stellen, z. B. Tatian. Hierdurch vollzog sich in einzelnen Fällen der Bruch mit der antiken Wissenschaft vollständig. Doch waren es vor- züglich zwei Punkte, welche neben ihrem tiefeingreifenden culturge- schichtlichen Einflusse für die Stellung und Weiterentwickelung der Na- turwissenschaften von größter und leider nicht bloß im frühen Mittel- alter verhängnißvoller Bedeutung wurden: die Entwickelung des Mönchthums und die Erhebung der Kirche zu einer priesterlichen und bischöflichen Anstalt, welche nicht bloß die Glaubenslehren zu bestim- men und zu befestigen suchte, sondern auch in Wissensgebieten die ihr eigentlich fern lagen sich eine Ausschlag gebende Stimme zu sichern wußte, häufig freilich mit Mitteln, welche den Vertretern der Religion der Liebe wenig ziemte.
Je schwärzer das geistige Unheil des Alterthums von eifernden Vertheidigern des Christenthums dargestellt wurde, je herrlicher die opferfreudige Dienstbarkeit gegen Gott und Mitmenschen den Jüngern des Kreuzes erschien, desto mehr mußte in leicht entzündbaren Ge- müthern der Entschluß reifen, durch völliges Hingeben an ein Leben voll Büßungen und Gebet, durch Entsagung alles irdischen Genusses der endlichen Seligkeit um so sicherer theilhaft zu werden. Namentlich wa- ren es die einer beschaulichen Lebensweise und schwärmerischen Askese ohnehin geneigten Morgenländer, welche in einem Absterben der Welt die wahre Tugendfülle bethätigen zu können meinten. Dem ersten Ein- siedler Paulus und seinem Schüler Antonius, welcher wegen der ihm vorgeblich erschienenen wunderbaren Thier- und Menschengestalten noch im dreizehnten Jahrhundert vielfach erwähnt wird, folgten bald zahl- reiche Jünger. Ihnen gab Pachomius die erste Regel eines gemeinsa- men Lebens; derselbe wurde dadurch Gründer des Klosterthums. Lagen auch litterarische Beschäftigungen den einsiedlerisch oder gemeinsam lebenden Mönchen ursprünglich fern, so zeichneten sich doch unter den vom vierten Jahrhundert an durch ganz Vorderasien bis in das Sassa- nidenreich verbreiteten Mönche die syrischen zu Edessa durch ihre Ge- lehrsamkeit rühmlich aus. Durch die Syrer lernten überhaupt schon in der vormuhammedanischen Zeit die Orientalen den Aristoteles und andere griechische Schriftsteller kennen.
Die Zoologie des Mittelalters.
ſtellen, z. B. Tatian. Hierdurch vollzog ſich in einzelnen Fällen der Bruch mit der antiken Wiſſenſchaft vollſtändig. Doch waren es vor- züglich zwei Punkte, welche neben ihrem tiefeingreifenden culturge- ſchichtlichen Einfluſſe für die Stellung und Weiterentwickelung der Na- turwiſſenſchaften von größter und leider nicht bloß im frühen Mittel- alter verhängnißvoller Bedeutung wurden: die Entwickelung des Mönchthums und die Erhebung der Kirche zu einer prieſterlichen und biſchöflichen Anſtalt, welche nicht bloß die Glaubenslehren zu beſtim- men und zu befeſtigen ſuchte, ſondern auch in Wiſſensgebieten die ihr eigentlich fern lagen ſich eine Ausſchlag gebende Stimme zu ſichern wußte, häufig freilich mit Mitteln, welche den Vertretern der Religion der Liebe wenig ziemte.
Je ſchwärzer das geiſtige Unheil des Alterthums von eifernden Vertheidigern des Chriſtenthums dargeſtellt wurde, je herrlicher die opferfreudige Dienſtbarkeit gegen Gott und Mitmenſchen den Jüngern des Kreuzes erſchien, deſto mehr mußte in leicht entzündbaren Ge- müthern der Entſchluß reifen, durch völliges Hingeben an ein Leben voll Büßungen und Gebet, durch Entſagung alles irdiſchen Genuſſes der endlichen Seligkeit um ſo ſicherer theilhaft zu werden. Namentlich wa- ren es die einer beſchaulichen Lebensweiſe und ſchwärmeriſchen Aſkeſe ohnehin geneigten Morgenländer, welche in einem Abſterben der Welt die wahre Tugendfülle bethätigen zu können meinten. Dem erſten Ein- ſiedler Paulus und ſeinem Schüler Antonius, welcher wegen der ihm vorgeblich erſchienenen wunderbaren Thier- und Menſchengeſtalten noch im dreizehnten Jahrhundert vielfach erwähnt wird, folgten bald zahl- reiche Jünger. Ihnen gab Pachomius die erſte Regel eines gemeinſa- men Lebens; derſelbe wurde dadurch Gründer des Kloſterthums. Lagen auch litterariſche Beſchäftigungen den einſiedleriſch oder gemeinſam lebenden Mönchen urſprünglich fern, ſo zeichneten ſich doch unter den vom vierten Jahrhundert an durch ganz Vorderaſien bis in das Saſſa- nidenreich verbreiteten Mönche die ſyriſchen zu Edeſſa durch ihre Ge- lehrſamkeit rühmlich aus. Durch die Syrer lernten überhaupt ſchon in der vormuhammedaniſchen Zeit die Orientalen den Ariſtoteles und andere griechiſche Schriftſteller kennen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0111"n="100"/><fwplace="top"type="header">Die Zoologie des Mittelalters.</fw><lb/>ſtellen, z. B. <persNameref="http://d-nb.info/gnd/11864310X">Tatian</persName>. Hierdurch vollzog ſich in einzelnen Fällen der<lb/>
Bruch mit der antiken Wiſſenſchaft vollſtändig. Doch waren es vor-<lb/>
züglich zwei Punkte, welche neben ihrem tiefeingreifenden culturge-<lb/>ſchichtlichen Einfluſſe für die Stellung und Weiterentwickelung der Na-<lb/>
turwiſſenſchaften von größter und leider nicht bloß im frühen Mittel-<lb/>
alter verhängnißvoller Bedeutung wurden: die Entwickelung des<lb/>
Mönchthums und die Erhebung der Kirche zu einer prieſterlichen und<lb/>
biſchöflichen Anſtalt, welche nicht bloß die Glaubenslehren zu beſtim-<lb/>
men und zu befeſtigen ſuchte, ſondern auch in Wiſſensgebieten die ihr<lb/>
eigentlich fern lagen ſich eine Ausſchlag gebende Stimme zu ſichern<lb/>
wußte, häufig freilich mit Mitteln, welche den Vertretern der Religion<lb/>
der Liebe wenig ziemte.</p><lb/><p>Je ſchwärzer das geiſtige Unheil des Alterthums von eifernden<lb/>
Vertheidigern des Chriſtenthums dargeſtellt wurde, je herrlicher die<lb/>
opferfreudige Dienſtbarkeit gegen Gott und Mitmenſchen den Jüngern<lb/>
des Kreuzes erſchien, deſto mehr mußte in leicht entzündbaren Ge-<lb/>
müthern der Entſchluß reifen, durch völliges Hingeben an ein Leben voll<lb/>
Büßungen und Gebet, durch Entſagung alles irdiſchen Genuſſes der<lb/>
endlichen Seligkeit um ſo ſicherer theilhaft zu werden. Namentlich wa-<lb/>
ren es die einer beſchaulichen Lebensweiſe und ſchwärmeriſchen Aſkeſe<lb/>
ohnehin geneigten Morgenländer, welche in einem Abſterben der Welt<lb/>
die wahre Tugendfülle bethätigen zu können meinten. Dem erſten Ein-<lb/>ſiedler <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118739638">Paulus</persName> und ſeinem Schüler <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118649728">Antonius</persName>, welcher wegen der ihm<lb/>
vorgeblich erſchienenen wunderbaren Thier- und Menſchengeſtalten noch<lb/>
im dreizehnten Jahrhundert vielfach erwähnt wird, folgten bald zahl-<lb/>
reiche Jünger. Ihnen gab Pachomius die erſte Regel eines gemeinſa-<lb/>
men Lebens; derſelbe wurde dadurch Gründer des Kloſterthums. Lagen<lb/>
auch litterariſche Beſchäftigungen den einſiedleriſch oder gemeinſam<lb/>
lebenden Mönchen urſprünglich fern, ſo zeichneten ſich doch unter den<lb/>
vom vierten Jahrhundert an durch ganz Vorderaſien bis in das Saſſa-<lb/>
nidenreich verbreiteten Mönche die ſyriſchen zu Edeſſa durch ihre Ge-<lb/>
lehrſamkeit rühmlich aus. Durch die Syrer lernten überhaupt ſchon<lb/>
in der vormuhammedaniſchen Zeit die Orientalen den <persNameref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> und<lb/>
andere griechiſche Schriftſteller kennen.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[100/0111]
Die Zoologie des Mittelalters.
ſtellen, z. B. Tatian. Hierdurch vollzog ſich in einzelnen Fällen der
Bruch mit der antiken Wiſſenſchaft vollſtändig. Doch waren es vor-
züglich zwei Punkte, welche neben ihrem tiefeingreifenden culturge-
ſchichtlichen Einfluſſe für die Stellung und Weiterentwickelung der Na-
turwiſſenſchaften von größter und leider nicht bloß im frühen Mittel-
alter verhängnißvoller Bedeutung wurden: die Entwickelung des
Mönchthums und die Erhebung der Kirche zu einer prieſterlichen und
biſchöflichen Anſtalt, welche nicht bloß die Glaubenslehren zu beſtim-
men und zu befeſtigen ſuchte, ſondern auch in Wiſſensgebieten die ihr
eigentlich fern lagen ſich eine Ausſchlag gebende Stimme zu ſichern
wußte, häufig freilich mit Mitteln, welche den Vertretern der Religion
der Liebe wenig ziemte.
Je ſchwärzer das geiſtige Unheil des Alterthums von eifernden
Vertheidigern des Chriſtenthums dargeſtellt wurde, je herrlicher die
opferfreudige Dienſtbarkeit gegen Gott und Mitmenſchen den Jüngern
des Kreuzes erſchien, deſto mehr mußte in leicht entzündbaren Ge-
müthern der Entſchluß reifen, durch völliges Hingeben an ein Leben voll
Büßungen und Gebet, durch Entſagung alles irdiſchen Genuſſes der
endlichen Seligkeit um ſo ſicherer theilhaft zu werden. Namentlich wa-
ren es die einer beſchaulichen Lebensweiſe und ſchwärmeriſchen Aſkeſe
ohnehin geneigten Morgenländer, welche in einem Abſterben der Welt
die wahre Tugendfülle bethätigen zu können meinten. Dem erſten Ein-
ſiedler Paulus und ſeinem Schüler Antonius, welcher wegen der ihm
vorgeblich erſchienenen wunderbaren Thier- und Menſchengeſtalten noch
im dreizehnten Jahrhundert vielfach erwähnt wird, folgten bald zahl-
reiche Jünger. Ihnen gab Pachomius die erſte Regel eines gemeinſa-
men Lebens; derſelbe wurde dadurch Gründer des Kloſterthums. Lagen
auch litterariſche Beſchäftigungen den einſiedleriſch oder gemeinſam
lebenden Mönchen urſprünglich fern, ſo zeichneten ſich doch unter den
vom vierten Jahrhundert an durch ganz Vorderaſien bis in das Saſſa-
nidenreich verbreiteten Mönche die ſyriſchen zu Edeſſa durch ihre Ge-
lehrſamkeit rühmlich aus. Durch die Syrer lernten überhaupt ſchon
in der vormuhammedaniſchen Zeit die Orientalen den Ariſtoteles und
andere griechiſche Schriftſteller kennen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/111>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.