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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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Entschieden stellt es sich bald hiebei dar, daß die drei
großen Strahlungen alles Seelenlebens, Erkennen, Fühlen
und Wollen, in der allergenauesten Beziehung stehen zu
den genannten drei Richtungen möglicher Modificationen
des ewigen Wesens der Seele überhaupt. Im Allgemeinen
darf man sagen der Reichthum des Erkennens, das
Aufnehmen -- gleichsam Assimiliren immer neuer Ideen
durch die zunehmende Intelligenz -- es nährt und steigert
insbesondere die Mächtigkeit, die Unabhängigkeit, die Frei¬
heit der eignen Idee -- also die Selbstinnigkeit, --
eben so wie im Gegentheil der Mangel des Erkennens das
Unwissendsein, ein gewisses Verkommen der Idee, ein Sinken
ihrer Freiheit und Selbstständigkeit, mit einem Worte ihre
Selbstnichtigkeit fördert. Ferner der Reichthum des
Gefühls, die Wärme und Höhe seiner Entwicklung und
insbesondere der Entwicklung des Höchsten -- des -- wie
wir es später nennen werden -- Urgefühls, d. i. der Liebe,
es wird durch immer entschiedeneres Hinwenden nach dem
Höchsten besonders fördernd werden für die Gottinnig¬
keit
, so wie umgekehrt das sich Verlieren an niedere und
unwürdige Gefühle z. B. an die Liebe des Unwürdigen,
oder an den Haß, die Gottlosigkeit des Wesens der
Seele herbeiführen muß. Nicht aber bloß das Erkennen
und das Gefühl fördern und reifen das Wesen der Seele,
sondern noch von ganz besonderer Macht ist hiefür das
Ueben des Willens und das Ausführen der That. Diese
Regungen der Seele sind es, an welchen im höhern Sinne
Das reift, was wir die Weltinnigkeit nannten, während
ein Verlieren in ein Thun ohne höhern Zweck, oder mit
niedern Bestrebungen, dasjenige Sinken der Seele herbei¬
führt, welches wir mit dem Namen der Verweltlichung
belegt haben.

Es würde indeß sehr einseitig sein, wenn wir dem
Gedanken Raum gäben, daß nur und allein je eine der
drei wesentlichen Strahlungen des Seelenlebens immer nur

Entſchieden ſtellt es ſich bald hiebei dar, daß die drei
großen Strahlungen alles Seelenlebens, Erkennen, Fühlen
und Wollen, in der allergenaueſten Beziehung ſtehen zu
den genannten drei Richtungen möglicher Modificationen
des ewigen Weſens der Seele überhaupt. Im Allgemeinen
darf man ſagen der Reichthum des Erkennens, das
Aufnehmen — gleichſam Aſſimiliren immer neuer Ideen
durch die zunehmende Intelligenz — es nährt und ſteigert
insbeſondere die Mächtigkeit, die Unabhängigkeit, die Frei¬
heit der eignen Idee — alſo die Selbſtinnigkeit, —
eben ſo wie im Gegentheil der Mangel des Erkennens das
Unwiſſendſein, ein gewiſſes Verkommen der Idee, ein Sinken
ihrer Freiheit und Selbſtſtändigkeit, mit einem Worte ihre
Selbſtnichtigkeit fördert. Ferner der Reichthum des
Gefühls, die Wärme und Höhe ſeiner Entwicklung und
insbeſondere der Entwicklung des Höchſten — des — wie
wir es ſpäter nennen werden — Urgefühls, d. i. der Liebe,
es wird durch immer entſchiedeneres Hinwenden nach dem
Höchſten beſonders fördernd werden für die Gottinnig¬
keit
, ſo wie umgekehrt das ſich Verlieren an niedere und
unwürdige Gefühle z. B. an die Liebe des Unwürdigen,
oder an den Haß, die Gottloſigkeit des Weſens der
Seele herbeiführen muß. Nicht aber bloß das Erkennen
und das Gefühl fördern und reifen das Weſen der Seele,
ſondern noch von ganz beſonderer Macht iſt hiefür das
Ueben des Willens und das Ausführen der That. Dieſe
Regungen der Seele ſind es, an welchen im höhern Sinne
Das reift, was wir die Weltinnigkeit nannten, während
ein Verlieren in ein Thun ohne höhern Zweck, oder mit
niedern Beſtrebungen, dasjenige Sinken der Seele herbei¬
führt, welches wir mit dem Namen der Verweltlichung
belegt haben.

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[232/0248] Entſchieden ſtellt es ſich bald hiebei dar, daß die drei großen Strahlungen alles Seelenlebens, Erkennen, Fühlen und Wollen, in der allergenaueſten Beziehung ſtehen zu den genannten drei Richtungen möglicher Modificationen des ewigen Weſens der Seele überhaupt. Im Allgemeinen darf man ſagen der Reichthum des Erkennens, das Aufnehmen — gleichſam Aſſimiliren immer neuer Ideen durch die zunehmende Intelligenz — es nährt und ſteigert insbeſondere die Mächtigkeit, die Unabhängigkeit, die Frei¬ heit der eignen Idee — alſo die Selbſtinnigkeit, — eben ſo wie im Gegentheil der Mangel des Erkennens das Unwiſſendſein, ein gewiſſes Verkommen der Idee, ein Sinken ihrer Freiheit und Selbſtſtändigkeit, mit einem Worte ihre Selbſtnichtigkeit fördert. Ferner der Reichthum des Gefühls, die Wärme und Höhe ſeiner Entwicklung und insbeſondere der Entwicklung des Höchſten — des — wie wir es ſpäter nennen werden — Urgefühls, d. i. der Liebe, es wird durch immer entſchiedeneres Hinwenden nach dem Höchſten beſonders fördernd werden für die Gottinnig¬ keit, ſo wie umgekehrt das ſich Verlieren an niedere und unwürdige Gefühle z. B. an die Liebe des Unwürdigen, oder an den Haß, die Gottloſigkeit des Weſens der Seele herbeiführen muß. Nicht aber bloß das Erkennen und das Gefühl fördern und reifen das Weſen der Seele, ſondern noch von ganz beſonderer Macht iſt hiefür das Ueben des Willens und das Ausführen der That. Dieſe Regungen der Seele ſind es, an welchen im höhern Sinne Das reift, was wir die Weltinnigkeit nannten, während ein Verlieren in ein Thun ohne höhern Zweck, oder mit niedern Beſtrebungen, dasjenige Sinken der Seele herbei¬ führt, welches wir mit dem Namen der Verweltlichung belegt haben. Es würde indeß ſehr einſeitig ſein, wenn wir dem Gedanken Raum gäben, daß nur und allein je eine der drei weſentlichen Strahlungen des Seelenlebens immer nur

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/248>, abgerufen am 22.11.2024.