anerkannt werden und welche eine innere tiefe Antipathie erregen und umgekehrt. Dabei ist auch hier oft merkwürdige Gelegenheit, das Tiefe, die große Weisheit und Unfehlbar¬ keit des Unbewußten, von welcher wir früher gesprochen haben, anzuerkennen, ja zu bewundern, und fast Jeder wird in seinem Leben an Vorkommnisse sich erinnern können, bei welchen eine tiefe innere Antipathie, ein lebhaftes Gefühl von Feindlichkeit und Haß ihm Verhältnisse früher richtig bezeichnete, bevor sie die Erkenntniß wirklich als solche wahr¬ nahm, oder unglückliche Erfahrungen sie bestätigt hatten.
Ist nun aber das Gefühl des Hasses wirklich in seinen beiden Wurzeln, der bewußten und unbewußten, begründet und erstanden, so gewahren wir es doch in uns selbst alle¬ mal als etwas Bitteres, Unglückliches, Unseeliges, und seine Verwandtschaft mit dem Gefühl der Trauer ist daher schon früher erwähnt worden. Es ist jedoch auch hier wie bei der Trauer zu bemerken, daß eine große Verschiedenheit bestehe, ob der Haß wirklich von einem urbildlichen Ver¬ hältnisse (wenn so zu sagen erlaubt ist), oder von einem Scheinbilde angeregt worden sei. Das Letztere, eben weil es schon an und für sich auf falscher, ungemäßer, krank¬ hafter Richtung der Seele ruht, ist allemal weit bitterer, unseeliger, als der höher in sich gerechtfertigte Haß; jener erstere wird daher leichter zu einem wahrhaften Leidenszu¬ stande, und dieser Haß wird daher um so viel eher Leiden¬ schaft, als der letztere, welcher in sich selbst die gesundere Natur bewahrt und nie die Heftigkeit des erstern erreichen wird, vielmehr bei höherer Entwicklung der Seele allemal um so vollständiger schwindet. Dieselbe höhere Entwicklung also, welche uns immer unzugänglicher macht für die Trauer, muß aus demselben Grunde zuhöchst uns unzugänglich machen für den Haß, dieweil eingesehen wird, daß zuletzt die höchste Weltordnung doch alle jene Unvollkommenheiten und Mängel, und alle jene Entwicklung-hemmenden und störenden Ver¬ hältnisse, welche im Einzelnen so lästig und hassenswerth
anerkannt werden und welche eine innere tiefe Antipathie erregen und umgekehrt. Dabei iſt auch hier oft merkwürdige Gelegenheit, das Tiefe, die große Weisheit und Unfehlbar¬ keit des Unbewußten, von welcher wir früher geſprochen haben, anzuerkennen, ja zu bewundern, und faſt Jeder wird in ſeinem Leben an Vorkommniſſe ſich erinnern können, bei welchen eine tiefe innere Antipathie, ein lebhaftes Gefühl von Feindlichkeit und Haß ihm Verhältniſſe früher richtig bezeichnete, bevor ſie die Erkenntniß wirklich als ſolche wahr¬ nahm, oder unglückliche Erfahrungen ſie beſtätigt hatten.
Iſt nun aber das Gefühl des Haſſes wirklich in ſeinen beiden Wurzeln, der bewußten und unbewußten, begründet und erſtanden, ſo gewahren wir es doch in uns ſelbſt alle¬ mal als etwas Bitteres, Unglückliches, Unſeeliges, und ſeine Verwandtſchaft mit dem Gefühl der Trauer iſt daher ſchon früher erwähnt worden. Es iſt jedoch auch hier wie bei der Trauer zu bemerken, daß eine große Verſchiedenheit beſtehe, ob der Haß wirklich von einem urbildlichen Ver¬ hältniſſe (wenn ſo zu ſagen erlaubt iſt), oder von einem Scheinbilde angeregt worden ſei. Das Letztere, eben weil es ſchon an und für ſich auf falſcher, ungemäßer, krank¬ hafter Richtung der Seele ruht, iſt allemal weit bitterer, unſeeliger, als der höher in ſich gerechtfertigte Haß; jener erſtere wird daher leichter zu einem wahrhaften Leidenszu¬ ſtande, und dieſer Haß wird daher um ſo viel eher Leiden¬ ſchaft, als der letztere, welcher in ſich ſelbſt die geſundere Natur bewahrt und nie die Heftigkeit des erſtern erreichen wird, vielmehr bei höherer Entwicklung der Seele allemal um ſo vollſtändiger ſchwindet. Dieſelbe höhere Entwicklung alſo, welche uns immer unzugänglicher macht für die Trauer, muß aus demſelben Grunde zuhöchſt uns unzugänglich machen für den Haß, dieweil eingeſehen wird, daß zuletzt die höchſte Weltordnung doch alle jene Unvollkommenheiten und Mängel, und alle jene Entwicklung-hemmenden und ſtörenden Ver¬ hältniſſe, welche im Einzelnen ſo läſtig und haſſenswerth
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anerkannt werden und welche eine innere tiefe Antipathie
erregen und umgekehrt. Dabei iſt auch hier oft merkwürdige
Gelegenheit, das Tiefe, die große Weisheit und Unfehlbar¬
keit des Unbewußten, von welcher wir früher geſprochen
haben, anzuerkennen, ja zu bewundern, und faſt Jeder wird
in ſeinem Leben an Vorkommniſſe ſich erinnern können, bei
welchen eine tiefe innere Antipathie, ein lebhaftes Gefühl
von Feindlichkeit und Haß ihm Verhältniſſe früher richtig
bezeichnete, bevor ſie die Erkenntniß wirklich als ſolche wahr¬
nahm, oder unglückliche Erfahrungen ſie beſtätigt hatten.
Iſt nun aber das Gefühl des Haſſes wirklich in ſeinen
beiden Wurzeln, der bewußten und unbewußten, begründet
und erſtanden, ſo gewahren wir es doch in uns ſelbſt alle¬
mal als etwas Bitteres, Unglückliches, Unſeeliges, und ſeine
Verwandtſchaft mit dem Gefühl der Trauer iſt daher ſchon
früher erwähnt worden. Es iſt jedoch auch hier wie bei
der Trauer zu bemerken, daß eine große Verſchiedenheit
beſtehe, ob der Haß wirklich von einem urbildlichen Ver¬
hältniſſe (wenn ſo zu ſagen erlaubt iſt), oder von einem
Scheinbilde angeregt worden ſei. Das Letztere, eben weil
es ſchon an und für ſich auf falſcher, ungemäßer, krank¬
hafter Richtung der Seele ruht, iſt allemal weit bitterer,
unſeeliger, als der höher in ſich gerechtfertigte Haß; jener
erſtere wird daher leichter zu einem wahrhaften Leidenszu¬
ſtande, und dieſer Haß wird daher um ſo viel eher Leiden¬
ſchaft, als der letztere, welcher in ſich ſelbſt die geſundere
Natur bewahrt und nie die Heftigkeit des erſtern erreichen
wird, vielmehr bei höherer Entwicklung der Seele allemal
um ſo vollſtändiger ſchwindet. Dieſelbe höhere Entwicklung
alſo, welche uns immer unzugänglicher macht für die Trauer,
muß aus demſelben Grunde zuhöchſt uns unzugänglich machen
für den Haß, dieweil eingeſehen wird, daß zuletzt die höchſte
Weltordnung doch alle jene Unvollkommenheiten und Mängel,
und alle jene Entwicklung-hemmenden und ſtörenden Ver¬
hältniſſe, welche im Einzelnen ſo läſtig und haſſenswerth
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/333>, abgerufen am 22.11.2024.
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