herigen Morphologie und Physiologie verwiesen werden, und ich erinnere abermals dabei an das oben angeführte Gleich¬ niß Göthe's vom Lichte: -- Jede nähere Erkenntniß des durch unbewußtes Walten der Idee sich offenbarenden organischen Lebens, wird nothwendig rückwirkend zur nähern Erkennt¬ niß und zum bessern Verstehen der Idee selbst führen, nur müssen immerfort alle diese Gestaltungen betrachtet und gleichsam gelesen werden als eigenthümliche Hieroglyphen in denen ein göttliches Wort sich ausdrückt. Wie bedeu¬ tungsvoll wird dann insbesondre die Geschichte des Wachs¬ thums und der allmähligen Entwicklung des Menschen in solchem Sinne! -- Zu beobachten, wie theils aus der unzäh¬ ligen Wiederholung der Monas des Urbläschens oder der Zelle, die Masse des Organismus hervorgeht, theils wie diese Masse sodann durch Verschmelzung oder Spaltung, Umbildung oder Dehiscenz stets sich weiter entwickelt, und wie überhaupt durch fort und fort schaffende Gliederung der einzelnen Gebilde eine eigenthümlich göttliche Idee ihr unsichtbares Wesen, wie in sichtbaren Lettern nieder¬ schreibt und räumlich verkündigt, dies Alles ist nicht bloß für den Physiologen sondern eben so, ja eigentlich noch weit mehr für den Psychologen ein Gegenstand sich immer wiederholender Bewunderung und immer erneuten Stu¬ diums.
Die zweite Stufe war die Entwicklung der Idee zu einem vorbereitenden allgemeinen Bewußt¬ sein, einem Weltbewußtsein. Wir müssen uns hier zunächst der Bedingungen erinnern, an welche über¬ haupt alles Bewußtsein geknüpft war. Die erste ist: Ent¬ wicklung einer fortwährend von der Idee aus impressiona¬ beln homogenen Substanz und zwar ohne daß dieselbe durch diese Impressionen zu heterogenen organischen Fortbildungen angeregt werde -- d. h. also Entwicklung und Reifen eines Nervensystems. Die zweite Bedingung war die Einwirkung einer Außenwelt auf den Organis¬
herigen Morphologie und Phyſiologie verwieſen werden, und ich erinnere abermals dabei an das oben angeführte Gleich¬ niß Göthe's vom Lichte: — Jede nähere Erkenntniß des durch unbewußtes Walten der Idee ſich offenbarenden organiſchen Lebens, wird nothwendig rückwirkend zur nähern Erkennt¬ niß und zum beſſern Verſtehen der Idee ſelbſt führen, nur müſſen immerfort alle dieſe Geſtaltungen betrachtet und gleichſam geleſen werden als eigenthümliche Hieroglyphen in denen ein göttliches Wort ſich ausdrückt. Wie bedeu¬ tungsvoll wird dann insbeſondre die Geſchichte des Wachs¬ thums und der allmähligen Entwicklung des Menſchen in ſolchem Sinne! — Zu beobachten, wie theils aus der unzäh¬ ligen Wiederholung der Monas des Urbläschens oder der Zelle, die Maſſe des Organismus hervorgeht, theils wie dieſe Maſſe ſodann durch Verſchmelzung oder Spaltung, Umbildung oder Dehiscenz ſtets ſich weiter entwickelt, und wie überhaupt durch fort und fort ſchaffende Gliederung der einzelnen Gebilde eine eigenthümlich göttliche Idee ihr unſichtbares Weſen, wie in ſichtbaren Lettern nieder¬ ſchreibt und räumlich verkündigt, dies Alles iſt nicht bloß für den Phyſiologen ſondern eben ſo, ja eigentlich noch weit mehr für den Pſychologen ein Gegenſtand ſich immer wiederholender Bewunderung und immer erneuten Stu¬ diums.
Die zweite Stufe war die Entwicklung der Idee zu einem vorbereitenden allgemeinen Bewußt¬ ſein, einem Weltbewußtſein. Wir müſſen uns hier zunächſt der Bedingungen erinnern, an welche über¬ haupt alles Bewußtſein geknüpft war. Die erſte iſt: Ent¬ wicklung einer fortwährend von der Idee aus impreſſiona¬ beln homogenen Subſtanz und zwar ohne daß dieſelbe durch dieſe Impreſſionen zu heterogenen organiſchen Fortbildungen angeregt werde — d. h. alſo Entwicklung und Reifen eines Nervenſyſtems. Die zweite Bedingung war die Einwirkung einer Außenwelt auf den Organis¬
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herigen Morphologie und Phyſiologie verwieſen werden, und
ich erinnere abermals dabei an das oben angeführte Gleich¬
niß Göthe's vom Lichte: — Jede nähere Erkenntniß des durch
unbewußtes Walten der Idee ſich offenbarenden organiſchen
Lebens, wird nothwendig rückwirkend zur nähern Erkennt¬
niß und zum beſſern Verſtehen der Idee ſelbſt führen, nur
müſſen immerfort alle dieſe Geſtaltungen betrachtet und
gleichſam geleſen werden als eigenthümliche Hieroglyphen
in denen ein göttliches Wort ſich ausdrückt. Wie bedeu¬
tungsvoll wird dann insbeſondre die Geſchichte des Wachs¬
thums und der allmähligen Entwicklung des Menſchen in
ſolchem Sinne! — Zu beobachten, wie theils aus der unzäh¬
ligen Wiederholung der Monas des Urbläschens oder der
Zelle, die Maſſe des Organismus hervorgeht, theils wie
dieſe Maſſe ſodann durch Verſchmelzung oder Spaltung,
Umbildung oder Dehiscenz ſtets ſich weiter entwickelt, und
wie überhaupt durch fort und fort ſchaffende Gliederung
der einzelnen Gebilde eine eigenthümlich göttliche Idee
ihr unſichtbares Weſen, wie in ſichtbaren Lettern nieder¬
ſchreibt und räumlich verkündigt, dies Alles iſt nicht bloß
für den Phyſiologen ſondern eben ſo, ja eigentlich noch
weit mehr für den Pſychologen ein Gegenſtand ſich immer
wiederholender Bewunderung und immer erneuten Stu¬
diums.
Die zweite Stufe war die Entwicklung der Idee
zu einem vorbereitenden allgemeinen Bewußt¬
ſein, einem Weltbewußtſein. Wir müſſen uns
hier zunächſt der Bedingungen erinnern, an welche über¬
haupt alles Bewußtſein geknüpft war. Die erſte iſt: Ent¬
wicklung einer fortwährend von der Idee aus impreſſiona¬
beln homogenen Subſtanz und zwar ohne daß dieſelbe durch
dieſe Impreſſionen zu heterogenen organiſchen Fortbildungen
angeregt werde — d. h. alſo Entwicklung und Reifen
eines Nervenſyſtems. Die zweite Bedingung war
die Einwirkung einer Außenwelt auf den Organis¬
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/170>, abgerufen am 24.11.2024.
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