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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Die Zoologie des Mittelalters.
stellen, z. B. Tatian. Hierdurch vollzog sich in einzelnen Fällen der
Bruch mit der antiken Wissenschaft vollständig. Doch waren es vor-
züglich zwei Punkte, welche neben ihrem tiefeingreifenden culturge-
schichtlichen Einflusse für die Stellung und Weiterentwickelung der Na-
turwissenschaften von größter und leider nicht bloß im frühen Mittel-
alter verhängnißvoller Bedeutung wurden: die Entwickelung des
Mönchthums und die Erhebung der Kirche zu einer priesterlichen und
bischöflichen Anstalt, welche nicht bloß die Glaubenslehren zu bestim-
men und zu befestigen suchte, sondern auch in Wissensgebieten die ihr
eigentlich fern lagen sich eine Ausschlag gebende Stimme zu sichern
wußte, häufig freilich mit Mitteln, welche den Vertretern der Religion
der Liebe wenig ziemte.

Je schwärzer das geistige Unheil des Alterthums von eifernden
Vertheidigern des Christenthums dargestellt wurde, je herrlicher die
opferfreudige Dienstbarkeit gegen Gott und Mitmenschen den Jüngern
des Kreuzes erschien, desto mehr mußte in leicht entzündbaren Ge-
müthern der Entschluß reifen, durch völliges Hingeben an ein Leben voll
Büßungen und Gebet, durch Entsagung alles irdischen Genusses der
endlichen Seligkeit um so sicherer theilhaft zu werden. Namentlich wa-
ren es die einer beschaulichen Lebensweise und schwärmerischen Askese
ohnehin geneigten Morgenländer, welche in einem Absterben der Welt
die wahre Tugendfülle bethätigen zu können meinten. Dem ersten Ein-
siedler Paulus und seinem Schüler Antonius, welcher wegen der ihm
vorgeblich erschienenen wunderbaren Thier- und Menschengestalten noch
im dreizehnten Jahrhundert vielfach erwähnt wird, folgten bald zahl-
reiche Jünger. Ihnen gab Pachomius die erste Regel eines gemeinsa-
men Lebens; derselbe wurde dadurch Gründer des Klosterthums. Lagen
auch litterarische Beschäftigungen den einsiedlerisch oder gemeinsam
lebenden Mönchen ursprünglich fern, so zeichneten sich doch unter den
vom vierten Jahrhundert an durch ganz Vorderasien bis in das Sassa-
nidenreich verbreiteten Mönche die syrischen zu Edessa durch ihre Ge-
lehrsamkeit rühmlich aus. Durch die Syrer lernten überhaupt schon
in der vormuhammedanischen Zeit die Orientalen den Aristoteles und
andere griechische Schriftsteller kennen.


Die Zoologie des Mittelalters.
ſtellen, z. B. Tatian. Hierdurch vollzog ſich in einzelnen Fällen der
Bruch mit der antiken Wiſſenſchaft vollſtändig. Doch waren es vor-
züglich zwei Punkte, welche neben ihrem tiefeingreifenden culturge-
ſchichtlichen Einfluſſe für die Stellung und Weiterentwickelung der Na-
turwiſſenſchaften von größter und leider nicht bloß im frühen Mittel-
alter verhängnißvoller Bedeutung wurden: die Entwickelung des
Mönchthums und die Erhebung der Kirche zu einer prieſterlichen und
biſchöflichen Anſtalt, welche nicht bloß die Glaubenslehren zu beſtim-
men und zu befeſtigen ſuchte, ſondern auch in Wiſſensgebieten die ihr
eigentlich fern lagen ſich eine Ausſchlag gebende Stimme zu ſichern
wußte, häufig freilich mit Mitteln, welche den Vertretern der Religion
der Liebe wenig ziemte.

Je ſchwärzer das geiſtige Unheil des Alterthums von eifernden
Vertheidigern des Chriſtenthums dargeſtellt wurde, je herrlicher die
opferfreudige Dienſtbarkeit gegen Gott und Mitmenſchen den Jüngern
des Kreuzes erſchien, deſto mehr mußte in leicht entzündbaren Ge-
müthern der Entſchluß reifen, durch völliges Hingeben an ein Leben voll
Büßungen und Gebet, durch Entſagung alles irdiſchen Genuſſes der
endlichen Seligkeit um ſo ſicherer theilhaft zu werden. Namentlich wa-
ren es die einer beſchaulichen Lebensweiſe und ſchwärmeriſchen Aſkeſe
ohnehin geneigten Morgenländer, welche in einem Abſterben der Welt
die wahre Tugendfülle bethätigen zu können meinten. Dem erſten Ein-
ſiedler Paulus und ſeinem Schüler Antonius, welcher wegen der ihm
vorgeblich erſchienenen wunderbaren Thier- und Menſchengeſtalten noch
im dreizehnten Jahrhundert vielfach erwähnt wird, folgten bald zahl-
reiche Jünger. Ihnen gab Pachomius die erſte Regel eines gemeinſa-
men Lebens; derſelbe wurde dadurch Gründer des Kloſterthums. Lagen
auch litterariſche Beſchäftigungen den einſiedleriſch oder gemeinſam
lebenden Mönchen urſprünglich fern, ſo zeichneten ſich doch unter den
vom vierten Jahrhundert an durch ganz Vorderaſien bis in das Saſſa-
nidenreich verbreiteten Mönche die ſyriſchen zu Edeſſa durch ihre Ge-
lehrſamkeit rühmlich aus. Durch die Syrer lernten überhaupt ſchon
in der vormuhammedaniſchen Zeit die Orientalen den Ariſtoteles und
andere griechiſche Schriftſteller kennen.


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[100/0111] Die Zoologie des Mittelalters. ſtellen, z. B. Tatian. Hierdurch vollzog ſich in einzelnen Fällen der Bruch mit der antiken Wiſſenſchaft vollſtändig. Doch waren es vor- züglich zwei Punkte, welche neben ihrem tiefeingreifenden culturge- ſchichtlichen Einfluſſe für die Stellung und Weiterentwickelung der Na- turwiſſenſchaften von größter und leider nicht bloß im frühen Mittel- alter verhängnißvoller Bedeutung wurden: die Entwickelung des Mönchthums und die Erhebung der Kirche zu einer prieſterlichen und biſchöflichen Anſtalt, welche nicht bloß die Glaubenslehren zu beſtim- men und zu befeſtigen ſuchte, ſondern auch in Wiſſensgebieten die ihr eigentlich fern lagen ſich eine Ausſchlag gebende Stimme zu ſichern wußte, häufig freilich mit Mitteln, welche den Vertretern der Religion der Liebe wenig ziemte. Je ſchwärzer das geiſtige Unheil des Alterthums von eifernden Vertheidigern des Chriſtenthums dargeſtellt wurde, je herrlicher die opferfreudige Dienſtbarkeit gegen Gott und Mitmenſchen den Jüngern des Kreuzes erſchien, deſto mehr mußte in leicht entzündbaren Ge- müthern der Entſchluß reifen, durch völliges Hingeben an ein Leben voll Büßungen und Gebet, durch Entſagung alles irdiſchen Genuſſes der endlichen Seligkeit um ſo ſicherer theilhaft zu werden. Namentlich wa- ren es die einer beſchaulichen Lebensweiſe und ſchwärmeriſchen Aſkeſe ohnehin geneigten Morgenländer, welche in einem Abſterben der Welt die wahre Tugendfülle bethätigen zu können meinten. Dem erſten Ein- ſiedler Paulus und ſeinem Schüler Antonius, welcher wegen der ihm vorgeblich erſchienenen wunderbaren Thier- und Menſchengeſtalten noch im dreizehnten Jahrhundert vielfach erwähnt wird, folgten bald zahl- reiche Jünger. Ihnen gab Pachomius die erſte Regel eines gemeinſa- men Lebens; derſelbe wurde dadurch Gründer des Kloſterthums. Lagen auch litterariſche Beſchäftigungen den einſiedleriſch oder gemeinſam lebenden Mönchen urſprünglich fern, ſo zeichneten ſich doch unter den vom vierten Jahrhundert an durch ganz Vorderaſien bis in das Saſſa- nidenreich verbreiteten Mönche die ſyriſchen zu Edeſſa durch ihre Ge- lehrſamkeit rühmlich aus. Durch die Syrer lernten überhaupt ſchon in der vormuhammedaniſchen Zeit die Orientalen den Ariſtoteles und andere griechiſche Schriftſteller kennen.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/111>, abgerufen am 22.11.2024.