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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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stöcken, oder wo sie in ihrer Existenz und ihren eigenthüm¬
lichen höhern seelischen Aeußerungen doch nur durch eine
enge gesellige Verbindung bedingt sind, wie etwa bei den
Bienen. Finden wir doch, daß auch im Menschen dadurch
daß seine geistige Entwicklung allemal nur in der Mensch¬
heit erfolgen kann, schon angedeutet werde, es solle dann
auch die Ausbildung des Bundes der Menschheit -- als
worin wieder der höchste Begriff des Staates gegeben ist --
doch zuletzt als die höchste und größte Aufgabe des Geistes
selbst immerfort betrachtet werden.

Diese Bedingungen also sind es, unter welchen sich in
der Seele des Kindes das Wunder des Geistes erschließt.
Es ist nicht ein Neues, was darin gegeben wird, aber es
ist das Erfaßt-werden einer Gegenwart, in der bis dahin
nur im untrennbaren Flusse von Vergangenheit und Zu¬
kunft sich offenbarenden Seele, es ist ein wieder Concen¬
triren der in der Erscheinung des Organismus offenbar
gewordenen, man möchte sagen, aus einander gelegten Idee;
und wie etwa unmittelbar der Regenbogen da ist und sicht¬
bar wird so bald nur die Regenwand und die Sonne ge¬
geben sind, ohne daß man sagen könnte wie er allmählig
zu Stande komme, und wie auch dieser kein neues Licht,
sondern nur eben dasselbe überall diffundirte Sonnenlicht
ist, welches hier nur in unendlichen Tropfen sich concentrirt
und so in der Gesammtwirkung das schöne Farbenbild er¬
zeugt, so ist mit einem Male der Gedanke des Ich da,
sobald das unbewußte Walten der Idee den merkwürdigen
lebendigen Bau des Organismus und insbesondre des Ge¬
hirns begründet hat, und sobald in diesem Leben eine Außen¬
welt und insbesondre eine geistig belebte Außenwelt, d. h.
eine oder mehrere andere Persönlichkeiten, sich spiegeln, so
daß dadurch fortan in dem Strome des stets halb vergang¬
nen halb zukünftigen Werdens, das Festhalten einer
Gegenwart
, und in ihm eine Bürgschaft der Ewigkeit,
erreicht werden kann.

ſtöcken, oder wo ſie in ihrer Exiſtenz und ihren eigenthüm¬
lichen höhern ſeeliſchen Aeußerungen doch nur durch eine
enge geſellige Verbindung bedingt ſind, wie etwa bei den
Bienen. Finden wir doch, daß auch im Menſchen dadurch
daß ſeine geiſtige Entwicklung allemal nur in der Menſch¬
heit erfolgen kann, ſchon angedeutet werde, es ſolle dann
auch die Ausbildung des Bundes der Menſchheit — als
worin wieder der höchſte Begriff des Staates gegeben iſt —
doch zuletzt als die höchſte und größte Aufgabe des Geiſtes
ſelbſt immerfort betrachtet werden.

Dieſe Bedingungen alſo ſind es, unter welchen ſich in
der Seele des Kindes das Wunder des Geiſtes erſchließt.
Es iſt nicht ein Neues, was darin gegeben wird, aber es
iſt das Erfaßt-werden einer Gegenwart, in der bis dahin
nur im untrennbaren Fluſſe von Vergangenheit und Zu¬
kunft ſich offenbarenden Seele, es iſt ein wieder Concen¬
triren der in der Erſcheinung des Organismus offenbar
gewordenen, man möchte ſagen, aus einander gelegten Idee;
und wie etwa unmittelbar der Regenbogen da iſt und ſicht¬
bar wird ſo bald nur die Regenwand und die Sonne ge¬
geben ſind, ohne daß man ſagen könnte wie er allmählig
zu Stande komme, und wie auch dieſer kein neues Licht,
ſondern nur eben daſſelbe überall diffundirte Sonnenlicht
iſt, welches hier nur in unendlichen Tropfen ſich concentrirt
und ſo in der Geſammtwirkung das ſchöne Farbenbild er¬
zeugt, ſo iſt mit einem Male der Gedanke des Ich da,
ſobald das unbewußte Walten der Idee den merkwürdigen
lebendigen Bau des Organismus und insbeſondre des Ge¬
hirns begründet hat, und ſobald in dieſem Leben eine Außen¬
welt und insbeſondre eine geiſtig belebte Außenwelt, d. h.
eine oder mehrere andere Perſönlichkeiten, ſich ſpiegeln, ſo
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Gegenwart
, und in ihm eine Bürgſchaft der Ewigkeit,
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[159/0175] ſtöcken, oder wo ſie in ihrer Exiſtenz und ihren eigenthüm¬ lichen höhern ſeeliſchen Aeußerungen doch nur durch eine enge geſellige Verbindung bedingt ſind, wie etwa bei den Bienen. Finden wir doch, daß auch im Menſchen dadurch daß ſeine geiſtige Entwicklung allemal nur in der Menſch¬ heit erfolgen kann, ſchon angedeutet werde, es ſolle dann auch die Ausbildung des Bundes der Menſchheit — als worin wieder der höchſte Begriff des Staates gegeben iſt — doch zuletzt als die höchſte und größte Aufgabe des Geiſtes ſelbſt immerfort betrachtet werden. Dieſe Bedingungen alſo ſind es, unter welchen ſich in der Seele des Kindes das Wunder des Geiſtes erſchließt. Es iſt nicht ein Neues, was darin gegeben wird, aber es iſt das Erfaßt-werden einer Gegenwart, in der bis dahin nur im untrennbaren Fluſſe von Vergangenheit und Zu¬ kunft ſich offenbarenden Seele, es iſt ein wieder Concen¬ triren der in der Erſcheinung des Organismus offenbar gewordenen, man möchte ſagen, aus einander gelegten Idee; und wie etwa unmittelbar der Regenbogen da iſt und ſicht¬ bar wird ſo bald nur die Regenwand und die Sonne ge¬ geben ſind, ohne daß man ſagen könnte wie er allmählig zu Stande komme, und wie auch dieſer kein neues Licht, ſondern nur eben daſſelbe überall diffundirte Sonnenlicht iſt, welches hier nur in unendlichen Tropfen ſich concentrirt und ſo in der Geſammtwirkung das ſchöne Farbenbild er¬ zeugt, ſo iſt mit einem Male der Gedanke des Ich da, ſobald das unbewußte Walten der Idee den merkwürdigen lebendigen Bau des Organismus und insbeſondre des Ge¬ hirns begründet hat, und ſobald in dieſem Leben eine Außen¬ welt und insbeſondre eine geiſtig belebte Außenwelt, d. h. eine oder mehrere andere Perſönlichkeiten, ſich ſpiegeln, ſo daß dadurch fortan in dem Strome des ſtets halb vergang¬ nen halb zukünftigen Werdens, das Feſthalten einer Gegenwart, und in ihm eine Bürgſchaft der Ewigkeit, erreicht werden kann.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/175>, abgerufen am 24.11.2024.