten Bezeichnung ſeines philoſophiſchen Gehaltes, die Erfor-<lb/>ſchung der Natur, als auf ſinnlicher Erfahrung beruhend, der welt-<lb/>
lichen Wiſſenſchaft überlieferte und durch dieſes Losmachen von den<lb/>
Feſſeln des Dogmenzwangs der neuen Zeit die Bahn brach.</p><lb/><p> Frägt man nun aber, von wem die Neuerungen, in früherer Zeit<lb/>
wenigſtens die Anregungen zu lebhafterem geiſtigem Kampfe ausgiengen,<lb/>ſo waren es allerdings im Anfange noch Benediktiner, wenn man nur<lb/>
auf <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11856921X">Lanfranc</persName> und <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118503278">Anſelm</persName>, die Gründer der Scholaſtik blickt. Doch<lb/>
gieng die Fortführung der Bewegung bald in andere Hände über. Die,<lb/>
wie ſchon oben erwähnt, des Lehramts nicht mehr pflegenden Genoſſen<lb/><persNameref="http://d-nb.info/gnd/118508911">Benedikt</persName>'s trieben die weniger aufregende Geſchichtſchreibung und über-<lb/>
ließen den eigentlichen Tummelplatz der Geiſter anderen Orden.<lb/>
Und hier tritt nun die Bedeutung der beiden Bettelorden hervor. Die<lb/>
Päbſte waren doch des ewigen Schleuderns von Bannſtrahlen gegen<lb/>
anders Denkende müde geworden und begrüßten in den neu entſtehen-<lb/>
den, freilich im Grunde durch Oppoſition gegen päbſtliches Unweſen<lb/>
veranlaßten Orden wirkſame Helfer bei der Arbeit, den Ketzereien zu<lb/>ſteuern. Schon ſeit dem elften Jahrhundert war einzeln und zuſam-<lb/>
menhanglos, aber mitunter äußerſt heftig gegen das prunkhafte äußer-<lb/>
liche und weltliche Leben der Geiſtlichkeit und der Päbſte ſelbſt, ſowie<lb/>
gegen den ſtarren Dogmenzwang der Kirche angekämpft worden. Be-<lb/>
denklich wurden die Bewegungen zu Ende des zwölften und Anfang des<lb/>
dreizehnten Jahrhunderts. Es ergriff daher <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118555642">Innocenz</persName><hirendition="#aq">III</hi> das ſich ihm<lb/>
in Franciscus und Dominicus bietende Mittel, durch Anerkennung des<lb/>
Princips der Armuth und aufopfernden Entſagung nicht bloß den haupt-<lb/>ſächlichſten Klagen gegen ſeine Kleriker gerecht zu werden, ſondern durch<lb/>
die ſich den bürgerlichen Verhältniſſen viel leichter und ſchneller anbe-<lb/>
quemenden Bettelmönche direct in Lehre und Predigt auf das Volk<lb/>
wirken zu können. Die ſchnelle Verbreitung beider Orden, die zuweilen<lb/>
faſt häretiſche Stellung der Franziskaner, die Betheiligung der Domi-<lb/>
nikaner an der Schürung der wahnſinnigen Ketzervertilgungen, der<lb/>
greulichen Albigenſerkriege, die ihnen bald überlaſſene Inquiſition mit<lb/>
allen den ſchaudervollen Ungeheuerlichkeiten, welche die Unterordnung<lb/>
der weltlichen Executive unter das geiſtliche Gericht mit ſich brachte,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[150/0161]
Die Zoologie des Mittelalters.
prägnanten Bezeichnung ſeines philoſophiſchen Gehaltes, die Erfor-
ſchung der Natur, als auf ſinnlicher Erfahrung beruhend, der welt-
lichen Wiſſenſchaft überlieferte und durch dieſes Losmachen von den
Feſſeln des Dogmenzwangs der neuen Zeit die Bahn brach.
Frägt man nun aber, von wem die Neuerungen, in früherer Zeit
wenigſtens die Anregungen zu lebhafterem geiſtigem Kampfe ausgiengen,
ſo waren es allerdings im Anfange noch Benediktiner, wenn man nur
auf Lanfranc und Anſelm, die Gründer der Scholaſtik blickt. Doch
gieng die Fortführung der Bewegung bald in andere Hände über. Die,
wie ſchon oben erwähnt, des Lehramts nicht mehr pflegenden Genoſſen
Benedikt's trieben die weniger aufregende Geſchichtſchreibung und über-
ließen den eigentlichen Tummelplatz der Geiſter anderen Orden.
Und hier tritt nun die Bedeutung der beiden Bettelorden hervor. Die
Päbſte waren doch des ewigen Schleuderns von Bannſtrahlen gegen
anders Denkende müde geworden und begrüßten in den neu entſtehen-
den, freilich im Grunde durch Oppoſition gegen päbſtliches Unweſen
veranlaßten Orden wirkſame Helfer bei der Arbeit, den Ketzereien zu
ſteuern. Schon ſeit dem elften Jahrhundert war einzeln und zuſam-
menhanglos, aber mitunter äußerſt heftig gegen das prunkhafte äußer-
liche und weltliche Leben der Geiſtlichkeit und der Päbſte ſelbſt, ſowie
gegen den ſtarren Dogmenzwang der Kirche angekämpft worden. Be-
denklich wurden die Bewegungen zu Ende des zwölften und Anfang des
dreizehnten Jahrhunderts. Es ergriff daher Innocenz III das ſich ihm
in Franciscus und Dominicus bietende Mittel, durch Anerkennung des
Princips der Armuth und aufopfernden Entſagung nicht bloß den haupt-
ſächlichſten Klagen gegen ſeine Kleriker gerecht zu werden, ſondern durch
die ſich den bürgerlichen Verhältniſſen viel leichter und ſchneller anbe-
quemenden Bettelmönche direct in Lehre und Predigt auf das Volk
wirken zu können. Die ſchnelle Verbreitung beider Orden, die zuweilen
faſt häretiſche Stellung der Franziskaner, die Betheiligung der Domi-
nikaner an der Schürung der wahnſinnigen Ketzervertilgungen, der
greulichen Albigenſerkriege, die ihnen bald überlaſſene Inquiſition mit
allen den ſchaudervollen Ungeheuerlichkeiten, welche die Unterordnung
der weltlichen Executive unter das geiſtliche Gericht mit ſich brachte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/161>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.