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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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angehört. Man könnte fast sagen, die Erkenntniß verhalte
sich zu diesen Vorgängen wie der Mensch zu den Thieren.
Wie die menschliche Individualität, wie ich früher zeigte,
nicht nur durch ihre Einwirkung die Gestalt des Thieres
verfeinern und verschönern kann, sondern auch die Idee im
Thierleben selbst erweckt und dem ganzen Sein und Thun
dieser Geschöpfe ein höheres Siegel aufdrückt, so ungefähr
wirkt auf Athmungsbewegung (Klang der Stimme u. s. w.),
so wie auf Vorgänge der Ernährung (Essen und Trinken)
und auf die Vorgänge des Geschlechtslebens, ja auf dieses
ganz besonders, eine höhere reinere Intelligenz eben so er¬
hebend, verfeinernd -- mit einem Wort -- weihend --
als eine niedere Erkenntniß herabziehend und verschlech¬
ternd.

Hier ist nun übrigens der Punkt, wo das bewußtlose
Einwirken der Erkenntniß übergeht in das bewußte, und
wo neben dem ganz unwillkürlichen und sich ganz von selbst
und absichtslos ergebenden Ueberwirken höherer Erkenntniß
in die niederen leiblichen Offenbarungen der Psyche, ein
absichtliches Regieren und eine Art von Erziehung des Ge¬
ringern durch das Höhere anhebt. Alles was im höhern
Sinne Kosmetik -- d. h. die Erziehung des Körpers
zur Schönheit, Alles was Hygiastik -- d. h. Erzie¬
hung des Körpers zur Gesundheit, und Gymnastik --
oder Erziehung zur Schönheit und Kraft der Bewegung
genannt werden kann, fällt nun schon durchaus in den
Bereich des vollkommen bewußten und absichtlichen Einwir¬
kens des erkennenden Geistes in den leiblichen Zustand des
Menschen. Welche außerordentliche Resultate das Einwirken
dieser drei Richtungen der Erkenntniß in der Entwicklung
des höhern Menschlichen hervorbringen kann, und wie elend
und beklagenswerth menschliche Existenz zusammensinkt, wenn
diese Strahlen ihr ganz und gar entzogen sind, lehrt die
Geschichte des Menschen auf jedem Blatte. -- Die Griechen
sind auch hier wieder die ersten, welche mit vollen frischen

Carus, Psyche, 23

angehört. Man könnte faſt ſagen, die Erkenntniß verhalte
ſich zu dieſen Vorgängen wie der Menſch zu den Thieren.
Wie die menſchliche Individualität, wie ich früher zeigte,
nicht nur durch ihre Einwirkung die Geſtalt des Thieres
verfeinern und verſchönern kann, ſondern auch die Idee im
Thierleben ſelbſt erweckt und dem ganzen Sein und Thun
dieſer Geſchöpfe ein höheres Siegel aufdrückt, ſo ungefähr
wirkt auf Athmungsbewegung (Klang der Stimme u. ſ. w.),
ſo wie auf Vorgänge der Ernährung (Eſſen und Trinken)
und auf die Vorgänge des Geſchlechtslebens, ja auf dieſes
ganz beſonders, eine höhere reinere Intelligenz eben ſo er¬
hebend, verfeinernd — mit einem Wort — weihend —
als eine niedere Erkenntniß herabziehend und verſchlech¬
ternd.

Hier iſt nun übrigens der Punkt, wo das bewußtloſe
Einwirken der Erkenntniß übergeht in das bewußte, und
wo neben dem ganz unwillkürlichen und ſich ganz von ſelbſt
und abſichtslos ergebenden Ueberwirken höherer Erkenntniß
in die niederen leiblichen Offenbarungen der Pſyche, ein
abſichtliches Regieren und eine Art von Erziehung des Ge¬
ringern durch das Höhere anhebt. Alles was im höhern
Sinne Kosmetik — d. h. die Erziehung des Körpers
zur Schönheit, Alles was Hygiaſtik — d. h. Erzie¬
hung des Körpers zur Geſundheit, und Gymnaſtik
oder Erziehung zur Schönheit und Kraft der Bewegung
genannt werden kann, fällt nun ſchon durchaus in den
Bereich des vollkommen bewußten und abſichtlichen Einwir¬
kens des erkennenden Geiſtes in den leiblichen Zuſtand des
Menſchen. Welche außerordentliche Reſultate das Einwirken
dieſer drei Richtungen der Erkenntniß in der Entwicklung
des höhern Menſchlichen hervorbringen kann, und wie elend
und beklagenswerth menſchliche Exiſtenz zuſammenſinkt, wenn
dieſe Strahlen ihr ganz und gar entzogen ſind, lehrt die
Geſchichte des Menſchen auf jedem Blatte. — Die Griechen
ſind auch hier wieder die erſten, welche mit vollen friſchen

Carus, Pſyche, 23
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[353/0369] angehört. Man könnte faſt ſagen, die Erkenntniß verhalte ſich zu dieſen Vorgängen wie der Menſch zu den Thieren. Wie die menſchliche Individualität, wie ich früher zeigte, nicht nur durch ihre Einwirkung die Geſtalt des Thieres verfeinern und verſchönern kann, ſondern auch die Idee im Thierleben ſelbſt erweckt und dem ganzen Sein und Thun dieſer Geſchöpfe ein höheres Siegel aufdrückt, ſo ungefähr wirkt auf Athmungsbewegung (Klang der Stimme u. ſ. w.), ſo wie auf Vorgänge der Ernährung (Eſſen und Trinken) und auf die Vorgänge des Geſchlechtslebens, ja auf dieſes ganz beſonders, eine höhere reinere Intelligenz eben ſo er¬ hebend, verfeinernd — mit einem Wort — weihend — als eine niedere Erkenntniß herabziehend und verſchlech¬ ternd. Hier iſt nun übrigens der Punkt, wo das bewußtloſe Einwirken der Erkenntniß übergeht in das bewußte, und wo neben dem ganz unwillkürlichen und ſich ganz von ſelbſt und abſichtslos ergebenden Ueberwirken höherer Erkenntniß in die niederen leiblichen Offenbarungen der Pſyche, ein abſichtliches Regieren und eine Art von Erziehung des Ge¬ ringern durch das Höhere anhebt. Alles was im höhern Sinne Kosmetik — d. h. die Erziehung des Körpers zur Schönheit, Alles was Hygiaſtik — d. h. Erzie¬ hung des Körpers zur Geſundheit, und Gymnaſtik — oder Erziehung zur Schönheit und Kraft der Bewegung genannt werden kann, fällt nun ſchon durchaus in den Bereich des vollkommen bewußten und abſichtlichen Einwir¬ kens des erkennenden Geiſtes in den leiblichen Zuſtand des Menſchen. Welche außerordentliche Reſultate das Einwirken dieſer drei Richtungen der Erkenntniß in der Entwicklung des höhern Menſchlichen hervorbringen kann, und wie elend und beklagenswerth menſchliche Exiſtenz zuſammenſinkt, wenn dieſe Strahlen ihr ganz und gar entzogen ſind, lehrt die Geſchichte des Menſchen auf jedem Blatte. — Die Griechen ſind auch hier wieder die erſten, welche mit vollen friſchen Carus, Pſyche, 23

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/369>, abgerufen am 22.11.2024.