Alles was Wachsthum, Ernährung, Blutleben, Athmung, Absonderung heißt, gehört ihm an, während an dem Sy¬ stem, welches wir das rein seelische genannt haben, am Nervensystem und den Sinnen, ausschließend sich der Bereich des bewußten Seelenlebens vollständig entwickelt. Dabei ist übrigens nie zu verkennen, daß auch diese Form des Unbewußten immer ein Strahl sei derselben Seele, welche in anderer Region wirklich als Bewußtsein sich offen¬ bart, und eben weil es wirklich derselben Seele angehört, so müssen auch alle seine Umstimmungen auf irgend eine Weise durch alle Regionen des Seelenlebens überhaupt hindurch, und also irgendwie doch selbst im Bewußtsein sich geltend machen. Das, was wir die Gefühlswelt des Geistes nennen, wird hauptsächlich durch diese Re¬ flexe uns erklärlich. So finden wir also z. B. nur de߬ halb, daß ein vorherrschendes Leben der Verdauung die Beweglichkeit und Leichtigkeit des Vorstellungslebens stört, daß eine veränderte Stimmung des Blutlebens nicht ohne Einfluß bleibt auf die Stimmung des Geistes u. s. w., weil das stärkere Anklingen aus jenen dunkeln Regionen hinauf in die hellen Regionen des Bewußtseins, sich dort nur zu bestimmt in mannichfachen Gefühlen geltend macht. Wie wir daher schon früher bemerkt haben, suchte man gerade deßhalb oftmals, bei ungeläuterten Begriffen im Ganzen, in solchen Wirkungen des Unbewußten und Be¬ wußten irrthümlicherweise nur Belege von den verschiedenen Arten des Verkehrs zwischen Leiblichem und Geistigem, während man jetzt nach den vorausgegangenen Aufklärun¬ gen gar leicht gewahr werden kann, daß eigentlich immer¬ dar bei solchen Verhältnissen einzig und allein vom Ver¬ kehr zwischen gewissen Regionen des unbewußten und gewissen andern des bewußten Seelenlebens, welche beide immer nur verschiedene Strahlen desselben Göttlichen und Einen sind, die Rede sein darf. Die nahe Bezie¬ hung dieses scheinbar geringem, d. h. des partiell Un¬
Alles was Wachsthum, Ernährung, Blutleben, Athmung, Abſonderung heißt, gehört ihm an, während an dem Sy¬ ſtem, welches wir das rein ſeeliſche genannt haben, am Nervenſyſtem und den Sinnen, ausſchließend ſich der Bereich des bewußten Seelenlebens vollſtändig entwickelt. Dabei iſt übrigens nie zu verkennen, daß auch dieſe Form des Unbewußten immer ein Strahl ſei derſelben Seele, welche in anderer Region wirklich als Bewußtſein ſich offen¬ bart, und eben weil es wirklich derſelben Seele angehört, ſo müſſen auch alle ſeine Umſtimmungen auf irgend eine Weiſe durch alle Regionen des Seelenlebens überhaupt hindurch, und alſo irgendwie doch ſelbſt im Bewußtſein ſich geltend machen. Das, was wir die Gefühlswelt des Geiſtes nennen, wird hauptſächlich durch dieſe Re¬ flexe uns erklärlich. So finden wir alſo z. B. nur de߬ halb, daß ein vorherrſchendes Leben der Verdauung die Beweglichkeit und Leichtigkeit des Vorſtellungslebens ſtört, daß eine veränderte Stimmung des Blutlebens nicht ohne Einfluß bleibt auf die Stimmung des Geiſtes u. ſ. w., weil das ſtärkere Anklingen aus jenen dunkeln Regionen hinauf in die hellen Regionen des Bewußtſeins, ſich dort nur zu beſtimmt in mannichfachen Gefühlen geltend macht. Wie wir daher ſchon früher bemerkt haben, ſuchte man gerade deßhalb oftmals, bei ungeläuterten Begriffen im Ganzen, in ſolchen Wirkungen des Unbewußten und Be¬ wußten irrthümlicherweiſe nur Belege von den verſchiedenen Arten des Verkehrs zwiſchen Leiblichem und Geiſtigem, während man jetzt nach den vorausgegangenen Aufklärun¬ gen gar leicht gewahr werden kann, daß eigentlich immer¬ dar bei ſolchen Verhältniſſen einzig und allein vom Ver¬ kehr zwiſchen gewiſſen Regionen des unbewußten und gewiſſen andern des bewußten Seelenlebens, welche beide immer nur verſchiedene Strahlen deſſelben Göttlichen und Einen ſind, die Rede ſein darf. Die nahe Bezie¬ hung dieſes ſcheinbar geringem, d. h. des partiell Un¬
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Alles was Wachsthum, Ernährung, Blutleben, Athmung,
Abſonderung heißt, gehört ihm an, während an dem Sy¬
ſtem, welches wir das rein ſeeliſche genannt haben,
am Nervenſyſtem und den Sinnen, ausſchließend ſich der
Bereich des bewußten Seelenlebens vollſtändig entwickelt.
Dabei iſt übrigens nie zu verkennen, daß auch dieſe Form
des Unbewußten immer ein Strahl ſei derſelben Seele,
welche in anderer Region wirklich als Bewußtſein ſich offen¬
bart, und eben weil es wirklich derſelben Seele angehört,
ſo müſſen auch alle ſeine Umſtimmungen auf irgend eine
Weiſe durch alle Regionen des Seelenlebens überhaupt
hindurch, und alſo irgendwie doch ſelbſt im Bewußtſein
ſich geltend machen. Das, was wir die Gefühlswelt
des Geiſtes nennen, wird hauptſächlich durch dieſe Re¬
flexe uns erklärlich. So finden wir alſo z. B. nur de߬
halb, daß ein vorherrſchendes Leben der Verdauung die
Beweglichkeit und Leichtigkeit des Vorſtellungslebens ſtört,
daß eine veränderte Stimmung des Blutlebens nicht ohne
Einfluß bleibt auf die Stimmung des Geiſtes u. ſ. w.,
weil das ſtärkere Anklingen aus jenen dunkeln Regionen
hinauf in die hellen Regionen des Bewußtſeins, ſich dort
nur zu beſtimmt in mannichfachen Gefühlen geltend macht.
Wie wir daher ſchon früher bemerkt haben, ſuchte man
gerade deßhalb oftmals, bei ungeläuterten Begriffen im
Ganzen, in ſolchen Wirkungen des Unbewußten und Be¬
wußten irrthümlicherweiſe nur Belege von den verſchiedenen
Arten des Verkehrs zwiſchen Leiblichem und Geiſtigem,
während man jetzt nach den vorausgegangenen Aufklärun¬
gen gar leicht gewahr werden kann, daß eigentlich immer¬
dar bei ſolchen Verhältniſſen einzig und allein vom Ver¬
kehr zwiſchen gewiſſen Regionen des unbewußten und
gewiſſen andern des bewußten Seelenlebens, welche beide
immer nur verſchiedene Strahlen deſſelben Göttlichen
und Einen ſind, die Rede ſein darf. Die nahe Bezie¬
hung dieſes ſcheinbar geringem, d. h. des partiell Un¬
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/84>, abgerufen am 24.11.2024.
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