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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Die Zoologie des Mittelalters.
noch in den naturhistorischen Compilationen des dreizehnten Jahrhun-
derts wird Isidor neben Aristoteles und Plinius am häufigsten citirt.
Freilich ist für die Geschichte der Zoologie das Werk des Isidorus nur
von rein äußerer Bedeutung. Es enthält eine Menge einzelner Notizen
aus alten Schriftstellern, aber es hat sich nicht die Aufgabe gestellt,
die Summe des zoologischen Wissens seiner Zeit darzustellen. Es wäre
daher zunächst verfehlt, in der Reihenfolge, welche Isidor bei seiner
Darstellung befolgt hat, etwa den Versuch eines Systems erblicken zu
wollen. Und auch in Bezug auf die Thatsachen, welche er mittheilt,
war es ihm nicht darum zu thun, irgend ein naturhistorisches Bild des
betreffenden Thieres zu geben; sondern neben der Etymologie des Na-
mens, welche überall an der Spitze der einzelnen Artikel steht und oft
das einzig Mitgetheilte ist, macht er bald naturhistorische, bald medici-
nische, bald fabelhafte Angaben, nur selten unter Anführung von Ge-
währsmännern. Unter diesen erscheinen Dichter, wie Horatius, Nae-
vius
, Lucanus, Lucretius, Macer, Virgilius u. a. ebenso häufig oder
selbst häufiger, als Aristoteles, welcher im zwölften den Thieren ge-
widmeten Buche nur einmal angeführt wird, und Plinius. Da Isidor
nicht selbst Naturforscher war, sondern sein Werk zu Unterrichts-
zwecken nur aus andern Schriftstellern zusammentrug, kann man nicht
erwarten, bei ihm einen selbständigen Standpunkt vertreten zu sehen.
Er war litterarischer Sammler, wie von Plinius an bis in das drei-
zehnte Jahrhundert alle Schriftsteller über Zoologie. In einer Be-
ziehung weicht aber Isidorus von den ihm zunächst vorausgehenden und
folgenden Verfassern ähnlich allgemeiner Werke ab: es fehlt bei ihm
völlig an jener symbolisirenden und allegorisirenden Auslegung, wo-
durch man sich bestrebte, alle Thatsachen der belebten (oft auch der un-
belebten) Natur in ein Verhältniß zum Menschen zu bringen.

Hat sich auch aus den früheren Jahrhunderten des Mittelalters
noch manches andere Zeugniß für den eigenthümlichen Geist des Unter-
richts erhalten, so bieten sie doch alle dieselben Bilder dar. Es ist hier
nur von untergeordnetem Interesse, daß zeitweise der Unterricht in den
Klöstern vernachlässigt wurde, wofür die wiederholten Klagen der Päbste
und Bischöfe sprechen (z. B. in den Jahren 826 und 850), daß auch

Die Zoologie des Mittelalters.
noch in den naturhiſtoriſchen Compilationen des dreizehnten Jahrhun-
derts wird Iſidor neben Ariſtoteles und Plinius am häufigſten citirt.
Freilich iſt für die Geſchichte der Zoologie das Werk des Iſidorus nur
von rein äußerer Bedeutung. Es enthält eine Menge einzelner Notizen
aus alten Schriftſtellern, aber es hat ſich nicht die Aufgabe geſtellt,
die Summe des zoologiſchen Wiſſens ſeiner Zeit darzuſtellen. Es wäre
daher zunächſt verfehlt, in der Reihenfolge, welche Iſidor bei ſeiner
Darſtellung befolgt hat, etwa den Verſuch eines Syſtems erblicken zu
wollen. Und auch in Bezug auf die Thatſachen, welche er mittheilt,
war es ihm nicht darum zu thun, irgend ein naturhiſtoriſches Bild des
betreffenden Thieres zu geben; ſondern neben der Etymologie des Na-
mens, welche überall an der Spitze der einzelnen Artikel ſteht und oft
das einzig Mitgetheilte iſt, macht er bald naturhiſtoriſche, bald medici-
niſche, bald fabelhafte Angaben, nur ſelten unter Anführung von Ge-
währsmännern. Unter dieſen erſcheinen Dichter, wie Horatius, Nae-
vius
, Lucanus, Lucretius, Macer, Virgilius u. a. ebenſo häufig oder
ſelbſt häufiger, als Ariſtoteles, welcher im zwölften den Thieren ge-
widmeten Buche nur einmal angeführt wird, und Plinius. Da Iſidor
nicht ſelbſt Naturforſcher war, ſondern ſein Werk zu Unterrichts-
zwecken nur aus andern Schriftſtellern zuſammentrug, kann man nicht
erwarten, bei ihm einen ſelbſtändigen Standpunkt vertreten zu ſehen.
Er war litterariſcher Sammler, wie von Plinius an bis in das drei-
zehnte Jahrhundert alle Schriftſteller über Zoologie. In einer Be-
ziehung weicht aber Iſidorus von den ihm zunächſt vorausgehenden und
folgenden Verfaſſern ähnlich allgemeiner Werke ab: es fehlt bei ihm
völlig an jener ſymboliſirenden und allegoriſirenden Auslegung, wo-
durch man ſich beſtrebte, alle Thatſachen der belebten (oft auch der un-
belebten) Natur in ein Verhältniß zum Menſchen zu bringen.

Hat ſich auch aus den früheren Jahrhunderten des Mittelalters
noch manches andere Zeugniß für den eigenthümlichen Geiſt des Unter-
richts erhalten, ſo bieten ſie doch alle dieſelben Bilder dar. Es iſt hier
nur von untergeordnetem Intereſſe, daß zeitweiſe der Unterricht in den
Klöſtern vernachläſſigt wurde, wofür die wiederholten Klagen der Päbſte
und Biſchöfe ſprechen (z. B. in den Jahren 826 und 850), daß auch

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[106/0117] Die Zoologie des Mittelalters. noch in den naturhiſtoriſchen Compilationen des dreizehnten Jahrhun- derts wird Iſidor neben Ariſtoteles und Plinius am häufigſten citirt. Freilich iſt für die Geſchichte der Zoologie das Werk des Iſidorus nur von rein äußerer Bedeutung. Es enthält eine Menge einzelner Notizen aus alten Schriftſtellern, aber es hat ſich nicht die Aufgabe geſtellt, die Summe des zoologiſchen Wiſſens ſeiner Zeit darzuſtellen. Es wäre daher zunächſt verfehlt, in der Reihenfolge, welche Iſidor bei ſeiner Darſtellung befolgt hat, etwa den Verſuch eines Syſtems erblicken zu wollen. Und auch in Bezug auf die Thatſachen, welche er mittheilt, war es ihm nicht darum zu thun, irgend ein naturhiſtoriſches Bild des betreffenden Thieres zu geben; ſondern neben der Etymologie des Na- mens, welche überall an der Spitze der einzelnen Artikel ſteht und oft das einzig Mitgetheilte iſt, macht er bald naturhiſtoriſche, bald medici- niſche, bald fabelhafte Angaben, nur ſelten unter Anführung von Ge- währsmännern. Unter dieſen erſcheinen Dichter, wie Horatius, Nae- vius, Lucanus, Lucretius, Macer, Virgilius u. a. ebenſo häufig oder ſelbſt häufiger, als Ariſtoteles, welcher im zwölften den Thieren ge- widmeten Buche nur einmal angeführt wird, und Plinius. Da Iſidor nicht ſelbſt Naturforſcher war, ſondern ſein Werk zu Unterrichts- zwecken nur aus andern Schriftſtellern zuſammentrug, kann man nicht erwarten, bei ihm einen ſelbſtändigen Standpunkt vertreten zu ſehen. Er war litterariſcher Sammler, wie von Plinius an bis in das drei- zehnte Jahrhundert alle Schriftſteller über Zoologie. In einer Be- ziehung weicht aber Iſidorus von den ihm zunächſt vorausgehenden und folgenden Verfaſſern ähnlich allgemeiner Werke ab: es fehlt bei ihm völlig an jener ſymboliſirenden und allegoriſirenden Auslegung, wo- durch man ſich beſtrebte, alle Thatſachen der belebten (oft auch der un- belebten) Natur in ein Verhältniß zum Menſchen zu bringen. Hat ſich auch aus den früheren Jahrhunderten des Mittelalters noch manches andere Zeugniß für den eigenthümlichen Geiſt des Unter- richts erhalten, ſo bieten ſie doch alle dieſelben Bilder dar. Es iſt hier nur von untergeordnetem Intereſſe, daß zeitweiſe der Unterricht in den Klöſtern vernachläſſigt wurde, wofür die wiederholten Klagen der Päbſte und Biſchöfe ſprechen (z. B. in den Jahren 826 und 850), daß auch

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/117>, abgerufen am 22.11.2024.