selben einfachsten Grundform. Einfachste aller Gestalten ist aber die reine Sphäre -- und so sind es unendlich kleinste Hohlsphären, Bläschen, Urzellen, welche als organische Einheiten (Monaden) die Vielgestaltigkeit aller organischen Bildung begründen. Tausend und tausend¬ fältig verwirklicht, -- setzt sich also die Idee in solcher Monas, und jede Urzelle des Organismus ist sonach immer nur die Wiederholung jener ersten Urzelle -- jenes Eikeims -- Eibläschens -- womit der ganze Organismus begann, eben deßhalb aber ist auch jede dieser Urzellen auf ihre besondere Weise der Ausdruck der Idee des Ganzen, und dadurch auf ihre besondere Weise eigenlebendig. Man denke den Gedanken einer solchen Gliederung recht durch, und man wird finden, daß hiemit in Wahr¬ heit ein ungeheurer Schritt zum Verständniß des Lebens überhaupt und des Verhältnisses der Seele zum geglieder¬ ten Leibe insbesondere gethan ist! -- Gerade der Mangel dieser Erkenntniß war es, welcher die ältern Forscher und noch manche Neuere in absurder Weise nach einem Sitze der Seele suchen ließ, als ob nur an einem Punkte, gleich der Spinne in Mitten ihres Netzes, die Seele im Organismus fixirt wäre und sie von da aus das mecha¬ nische Getriebe des Leibes in Bewegung setzte! -- Wer hingegen nur Das recht gefaßt hat, wie alle Grundform des Organismus auf unzählbarer Wiederholung der einen Grundform ruht, und wie jegliche Zelle die Wiederholung des ersten Eikeims ist, und wie sie selbst eben dadurch immer wieder die Grundidee verwirklicht, oder eben dadurch in sich eigenlebendig ist, der betrachtet nun schon mit ganz andern Augen das aus all diesen Wiederholungen sich erbauende Ganze. Erst durch diese Vorstellung wird aber auch ein jeder höher entwickelter und insbesondere der menschliche Organismus uns wahrhaft zum Begriffe einer kleinen Welt, eines Mikrokosmus, gesteigert; ein Begriff, der außerdem von den Meisten nur als ein
ſelben einfachſten Grundform. Einfachſte aller Geſtalten iſt aber die reine Sphäre — und ſo ſind es unendlich kleinſte Hohlſphären, Bläschen, Urzellen, welche als organiſche Einheiten (Monaden) die Vielgeſtaltigkeit aller organiſchen Bildung begründen. Tauſend und tauſend¬ fältig verwirklicht, — ſetzt ſich alſo die Idee in ſolcher Monas, und jede Urzelle des Organismus iſt ſonach immer nur die Wiederholung jener erſten Urzelle — jenes Eikeims — Eibläschens — womit der ganze Organismus begann, eben deßhalb aber iſt auch jede dieſer Urzellen auf ihre beſondere Weiſe der Ausdruck der Idee des Ganzen, und dadurch auf ihre beſondere Weiſe eigenlebendig. Man denke den Gedanken einer ſolchen Gliederung recht durch, und man wird finden, daß hiemit in Wahr¬ heit ein ungeheurer Schritt zum Verſtändniß des Lebens überhaupt und des Verhältniſſes der Seele zum geglieder¬ ten Leibe insbeſondere gethan iſt! — Gerade der Mangel dieſer Erkenntniß war es, welcher die ältern Forſcher und noch manche Neuere in abſurder Weiſe nach einem Sitze der Seele ſuchen ließ, als ob nur an einem Punkte, gleich der Spinne in Mitten ihres Netzes, die Seele im Organismus fixirt wäre und ſie von da aus das mecha¬ niſche Getriebe des Leibes in Bewegung ſetzte! — Wer hingegen nur Das recht gefaßt hat, wie alle Grundform des Organismus auf unzählbarer Wiederholung der einen Grundform ruht, und wie jegliche Zelle die Wiederholung des erſten Eikeims iſt, und wie ſie ſelbſt eben dadurch immer wieder die Grundidee verwirklicht, oder eben dadurch in ſich eigenlebendig iſt, der betrachtet nun ſchon mit ganz andern Augen das aus all dieſen Wiederholungen ſich erbauende Ganze. Erſt durch dieſe Vorſtellung wird aber auch ein jeder höher entwickelter und insbeſondere der menſchliche Organismus uns wahrhaft zum Begriffe einer kleinen Welt, eines Mikrokosmus, geſteigert; ein Begriff, der außerdem von den Meiſten nur als ein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><hirendition="#g"><pbfacs="#f0038"n="22"/>ſelben einfachſten Grundform</hi>. Einfachſte aller<lb/>
Geſtalten iſt aber die reine Sphäre — und ſo ſind es<lb/>
unendlich kleinſte Hohlſphären, Bläschen, Urzellen, welche<lb/>
als organiſche Einheiten (Monaden) die Vielgeſtaltigkeit<lb/>
aller organiſchen Bildung begründen. Tauſend und tauſend¬<lb/>
fältig verwirklicht, —ſetzt ſich alſo die Idee in ſolcher<lb/>
Monas, und jede Urzelle des Organismus iſt ſonach immer<lb/>
nur die Wiederholung jener erſten Urzelle — jenes Eikeims<lb/>— Eibläschens — womit der ganze Organismus begann,<lb/>
eben deßhalb aber iſt auch jede dieſer Urzellen auf ihre<lb/>
beſondere Weiſe <hirendition="#g">der Ausdruck der Idee des Ganzen</hi>,<lb/>
und dadurch <hirendition="#g">auf ihre beſondere Weiſe eigenlebendig</hi>.<lb/>
Man denke den Gedanken einer <hirendition="#g">ſolchen</hi> Gliederung<lb/>
recht durch, und man wird finden, daß hiemit in Wahr¬<lb/>
heit ein ungeheurer Schritt zum Verſtändniß des Lebens<lb/>
überhaupt und des Verhältniſſes der Seele zum geglieder¬<lb/>
ten Leibe insbeſondere gethan iſt! — Gerade der Mangel<lb/><hirendition="#g">dieſer</hi> Erkenntniß war es, welcher die ältern Forſcher und<lb/>
noch manche Neuere in abſurder Weiſe nach einem <hirendition="#g">Sitze<lb/>
der Seele</hi>ſuchen ließ, als ob nur an einem Punkte,<lb/>
gleich der Spinne in Mitten ihres Netzes, die Seele im<lb/>
Organismus fixirt wäre und ſie <hirendition="#g">von da aus</hi> das mecha¬<lb/>
niſche Getriebe des Leibes in Bewegung ſetzte! — Wer<lb/>
hingegen nur <hirendition="#g">Das</hi> recht gefaßt hat, wie alle Grundform<lb/>
des Organismus auf unzählbarer Wiederholung der <hirendition="#g">einen</hi><lb/>
Grundform ruht, und wie jegliche Zelle die Wiederholung<lb/>
des erſten Eikeims iſt, und wie ſie ſelbſt eben dadurch<lb/>
immer wieder die Grundidee verwirklicht, oder eben dadurch<lb/>
in ſich eigenlebendig iſt, der betrachtet nun ſchon mit ganz<lb/>
andern Augen das aus all dieſen Wiederholungen ſich<lb/>
erbauende Ganze. Erſt durch <hirendition="#g">dieſe</hi> Vorſtellung wird aber<lb/>
auch ein jeder höher entwickelter und insbeſondere der<lb/>
menſchliche Organismus uns <hirendition="#g">wahrhaft zum Begriffe<lb/>
einer kleinen Welt</hi>, eines Mikrokosmus, geſteigert;<lb/>
ein Begriff, der außerdem von den Meiſten nur als ein<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[22/0038]
ſelben einfachſten Grundform. Einfachſte aller
Geſtalten iſt aber die reine Sphäre — und ſo ſind es
unendlich kleinſte Hohlſphären, Bläschen, Urzellen, welche
als organiſche Einheiten (Monaden) die Vielgeſtaltigkeit
aller organiſchen Bildung begründen. Tauſend und tauſend¬
fältig verwirklicht, — ſetzt ſich alſo die Idee in ſolcher
Monas, und jede Urzelle des Organismus iſt ſonach immer
nur die Wiederholung jener erſten Urzelle — jenes Eikeims
— Eibläschens — womit der ganze Organismus begann,
eben deßhalb aber iſt auch jede dieſer Urzellen auf ihre
beſondere Weiſe der Ausdruck der Idee des Ganzen,
und dadurch auf ihre beſondere Weiſe eigenlebendig.
Man denke den Gedanken einer ſolchen Gliederung
recht durch, und man wird finden, daß hiemit in Wahr¬
heit ein ungeheurer Schritt zum Verſtändniß des Lebens
überhaupt und des Verhältniſſes der Seele zum geglieder¬
ten Leibe insbeſondere gethan iſt! — Gerade der Mangel
dieſer Erkenntniß war es, welcher die ältern Forſcher und
noch manche Neuere in abſurder Weiſe nach einem Sitze
der Seele ſuchen ließ, als ob nur an einem Punkte,
gleich der Spinne in Mitten ihres Netzes, die Seele im
Organismus fixirt wäre und ſie von da aus das mecha¬
niſche Getriebe des Leibes in Bewegung ſetzte! — Wer
hingegen nur Das recht gefaßt hat, wie alle Grundform
des Organismus auf unzählbarer Wiederholung der einen
Grundform ruht, und wie jegliche Zelle die Wiederholung
des erſten Eikeims iſt, und wie ſie ſelbſt eben dadurch
immer wieder die Grundidee verwirklicht, oder eben dadurch
in ſich eigenlebendig iſt, der betrachtet nun ſchon mit ganz
andern Augen das aus all dieſen Wiederholungen ſich
erbauende Ganze. Erſt durch dieſe Vorſtellung wird aber
auch ein jeder höher entwickelter und insbeſondere der
menſchliche Organismus uns wahrhaft zum Begriffe
einer kleinen Welt, eines Mikrokosmus, geſteigert;
ein Begriff, der außerdem von den Meiſten nur als ein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/38>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.