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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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lich bedingt, und dem Materiellen, woran das Ideelle
zur Erscheinung kommen kann, zur reinen und klaren Ueber¬
zeugung gekommen sei. In meinem System der Physiolo¬
gie habe ich darauf hingewiesen, wie hier es sei, wo die
Physik des Organismus in die Metaphysik übergeht,
dieweil hier eine Trennung gedacht werden muß, welche
außerhalb und über der Wirklichkeit liegt. Die Wirklich¬
keit -- wir selbst -- die Welt -- Alles hat nur ein Da¬
sein indem es zugleich und in untrennbarer Vereinigung
Idee und Substanz ist. Nichtsdestoweniger vermögen wir
in unserem eigenen ideellen Sein, in unserem Geiste zu
unterscheiden, indem wir uns über die Natur stellen (meta¬
physisch verfahren) zwischen diesen beiden an sich Untrenn¬
baren, und wir nennen nun das eine Idee -- das Bild
des Seins vor allem Dasein -- den Gottesgedanken --
das Urbild -- als solches das ewig sich selbst gleiche, zeit-
und raumlose -- nur auf göttliche nicht auf räumliche
Weise Bewegte; das andere Substanz, oder besser (von
'aei theo "in ewiger Bewegung sein") -- Aether -- das
ewig Bewegliche und ewig wirklich Bewegte, das Zeit und
Raum durch diese Bewegung Bedingende, und so halten
wir dann wohl einigermaßen in Gedanken auseinander
was in Wahrheit und Wesenheit ewig verbunden
und untrennbar vereinigt ist1.

1 Diesen ursprünglichsten aller Gegensätze, diesen Gegensatz von
Idee und ätherischer Substanz oder Aether, wie ich ihn nenne, hat auch
die ursprünglichste aller Philosophien -- die indische -- bereits bestimm¬
test anerkannt, und es ist wichtig daran zu erinnern, nicht als an eine
Autorität -- denn vernünftige Erkenntniß kann Autorität nicht aner¬
kennen -- aber nur um zu zeigen, daß so frühe schon ein ungetrübtes
Sinnen über das höchste Räthsel der Welt zu einem Resultate führen
mußte, wie es auch unserer Zeit bei reifster Ueberlegung nicht anders sich
darbieten kann. Schon bei den Hindu's also wird unterschieden (s. v.
Bohlen d. alte Indien Thl. 2. S. 311 ed. f.) 1) die ewige Materie,
die Natura naturans, der Aether -- als Prakriti oder Mulaprakriti,
und 2) die Naturvernunft, die den Aether bestimmende, bedingende Idee
-- als Buddhi, auch wohl als Weltseele Purusha. -- Ja schon dort
hebt sich aus diesen beiden als ein Drittes -- die Unterscheidung des Ich,
das Selbstbewußtsein (Ahankara) hervor.

lich bedingt, und dem Materiellen, woran das Ideelle
zur Erſcheinung kommen kann, zur reinen und klaren Ueber¬
zeugung gekommen ſei. In meinem Syſtem der Phyſiolo¬
gie habe ich darauf hingewieſen, wie hier es ſei, wo die
Phyſik des Organismus in die Metaphyſik übergeht,
dieweil hier eine Trennung gedacht werden muß, welche
außerhalb und über der Wirklichkeit liegt. Die Wirklich¬
keit — wir ſelbſt — die Welt — Alles hat nur ein Da¬
ſein indem es zugleich und in untrennbarer Vereinigung
Idee und Subſtanz iſt. Nichtsdeſtoweniger vermögen wir
in unſerem eigenen ideellen Sein, in unſerem Geiſte zu
unterſcheiden, indem wir uns über die Natur ſtellen (meta¬
phyſiſch verfahren) zwiſchen dieſen beiden an ſich Untrenn¬
baren, und wir nennen nun das eine Idee — das Bild
des Seins vor allem Daſein — den Gottesgedanken —
das Urbild — als ſolches das ewig ſich ſelbſt gleiche, zeit-
und raumloſe — nur auf göttliche nicht auf räumliche
Weiſe Bewegte; das andere Subſtanz, oder beſſer (von
᾽αει ϑέω „in ewiger Bewegung ſein”) — Aether — das
ewig Bewegliche und ewig wirklich Bewegte, das Zeit und
Raum durch dieſe Bewegung Bedingende, und ſo halten
wir dann wohl einigermaßen in Gedanken auseinander
was in Wahrheit und Weſenheit ewig verbunden
und untrennbar vereinigt iſt1.

1 Dieſen urſprünglichſten aller Gegenſätze, dieſen Gegenſatz von
Idee und ätheriſcher Subſtanz oder Aether, wie ich ihn nenne, hat auch
die urſprünglichſte aller Philoſophien — die indiſche — bereits beſtimm¬
teſt anerkannt, und es iſt wichtig daran zu erinnern, nicht als an eine
Autorität — denn vernünftige Erkenntniß kann Autorität nicht aner¬
kennen — aber nur um zu zeigen, daß ſo frühe ſchon ein ungetrübtes
Sinnen über das höchſte Räthſel der Welt zu einem Reſultate führen
mußte, wie es auch unſerer Zeit bei reifſter Ueberlegung nicht anders ſich
darbieten kann. Schon bei den Hindu's alſo wird unterſchieden (ſ. v.
Bohlen d. alte Indien Thl. 2. S. 311 ed. f.) 1) die ewige Materie,
die Natura naturans, der Aether — als Prakriti oder Mulaprakriti,
und 2) die Naturvernunft, die den Aether beſtimmende, bedingende Idee
— als Buddhi, auch wohl als Weltſeele Purusha. — Ja ſchon dort
hebt ſich aus dieſen beiden als ein Drittes — die Unterſcheidung des Ich,
das Selbſtbewußtſein (Ahankara) hervor.
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[41/0057] lich bedingt, und dem Materiellen, woran das Ideelle zur Erſcheinung kommen kann, zur reinen und klaren Ueber¬ zeugung gekommen ſei. In meinem Syſtem der Phyſiolo¬ gie habe ich darauf hingewieſen, wie hier es ſei, wo die Phyſik des Organismus in die Metaphyſik übergeht, dieweil hier eine Trennung gedacht werden muß, welche außerhalb und über der Wirklichkeit liegt. Die Wirklich¬ keit — wir ſelbſt — die Welt — Alles hat nur ein Da¬ ſein indem es zugleich und in untrennbarer Vereinigung Idee und Subſtanz iſt. Nichtsdeſtoweniger vermögen wir in unſerem eigenen ideellen Sein, in unſerem Geiſte zu unterſcheiden, indem wir uns über die Natur ſtellen (meta¬ phyſiſch verfahren) zwiſchen dieſen beiden an ſich Untrenn¬ baren, und wir nennen nun das eine Idee — das Bild des Seins vor allem Daſein — den Gottesgedanken — das Urbild — als ſolches das ewig ſich ſelbſt gleiche, zeit- und raumloſe — nur auf göttliche nicht auf räumliche Weiſe Bewegte; das andere Subſtanz, oder beſſer (von ᾽αει ϑέω „in ewiger Bewegung ſein”) — Aether — das ewig Bewegliche und ewig wirklich Bewegte, das Zeit und Raum durch dieſe Bewegung Bedingende, und ſo halten wir dann wohl einigermaßen in Gedanken auseinander was in Wahrheit und Weſenheit ewig verbunden und untrennbar vereinigt iſt 1. 1 Dieſen urſprünglichſten aller Gegenſätze, dieſen Gegenſatz von Idee und ätheriſcher Subſtanz oder Aether, wie ich ihn nenne, hat auch die urſprünglichſte aller Philoſophien — die indiſche — bereits beſtimm¬ teſt anerkannt, und es iſt wichtig daran zu erinnern, nicht als an eine Autorität — denn vernünftige Erkenntniß kann Autorität nicht aner¬ kennen — aber nur um zu zeigen, daß ſo frühe ſchon ein ungetrübtes Sinnen über das höchſte Räthſel der Welt zu einem Reſultate führen mußte, wie es auch unſerer Zeit bei reifſter Ueberlegung nicht anders ſich darbieten kann. Schon bei den Hindu's alſo wird unterſchieden (ſ. v. Bohlen d. alte Indien Thl. 2. S. 311 ed. f.) 1) die ewige Materie, die Natura naturans, der Aether — als Prakriti oder Mulaprakriti, und 2) die Naturvernunft, die den Aether beſtimmende, bedingende Idee — als Buddhi, auch wohl als Weltſeele Purusha. — Ja ſchon dort hebt ſich aus dieſen beiden als ein Drittes — die Unterſcheidung des Ich, das Selbſtbewußtſein (Ahankara) hervor.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/57>, abgerufen am 24.11.2024.