Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Die Zoologie des Mittelalters. sind einige für die besondere Geschichte der Physiologus-Bearbeitungendadurch von Interesse, als sie aus früheren Verwechselungen selbstän- dig sich lösende Bilder darstellen, wie z. B. Storch und Weihe, zwei Vögel, welche in den früheren Bearbeitungen unter Fulica und Strauß mit einbegriffen waren. Merkwürdig ist, daß der im armenischen Phy- siologus vorkommende Vogel Zeraham im altfranzösischen des Pierre Picard als "indischer Vogel" wiedererscheint. Daß endlich in letztge- nannter Bearbeitung auch die Baumgans vorkommt, spricht für das Volksthümliche dieser Sage. Unter den Reptilien werden die Schlangen am häufigsten an- Von den Schlangen im Allgemeinen wird die Viper getrennt und 63) Isidorus Hisp. sagt allerdings (XII, 4, 43): Plinius dicit. Das Citat ist
aber aus Servius zu Virgilius, Georgica III, 422 (timidum caput abdidit ille) und lautet: Serpentes caput etiam si duobus evaserit digitis nihilominus vivit. Die Stelle ist im Plinius, so weit er erhalten ist, nicht zu finden. Die Zoologie des Mittelalters. ſind einige für die beſondere Geſchichte der Phyſiologus-Bearbeitungendadurch von Intereſſe, als ſie aus früheren Verwechſelungen ſelbſtän- dig ſich löſende Bilder darſtellen, wie z. B. Storch und Weihe, zwei Vögel, welche in den früheren Bearbeitungen unter Fulica und Strauß mit einbegriffen waren. Merkwürdig iſt, daß der im armeniſchen Phy- ſiologus vorkommende Vogel Zeraham im altfranzöſiſchen des Pierre Picard als „indiſcher Vogel“ wiedererſcheint. Daß endlich in letztge- nannter Bearbeitung auch die Baumgans vorkommt, ſpricht für das Volksthümliche dieſer Sage. Unter den Reptilien werden die Schlangen am häufigſten an- Von den Schlangen im Allgemeinen wird die Viper getrennt und 63) Isidorus Hisp. ſagt allerdings (XII, 4, 43): Plinius dicit. Das Citat iſt
aber aus Servius zu Virgilius, Georgica III, 422 (timidum caput abdidit ille) und lautet: Serpentes caput etiam si duobus evaserit digitis nihilominus vivit. Die Stelle iſt im Plinius, ſo weit er erhalten iſt, nicht zu finden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0145" n="134"/><fw place="top" type="header">Die Zoologie des Mittelalters.</fw><lb/> ſind einige für die beſondere Geſchichte der Phyſiologus-Bearbeitungen<lb/> dadurch von Intereſſe, als ſie aus früheren Verwechſelungen ſelbſtän-<lb/> dig ſich löſende Bilder darſtellen, wie z. B. Storch und Weihe, zwei<lb/> Vögel, welche in den früheren Bearbeitungen unter Fulica und Strauß<lb/> mit einbegriffen waren. Merkwürdig iſt, daß der im armeniſchen Phy-<lb/> ſiologus vorkommende Vogel Zeraham im altfranzöſiſchen des Pierre<lb/> Picard als „indiſcher Vogel“ wiedererſcheint. Daß endlich in letztge-<lb/> nannter Bearbeitung auch die Baumgans vorkommt, ſpricht für das<lb/> Volksthümliche dieſer Sage.</p><lb/> <p>Unter den Reptilien werden die <hi rendition="#g">Schlangen</hi> am häufigſten an-<lb/> geführt. Von den vier Eigenſchaften derſelben iſt die erſte die Häutung,<lb/> welche ſich an ältere Angaben, freilich ausgeſchmückt anſchließt (z. B.<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName>, <hi rendition="#aq">hist. anim. 9, 113</hi>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119160285">Aelian</persName> 9, 13 u. a.). Zu zweit wird<lb/> erzählt, daß die Schlange ihr Gift ablegt, ehe ſie trinkt. Dies iſt nur<lb/> noch bei Kirchenvätern zu finden; auf welche ſonſtige Angabe ſich dies<lb/> etwa gründen könnte, iſt nicht ermittelt. Ferner ſoll die Schlange nur<lb/> den bekleideten Menſchen angreifen, den nackten dagegen fliehen, eine<lb/> Schilderung, die ſich bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118682229">Epiphanius</persName> gerade umgekehrt findet. Ob ſich<lb/> dies mit der Sage von den Pſyllen in Verbindung bringen läßt, wie<lb/> es <persName ref="http://d-nb.info/gnd/124850308">Ponce de Leon</persName> thut, iſt zweifelhaft. Noch <persName ref="http://d-nb.info/gnd/101045689">Damiri</persName> erzählt es. End-<lb/> lich ſoll die Schlange, wenn ſie verfolgt wird, den Kopf verbergen und<lb/> den ganzen übrigen Körper Preis geben. Hierfür führt <persName ref="http://d-nb.info/gnd/124850308">Ponce de Leon</persName><lb/> eine Stelle des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118555995">Iſidorus</persName> an, wo er ſich auf <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118595083">Plinius</persName> beruft<note place="foot" n="63)"><hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118555995">Isidorus</persName> Hisp.</hi> ſagt allerdings (<hi rendition="#aq">XII, 4, 43</hi>): <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118595083">Plinius</persName> dicit</hi>. Das Citat iſt<lb/> aber aus <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118796313">Servius</persName> zu <hi rendition="#aq"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118626574">Virgilius</persName>, Georgica III, 422 (timidum caput abdidit ille</hi>)<lb/> und lautet: <hi rendition="#aq">Serpentes caput etiam si duobus evaserit digitis nihilominus<lb/> vivit.</hi> Die Stelle iſt im <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118595083">Plinius</persName>, ſo weit er erhalten iſt, nicht zu finden.</note>.</p><lb/> <p>Von den Schlangen im Allgemeinen wird die <hi rendition="#g">Viper</hi> getrennt und<lb/> von ihr erzählt, was ſich ſchon bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118549855">Herodot</persName> 3, 109 findet. Bei der Be-<lb/> gattung ſoll die weibliche Viper der männlichen, welche ihren Kopf in den<lb/> Mund der erſtern ſtreckt, letzteren (bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118549855">Herodot</persName> den Hals <hi rendition="#aq">ed. Baehr II.<lb/> p. 214</hi>) abbeißen (vergl. das oben beim Wieſel Geſagte). Das Weibchen<lb/> ſoll indeſſen auch bald ſterben, indem die Jungen die Geburt nicht er-<lb/> warten, ſondern die Eingeweide ihrer Mutter zerfreſſen, um nach außen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [134/0145]
Die Zoologie des Mittelalters.
ſind einige für die beſondere Geſchichte der Phyſiologus-Bearbeitungen
dadurch von Intereſſe, als ſie aus früheren Verwechſelungen ſelbſtän-
dig ſich löſende Bilder darſtellen, wie z. B. Storch und Weihe, zwei
Vögel, welche in den früheren Bearbeitungen unter Fulica und Strauß
mit einbegriffen waren. Merkwürdig iſt, daß der im armeniſchen Phy-
ſiologus vorkommende Vogel Zeraham im altfranzöſiſchen des Pierre
Picard als „indiſcher Vogel“ wiedererſcheint. Daß endlich in letztge-
nannter Bearbeitung auch die Baumgans vorkommt, ſpricht für das
Volksthümliche dieſer Sage.
Unter den Reptilien werden die Schlangen am häufigſten an-
geführt. Von den vier Eigenſchaften derſelben iſt die erſte die Häutung,
welche ſich an ältere Angaben, freilich ausgeſchmückt anſchließt (z. B.
Ariſtoteles, hist. anim. 9, 113, Aelian 9, 13 u. a.). Zu zweit wird
erzählt, daß die Schlange ihr Gift ablegt, ehe ſie trinkt. Dies iſt nur
noch bei Kirchenvätern zu finden; auf welche ſonſtige Angabe ſich dies
etwa gründen könnte, iſt nicht ermittelt. Ferner ſoll die Schlange nur
den bekleideten Menſchen angreifen, den nackten dagegen fliehen, eine
Schilderung, die ſich bei Epiphanius gerade umgekehrt findet. Ob ſich
dies mit der Sage von den Pſyllen in Verbindung bringen läßt, wie
es Ponce de Leon thut, iſt zweifelhaft. Noch Damiri erzählt es. End-
lich ſoll die Schlange, wenn ſie verfolgt wird, den Kopf verbergen und
den ganzen übrigen Körper Preis geben. Hierfür führt Ponce de Leon
eine Stelle des Iſidorus an, wo er ſich auf Plinius beruft 63).
Von den Schlangen im Allgemeinen wird die Viper getrennt und
von ihr erzählt, was ſich ſchon bei Herodot 3, 109 findet. Bei der Be-
gattung ſoll die weibliche Viper der männlichen, welche ihren Kopf in den
Mund der erſtern ſtreckt, letzteren (bei Herodot den Hals ed. Baehr II.
p. 214) abbeißen (vergl. das oben beim Wieſel Geſagte). Das Weibchen
ſoll indeſſen auch bald ſterben, indem die Jungen die Geburt nicht er-
warten, ſondern die Eingeweide ihrer Mutter zerfreſſen, um nach außen
63) Isidorus Hisp. ſagt allerdings (XII, 4, 43): Plinius dicit. Das Citat iſt
aber aus Servius zu Virgilius, Georgica III, 422 (timidum caput abdidit ille)
und lautet: Serpentes caput etiam si duobus evaserit digitis nihilominus
vivit. Die Stelle iſt im Plinius, ſo weit er erhalten iſt, nicht zu finden.
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